Teil 1: Warum unsere Kinder scheinbar nicht kooperieren wollen
Kinder wollen kooperieren. Dieser Satz, so nonchalant von Familientherapeut Jesper Juul in fast jedem seiner Interviews dahingeworfen, bringt uns Eltern nicht selten an den Rand der Verzweiflung. Denn ausgerechnet unsere Kinder scheinen eben nicht kooperieren zu wollen, ja, sie scheinen es sich sogar in den Kopf gesetzt haben, genau das Gegenteil vom dem zu tun, was wir uns wünschen. Da werden Teller vom Tisch gefegt, Spielzeuge gefährlich in der Wohnung umhergeworfen, im dichten Straßenverkehr weggelaufen und sich morgens partout nicht allein angezogen.
Dass das so ist, liegt meines Erachtens an fünf Dingen:
- an der falschen Vorstellung der Erwachsenen von Kooperation,
- der Unwissenheit über neuronale Grundlagen der Kooperation (also darüber, wann und welche Kooperation altersangemessen ist),
- dem Übersehen von kindlichem Kooperationswillen,
- an der Macht der inneren Erwartungshaltung der Erwachsenen und
- an dem frühen (unabsichtlichen) Abgewöhnen des kooperativen Verhaltens.
In diesem Artikel möchte ich auf diese fünf grundlegenden Punkte eingehen und erklären, warum unsere Kinder scheinbar nicht kooperieren wollen. In Teil 2 dieser Artikelserie werde ich aufzeigen, wie man die Kooperationsbereitschaft der Kinder wieder erhöhen kann, Teil 3 wird sich damit beschäftigen, wie man es mithilfe kleinerer Tipps und Tricks schafft, dass Kinder im Alltag notwendige Dinge zügig erledigen.
Die falsche Vorstellung der Erwachsenen von Kooperation
Kooperation bedeutet zweckgerichtete Zusammenarbeit, auf ein gemeinsames Ziel hin. Die Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie definieren den Begriff wie folgt:
"Neben dem gegenseitigen Eingehen aufeinander (1) sind die Beteiligten durch ein gemeinsames Ziel verbunden, und (2) die Akteure stimmen ihre Rollen miteinander ab, wozu auch die Unterstützung des Anderen in seiner Rolle gehört."
Und hier liegt schon die Krux der falschen Vorstellung der Erwachsenen: Wir haben meist ein bestimmtes Ziel vor Augen. Wir wollen zum Beispiel unser Kind morgens schnell fertig machen, um pünktlich in der Kita und auf der Arbeit zu erscheinen. Wir wollen demnach, dass unser Kind sich zügig anzieht, sich die Zähne putzt (oder putzen lässt), Frühstück isst und wir dann alle harmonisch und ohne Streit losgehen können.
Schon beim Lesen dieser Zeilen wird euch die Absurdität dieses Wunsches auffallen - denn selbstverständlich haben unsere Kinder am Morgen überhaupt nicht das selbe Ziel wie wir! Deshalb kooperieren sie natürlich auch nicht.
Ihr Ziel am Morgen ist, in Ruhe im Kinderzimmer zu spielen, irgendwann mal einen kleinen Happen zu essen, um sich dann möglicherweise anzuziehen, aber nur, um dann unten im Hof in Ruhe weiterspielen zu können. Vom Wunsch, pünktlich in der Kita erscheinen, gibt es keine Spur und dass Mama oder Papa pünktlich auf der Arbeit sein können, wird bis zu einem bestimmten Alter niemals Hauptziel eines Kindes werden. Ihr Hauptziel, auf das sie hinarbeiten, ist, dass Mama und/oder Papa mit ihnen gemeinsam in Ruhe spielen. Aus ihrer Sicht kooperieren wir Erwachsenen einfach nicht!
Wenn wir uns also wünschen, dass unsere Kinder kooperieren, sollte unser Blick als erstes zum Ziel wandern - ist es auch das gemeinsame Ziel des Kindes? Oder reden wir eigentlich gar nicht von Kooperation? Wollen wir nicht eigentlich, dass unsere Kinder morgens schlicht und einfach funktionieren?
Da das Wort "Kooperation" im allgemeinen Sprachgebrauch von Eltern also nicht meint "auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten", sondern eher "jemand tut ohne zu murren das, was ich mir von ihm wünsche", werde ich im weiteren Verlauf des Artikels eher auf diese Art der Kooperation eingehen.
Unwissenheit über neuronale Voraussetzungen für Kooperation
Zur falschen Vorstellung über Kooperation gehört auch, dass Eltern das kindliche Gehirn oftmals überschätzen bzw. einen zu erwachsenen Blick auf Situationen haben. Ich sprach einmal mit einem Elternpaar, die mir verzweifelt erzählten, dass ihre 19 Monate alte Tochter bei Spaziergängen immer nach spätestens zehn Minuten ihren Puppenwagen stehen lassen würde und sich dann weigerte, nur einen Schritt weiter zu gehen. Das Mädchen wollte gern getragen werden, aber da es sich vor dem Spaziergang für den Puppenwagen entschieden hatte, wollten die Eltern ihr den Gefallen nicht tun, weil sie, O-Ton, ja nun einmal lernen müsse, ihre Entscheidungen vorher zu bedenken.
Leider spitzte sich durch die Verweigerungshaltung der Eltern die Situation jedes mal sehr zu. Das Mädchen stand auf einem Fleck und weinte, streckte ihre Arme aus, weil sie getragen werden wollte. Die Eltern standen ein Stück entfernt und riefen (zunächst freundlich), sie solle kommen, da sie weitergehen wollen. Ging das Mädchen hinter ihnen her, riefen die Eltern ihr zu, sie solle aber den Puppenwagen mitnehmen. Das tat das Mädchen nicht. Stattdessen lief sie weinend hinter den Eltern her oder warf sich wütend auf den Boden und "trotzte". Die vermeintlich fehlende Kooperation machte die Eltern wütend - ihr Kind sollte doch den Puppenwagen mitbringen!
Leider spitzte sich durch die Verweigerungshaltung der Eltern die Situation jedes mal sehr zu. Das Mädchen stand auf einem Fleck und weinte, streckte ihre Arme aus, weil sie getragen werden wollte. Die Eltern standen ein Stück entfernt und riefen (zunächst freundlich), sie solle kommen, da sie weitergehen wollen. Ging das Mädchen hinter ihnen her, riefen die Eltern ihr zu, sie solle aber den Puppenwagen mitnehmen. Das tat das Mädchen nicht. Stattdessen lief sie weinend hinter den Eltern her oder warf sich wütend auf den Boden und "trotzte". Die vermeintlich fehlende Kooperation machte die Eltern wütend - ihr Kind sollte doch den Puppenwagen mitbringen!
Weil sie so ärgerlich waren, fingen die Eltern an, dem Kind zu drohen: "Gut, lass die Karre stehen, da freut sich bestimmt ein anderes Kind drüber", meinte die Mutter. Zur Überraschung der Eltern half auch diese Drohung nicht - ihre Tochter kümmerte das nicht, sie streckte weiter weinend die Arme nach ihren Eltern aus und guckte nicht einmal nach ihrem Wagen. Am Ende standen sich meist ein völlig aufgelöstes, kreischendes Kleinkind und zwei hart bleibende, vor innerer Wut fast überschäumende Erwachsene gegenüber - Eskalation pur.
Wirklich außer sich über ihr bockiges Kind wandten sich die Eltern an mich - was man da machen kann bei so einem Sturkopf? Es ginge doch nicht, dass sie nun ihren Willen bekäme? Aber den Puppenwagen wirklich stehen lassen wollten die Eltern auch nicht, schließlich war er fast neu. Sie wollten einfach, dass ihr Kind auf seine Sachen aufpasst und sie nirgendwo stehen lässt, wenn sie sich vorher dazu entschieden hat, sie mitzunehmen.
Ich versichere euch, dass dieses Beispiel nicht ausgedacht ist und sich diese Situation und der Wortlaut der Eltern haargenau so abgespielt hat. Sie haben es nicht einmal böse gemeint - sie haben das Geschehen einfach nur aus den Augen von Erwachsenen betrachtet, nicht aus den Augen ihres Kindes.
Denn das Mädchen war 19 Monate alt. Sie weiß noch nichts vom Wert des Geldes und dass ein Puppenwagen gekauft werden muss. Für sie "erscheinen" Geschenke noch auf ganz magische Weise. Sie weiß noch nichts davon, dass Dinge verloren gehen können. Sie weiß noch nicht, dass ein Ding, dass sie an dieser Stelle stehen lässt, nicht automatisch am nächsten Morgen wieder in ihrem Zimmer ist. Sie weiß noch nichts von Verantwortung. Sie kann auch noch nicht sehr weit in die Zukunft denken - sich nicht für den Puppenwagen zu entscheiden, weil sie nach zehn Minuten dessen überdrüssig sein wird - das liegt noch nicht in ihrer kognitiven Kompetenz. Sie kann es nicht! Da sind noch keine Nervenbahnen für angelegt, das kommt alles erst viel, viel später!
Was sie weiß ist, dass sie müde ist, und nicht mehr schieben und laufen kann. Dass sie ein bisschen Nähe braucht und gern auf den Arm möchte. Das kommunizierte sie ja auch auf eindrückliche Art und Weise. Leider wurde sie trotzdem nicht von den Erwachsenen verstanden - weil diese einen zu hohen Maßstab an ihr vorausschauendes Denken und ihr Durchhaltevermögen stellten. Dem Kind war Kooperation in diesem Augenblick schlichtweg nicht möglich.
Es ist leider ein häufiger Fehler von Erwachsenen, auf Kooperation zu pochen, die das Kind nicht leisten kann und dann von der Forderung nicht zurückzutreten, aus Angst, das Kind würde sonst lernen, dass es mit Weinen und Trotzen seinen Willen bekäme. Ich werde im dritten (praktischen) Teil dieser Artikelserie auf einige Situationen eingehen, in welchen Kooperation zu viel verlangt sind.
Das Übersehen von kindlichem Kooperationswillen
Wenn ihr es schafft, genau hinzusehen, werdet ihr bei euren Kindern sehr wohl Kooperation erkennen. Wenn ich meinen 15 Monate alten Sohn morgens einen Body anziehe, dann hilft er mit, indem er mir seine Arme entgegenstreckt, oder auch erst einmal den Ball aus der Hand legt, mit dem er gerade spielt. In diesem Moment ist unser Ziel gleich: Wir wollen (offenbar) beide, dass er angezogen ist.
In meinem Lieblingscafé verschüttet er manchmal aus Versehen etwas Wasser und immer, wenn ich mir dann eine Serviette nehme, um den Boden zu trocknen, hockt er sich neben mich und wischt auf seine Art und Weise mit. Einmal hatte ich nicht bemerkt, dass er gekleckert hatte, weil ich Zeitung las. Ich merkte aber sehr wohl, dass er etwa zehn Servietten auf den Boden warf. Ich war verwundert, weil das Herunterwerfen von Dingen nicht seine Art ist und sah dann den winzigen Wasserfleck neben den Servietten. Er wusste, dass es üblich ist, Flecken aufzuwischen und wollte es deshalb selbst tun, weil ich keine Anstalten dazu machte.
Diese Situation hätte übrigens auch von mir falsch interpretiert werden können, nämlich auf negative Art und Weise. Wenn ich erwartet hätte, dass mein Sohn, weil er noch ein halbes Baby ist, Sachen vom Tisch fegt (die Servietten) hätte ich vermutlich mit ihm geschimpft und gesagt, dass "man das nicht macht". Zu diesem Punkt der negativen Erwartungshaltung schreibe ich weiter unten ausführlicher.
Im Alltag gibt es viele, viele Situationen, in denen unsere Kinder ohne zu murren kooperieren, doch oftmals werden sie von den Erwachsenen übersehen. Ein Kind, das den Mund aufmacht, damit ihm die Zähne geputzt werden können, kooperiert. Ein Kind, das sitzen bleibt, wenn ihm die Haare gekämmt werden, kooperiert. Ein Kind, das sich die Schuhe anzieht, wenn die Eltern sagen, dass die Familie nun raus geht, kooperiert. Ein Kind, dass sich im Fahrrad oder Buggy anschnallen lässt, kooperiert. Ein Kind, das liegen bleibt, damit ihm die Windel gewechselt werden kann, kooperiert.
Ich könnte nun hunderte solcher Beispiele aufführen, doch ich denke, ihr versteht auch so, was ich meine: Unsere Kinder kooperieren tagtäglich sehr, sehr oft, doch weil das für uns Großen selbstverständliche Dinge sind, dringt diese Art der Mitarbeit nicht in unser Bewusstsein vor. Wir müssen dringend unseren Blick schärfen für die Bemühungen unserer Kinder, mit uns zusammenzuarbeiten. Das wird eine der schwersten Übungen sein, die ihr je versucht habt. Denn unser verwöhntes Erwachsenengehirn registriert nicht (mehr) Dinge, die "normal" laufen. Wir sehen also die Kooperation nicht, wenn unser Kind beim Windelwechsel ruhig liegen bleibt, denn unser Gehirn erwartet diese Reaktion vom Kind. Es spart sich die Energie des Registrierens des Liegenbelieben lieber für die Konzentration auf das Saubermachen des Pos.
Wir sehen aber sehr wohl, wenn die Reaktion des Kindes nicht "normal" abläuft, wenn es kreischt und sich windet und ganz und gar nicht die Windel gewechselt bekommen will. Dieses Verhalten fällt unserem Gehirn sehr wohl bewusst auf, und noch mehr: Es wird abgespeichert, d. h. wir erinnern uns, dass unser Kind gestern, vorgestern oder vor 3 Wochen ebenso unkooperativ beim Windelwechsel war. Dass es dazwischen vielleicht mehrere ereignislose Windelwechsel gab, merkt das Gehirn sich nicht. Lediglich - vielleicht - der erste ruhige Windelwechsel nach einer Reihe von widerstandsvollen wird von den Eltern mit Erleichterung registriert. Das bedeutet natürlich, dass wir zunehmend genervter auf das Weigern reagieren, einfach, weil wir schon so viele Situationen davon abgespeichert haben und es uns so vorkommt, als würde das Kind das immer tun. Unser Blick ist, durch die Arbeitsweise des Gehirns bedingt, defizitorientiert. Es erfordert erhöhte Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, um die vom Gehirn ignorierten "normalen" positiven Verhaltensweisen des Kindes zu sehen.
Wir sehen aber sehr wohl, wenn die Reaktion des Kindes nicht "normal" abläuft, wenn es kreischt und sich windet und ganz und gar nicht die Windel gewechselt bekommen will. Dieses Verhalten fällt unserem Gehirn sehr wohl bewusst auf, und noch mehr: Es wird abgespeichert, d. h. wir erinnern uns, dass unser Kind gestern, vorgestern oder vor 3 Wochen ebenso unkooperativ beim Windelwechsel war. Dass es dazwischen vielleicht mehrere ereignislose Windelwechsel gab, merkt das Gehirn sich nicht. Lediglich - vielleicht - der erste ruhige Windelwechsel nach einer Reihe von widerstandsvollen wird von den Eltern mit Erleichterung registriert. Das bedeutet natürlich, dass wir zunehmend genervter auf das Weigern reagieren, einfach, weil wir schon so viele Situationen davon abgespeichert haben und es uns so vorkommt, als würde das Kind das immer tun. Unser Blick ist, durch die Arbeitsweise des Gehirns bedingt, defizitorientiert. Es erfordert erhöhte Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, um die vom Gehirn ignorierten "normalen" positiven Verhaltensweisen des Kindes zu sehen.

Am besagten Tag wachte die Tochter schon sehr früh auf und spielte 1,5 Stunden allein und ruhig in ihrem Zimmer. Severine, die wegen der schlechten Nacht des Babys noch müde war, schlief mit selbigem noch einmal ein, während die Tochter spielte. Als sie 1,5 Stunden später aufwachte, wollte sie mit ihren wichtigen Erwachsenenaufgaben beginnen. Doch plötzlich kooperierte die Tochter, obwohl sie das am Abend ja so ausgemacht hatten, überhaupt nicht mehr. Nicht nur, dass sie Severine die versprochene Stunde Homeoffice nicht gewährte, sie konnte sich plötzlich nicht mehr allein anziehen und stellte andauernd mehr Forderungen. Dabei hatte sie eine so schlechte Laune, dass Severine ob der patzigen Aussagen beinahe der Kragen platzte. Hier könnt ihr das genauer nachlesen und auch meinen ausführlichen Kommentar dazu.
Das Ding ist - Severins Tochter hatte sehr wohl kooperiert, nur war das ihrer Mama gar nicht aufgefallen: Das Mädchen hatte ja 1,5 h allein gespielt und zwar so leise, dass Mutter und Bruder noch schlafen konnte. Das ist doch eine enorme Leistung! Aus der Sicht des Kindes hatte es die Abmachung, die sie abends mit ihrer Mutter gemacht hatte, damit erfüllt - denn sie sollte sich eine Stunde lang allein beschäftigen. Dieser Fakt ist Severine jedoch gar nicht aufgefallen, zumindest nicht so bewusst, dass sie ihn positiv bewertet hätte (aber immerhin so weit, dass sie ihn in ihrem Text erwähnte). Aus Sicht der Mutter kooperierte die Tochter eben nicht, sondern stellte maulige Forderungen. Aus Sicht der Tochter wurde die Kooperation nicht genügend wertgeschätzt, so dass sich schlechte Laune einstellte und alle weiteren Forderungen seitens der Mutter nach Kooperation niedergeschmettert wurden.
Das Ding ist - Severins Tochter hatte sehr wohl kooperiert, nur war das ihrer Mama gar nicht aufgefallen: Das Mädchen hatte ja 1,5 h allein gespielt und zwar so leise, dass Mutter und Bruder noch schlafen konnte. Das ist doch eine enorme Leistung! Aus der Sicht des Kindes hatte es die Abmachung, die sie abends mit ihrer Mutter gemacht hatte, damit erfüllt - denn sie sollte sich eine Stunde lang allein beschäftigen. Dieser Fakt ist Severine jedoch gar nicht aufgefallen, zumindest nicht so bewusst, dass sie ihn positiv bewertet hätte (aber immerhin so weit, dass sie ihn in ihrem Text erwähnte). Aus Sicht der Mutter kooperierte die Tochter eben nicht, sondern stellte maulige Forderungen. Aus Sicht der Tochter wurde die Kooperation nicht genügend wertgeschätzt, so dass sich schlechte Laune einstellte und alle weiteren Forderungen seitens der Mutter nach Kooperation niedergeschmettert wurden.
Hätte Severine damals schon den geschärften Blick für Kooperation gehabt (mittlerweile hat sie ihn), wäre der gesamte Tag vermutlich nicht so aus dem Ruder gelaufen. Dann hätte sie sich bei ihrer Tochter dafür bedankt, dass sie sich so wunderbar lange allein beschäftigt hat, so dass die Mama noch einmal schlafen konnte. Und mit dieser Wertschätzung und ein wenig Entgegenkommen bei der Hilfe zum Anziehen, wäre das Mädchen vielleicht sogar bereit gewesen, sich noch einmal für eine Weile allein zu beschäftigen, während ihre Mutter wichtige Telefonate führt.
In meinem Zusatzstudium für den Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern wurde mir eingeschärft, dass das Sehen von angemessenem ("gutem") kindlichen Verhalten und das Rückmelden darüber zu den wichtigsten und vor allem grundlegenden Voraussetzungen gehört, um eine positive, tragfähige Beziehung zu den Kindern aufzubauen. Das Motto ist: "Catch them at being good!" ("Erwische sie dabei, wenn sich "gut" verhalten!"). Das bedeutet nicht, dass man die Kinder andauernd für jede Kleinigkeit loben soll! Es bedeutet, dass Anstrengungen des Kindes nicht ungesehen verhallen. Dazu reicht ein freundlicher Blick, ein dankbares Lächeln oder manchmal auch einfach ein "Ich sehe, du hast das gemacht".
Unterhalten sich zwei Erwachsene und das Kind platzt mit einer Frage dazwischen, wartet dann aber, nachdem die Erwachsenen darum gebeten haben, das Gespräch ab, könnte die erste Reaktion der Großen, wenn sie fertig sind und sich dem Kind zuwenden, ein freundliches "Du hast abgewartet." sein.
Unterhalten sich zwei Erwachsene und das Kind platzt mit einer Frage dazwischen, wartet dann aber, nachdem die Erwachsenen darum gebeten haben, das Gespräch ab, könnte die erste Reaktion der Großen, wenn sie fertig sind und sich dem Kind zuwenden, ein freundliches "Du hast abgewartet." sein.
Krakeelt ein Kind übermütig am Essentisch herum und der Erwachsene ermahnt: "Nicht so laut!" und das Kind krakeelt danach wirklich etwas leiser weiter, dann sollte der Erwachsene das unbedingt erwähnen: "Ok, das war jetzt wirklich etwas leiser." Es ist dabei egal, dass das Kind nicht gänzlich verstummt ist, wie der Erwachsene vermutlich hoffte - wichtig ist, zu bemerken, dass das Kind kooperiert hat - es war nicht mehr "so laut".
Zieht ein Baby an den Kabeln des Fernsehers und der Erwachsene ruft laut "Stopp" und das Baby hält tatsächlich (erschrocken) inne, dann ist es gut, wenn seine Reaktion Wertschätzung erhält ("Ich habe Stopp gesagt und du hast gleich aufgehört."), während man es vom Fernseher wegträgt.
Das Ziel ist, die vielen, vielen Kooperationsbemühungen unserer Kinder zu erkennen. Unsere Wertschätzung für ihr Tun macht sie glücklich und zufrieden - so, wie uns selbst auch die Wertschätzung anderer für unser Tun glücklich macht. Je öfter wir dass wir sehen, dass sie kooperieren, desto aufgeschlossener werden sie für unsere Wünsche, wenn die Situation es verlangt, dass sie funktionieren. Ich schreibe dazu weiter im zweiten Teil der Serie mehr.
Weil es so wichtig ist, schreibe ich hier noch einmal explizit: Es ist unabdingbar, die Kooperation nicht zu loben, sondern nur (positiv) wahrzunehmen und ja, da gibt es einen kleinen, aber feinen Unterschied. Ein freundliches Kopfnicken oder ein Lächeln ist kein Lob, sehr wohl aber eine Rückmeldung, dass das Kind sich gesellschaftsadäquat verhalten hat. Wird ein Kind in einer solchen Situation jedoch überschwänglich gelobt, vermittelt der Erwachsene (unbewusst), dass dieses kindliche, kooperativ-gesellschaftsadäquate Verhalten irgendwie unerwartet war. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der Erwachsene eigentlich egoistisches und anti-soziales Verhalten erwartete. Womit wir bei meinem dritten Argumentationspunkt angelangt sind.
Die Macht der inneren Erwartungshaltung
Die Macht der inneren Erwartungshaltung ist euch vielleicht schon unter dem Stichwort "selbsterfüllende Prophezeiungen" untergekommen. Ganz grob erklärt ist es so, dass die innere Erwartungshaltung der Eltern gegenüber dem Kind so (unterschwellig, aber mächtig) wirkt, dass sich das Kind genau in diese Richtung entwickelt.
Das vorgefertigte Bild des Kindes aus dem Uterus heraus

Das menschliche Gehirn ist gemein: Alle Vorkommnisse, die die Ängste der Eltern bestätigen, werden sie bemerken. Die Vorkommnisse, die jedoch nicht ihrem Bild vom Kind entsprechen, werden (unbewusst) übersehen, so dass sich in ihren Gedanken immer weiter verfestigt: "Mein Kind kann sich nicht richtig konzentrieren, es ist motorisch unruhig - das war ja schon im Bauch so!" Ein Kind, dass mit einem solchen vorurteilsbehafteten Blick angesehen wird, wird sich in genau diese Richtung entwickeln. Einfach, weil in uns die naturgegebene Veranlagung steckt, unser "Ich" so lange zu verbiegen, bis wir auf Resonanz bei unseren Eltern stoßen.
Es ist natürlich gut und wichtig, wenn Eltern sich schon in der Schwangerschaft Gedanken darüber machen, wie ihr Baby sein wird, denn es erhöht die Vorfreude und stärkt schon perinatal die Bindung zwischen Eltern und Kind. Es ist aber wichtig, diese mit der Geburt ad acta zu legen und sich ohne vorgefertigte innere Bilder auf das neue Menschlein einzulassen. Denn sonst unterstützt man eben unbewusst alle Handlungen, die das Bild des "kleinen Zappelphillip" (beispielsweise) verstärken und dem Kind wird wirklich, irgendwann, die Diagnose ADHS aufgestempelt.
Das vorgefertigte Bild von Kindern bei Eltern
Ich war einmal Beobachterin einer Szene auf dem Spielplatz, in der eine Mutter sehr eindrücklich demonstrierte, wie selbsterfüllende Prophezeiungen funktionieren. Sie kam mit ihrem etwa zweieinhalbjährigem Sohn und einer Freundin ebenfalls mit kleinem Kind an. Das erste, was sie tat, war, sich am Spielplatzrand vor ihren Sohn zu hocken und zu sagen: "Ruben, wenn du nicht lieb spielst, gehen wir gleich wieder nach Hause!" Ihr Sohn nickte brav und trottete davon. Seine Mutter setzte sich auf die Bank und begann, mit ihrer Freundin zu quatschen.
Ich saß auf der Nebenbank und schaute Ruben interessiert nach. Er stellte sich an der übervollen Rutsche an und wartete geduldig ab, bis er endlich fast ganz oben angelangt war. Vor ihm saß nur noch ein etwa dreijähriges Mädchen auf der Rutsche, die sich in dem Moment jedoch nicht traute, zu rutschen. Ruben wartete noch etwa eine Minute, dann begann er sanft (!), das Mädchen am Rücken zu drücken. Es war klar, dass er sagen wollte. "Nun rutsch endlich, ich will auch." Er schob sie nicht die Rutsche runter, er hatte ihr mit der Geste nur bedeutet, dass hinter ihr andere Kinder warten. Das Mädchen fing laut an zu weinen und rutschte die Rutsche runter. Weil sie so laut dabei war, schaute Rubens Mutter zu Rutsche, sah das weinende Mädchen unten und ihren Sohn oben. Ihre Schlussfolgerung war, dass Ruben Schuld am Weinen des Mädchens war. Sie hatte es zwar nicht beobachtet, und im Prinzip hatte sie auch recht mit ihrer Annahme, aber eben nicht ganz so krass, wie sie dachte.
Laut rief sie: "Ruben! Komm mal ganz schnell hier her!" Ihr Sohn kam freudestrahlend auf sie zugerannt und bekam sofort eine Anfuhr zu hören: "Hast du das Mädchen geschubst?" Er guckte verwirrt und war scheinbar sprachlich noch nicht so fit, also antwortete er nicht. Die Mutter fuhr fort: "Freundchen, ich habe gesagt, wir gehen sofort nach Hause, wenn du andere Kinder ärgerst. Du sollst lieb sein!" Ruben dackelte wieder ab.

Die Mutter hatte sich (unbewusst) so verhalten, dass ihre Erwartungshaltung, das Verhalten ihres Sohnes betreffend, erfüllt wurde - sie hatte nämlich unglücklicherweise immer so spät zu Ruben geguckt, dass sie nur noch das Ergebnis der Situation sehen konnte (Mädchen weint, Ruben steht daneben). Das, was sie sah, bestätigte sie in ihrer Vermutung, Ruben würde "immer nur ärgern".
Ich bin ziemlich sicher, dass Ruben in beiden Fällen nicht verstanden hat, warum er von seiner Mutter ausgeschimpft wurde, aber es wird sich in seinem Gehirn festsetzen, dass er irgendwie ein böser Junge sei, obwohl mein neutraler eingestelltes Augenpaar diese Einschätzung nicht teilte. Ich fürchte, dass, wenn der Blick seiner Mama sich nicht ändert, er in Kita und Schule eine Karriere als "Störer" vor sich hat, denn sein Selbstbild wird (von anderen) in diese Richtung geprägt.
Dabei hat Ruben auf dem Spielplatz ja viele Dinge sehr sozial geregelt. Zum Beispiel hat er an der Rutsche ganz wunderbar abgewartet. Das hätte man ihm positiv rückmelden können. Er war sanft mit dem nicht rutschenden Kind umgegangen, auch das war eine positive Rückmeldung wert. Er ist sofort zu seiner Mutter gestürmt, als diese ihn gerufen hat.... Es gab wirklich viele kleine Dinge, die Ruben gut gemeistert hatte!
Bitte versteht mich nicht falsch, ich verurteile diese Mama nicht. Es war ja nur ein sehr, sehr kleiner Ausschnitt, den ich da aus ihrem und Rubens Leben gesehen habe. Sie tat das, was in ihren Augen das beste für Ruben war, denn indem sie den Spielplatzbesuch abbrach, versuchte sie ihn ja dazu zu erziehen, andere nicht zu ärgern. Auch, wenn ich diese Methode für unglücklich und wenig zielführend halte, erkenne ich an, dass sie ihren Sohn so sehr liebt, dass sie ihn gern gesellschaftliche Normen und Regeln lehren möchte. Ich habe euch dieses Beispiel nur aufgeschrieben, weil ich erläutern wollte, was es mit der Macht der inneren Erwartungshaltung auf sich hat. Irgendwann sind Kinder wie Ruben nämlich nicht mehr so unschuldig, wie in dieser Geschichte, sondern sie ärgern wirklich gezielt, einfach, weil sie wirklich denken, dass sie "böse" sind, weil es ihnen so oft von den sie umgebenden Erwachsenen rückgemeldet wurde.
Ich will auch gar nicht sagen, dass ich frei von solchen Erwartungshaltungen bin - es gab einmal eine Situation mit meinen Töchtern, die mich gelehrt hat, genauer hinzusehen. Ich möchte sie euch erzählen, auch, wenn sie nicht sehr viel mit dem Thema Kooperation zu tun hat. Es geht aber darum, dass meine Erwartungshaltung mir ein falsches Bild vermittelt hatte: Es war Weihnachtszeit, meine Kinder waren etwa drei Jahre alt. Sie hatten jeder einen Keks bekommen und spielten. Am liebsten spielten sie zu der Zeit "Nikolaus", d. h. sie steckten mir tausende kleine Dinge in den Schuh und riefen dann: "Der Nikolaus war daaaaaa!"
Ich kam also zu meinem Schuh und sah noch, wie Fräulein Ordnung ihren Keks in meinen Schuh warf. Ich bemerkte auch, dass sie kaute, aber das erschien mir so unwichtig, dass ich es nur nebenbei wahrnahm und nicht beachtete. Ich suchte in meinem Schuh, fand einen Keks und strahlte Fräulein Ordnung an: "Oooooh, der Nikolaus hat mir einen Keks gebracht!" In diesem Moment fing Fräulein Chaos aus heiterem Himmel an, ihre Schwester zu hauen und sie sah dabei sehr, sehr böse aus. Ich stoppte sie und wollte gerade anfangen zu schimpfen, da fiel mir das Kauen von Fräulein Ordnung wieder ein und der Groschen fiel: Fräulein Chaos hatte ihren Keks zuerst in meinen Schuh gesteckt und war dann zu mir gelaufen, um mich zu holen. In der Zeit aß Fräulein Ordnung den Keks aus dem Schuh aus und legte ihren eigenen Keks hinein. Da ich gerade ankam, sah ich nur noch diesen Teil der Handlung - und gab ihr eine freudige Rückmeldung.
Meine Erwartungshaltung war gewesen, dass Fräulein Chaos, die sehr gerne Süßes isst, ihren Keks selbst gegessen hatte (ihr gutes Recht), Fräulein Ordnung, die Süßes nur bedingt mag, ihren mir geschenkt hatte. Diese Erwartungshaltung hat mich die Situation völlig falsch einschätzen lassen, denn eigentlich hatte Fräulein Chaos ihren Keks selbstlos an mich abgetreten!
Das vorgefertigte Bild von Kindern in der Gesellschaft
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass auch gesellschaftlich etablierte Bilder von Kindern machtvoll wirken. Kinder, die von der Gesellschaft als störend, laut und ungezogen gesehen werden, welchen man durch Erziehung die richtige Richtung weisen muss, weil sie sonst zu Tyrannen mutieren, werden in der Tat "schwieriger" als solche, die in einer Umgebung aufwachsen, in denen Kinderlärm als normal und schön angesehen wird und in der der Gedanke herrscht, dass Kinder per se "gut" sind, und die Reaktion, die sie zeigen, die momentan beste ist, die sie in diesem Augenblick zeigen können.
Die Erwartungshaltung der Erwachsenen in unseren zivilisierten Gesellschaften, dass ihren Kindern etwas zustoßen könnte oder dass die Kinder "etwas anstellen" könnten wirkt stärker auf unseren Nachwuchs, als alles, was wir ihnen sagen. Das kindliche Unbewusste beobachtet viel schärfer, als die Augen es tun. Es lässt sich leider nicht einreden, dass wir dem Kind vertrauen, wenn eigentlich das Gegenteil der Fall ist.
Das Kind mag vernunftsmäßig verstehen, warum wir nicht wollen, dass es wegläuft, oder Steine nach Tauben wirft und selbst auch in einer ruhigen Minute erklären können, was die erwünschten gesellschaftlichen Regeln sind. Trotzdem wird es normalerweise das tun, von dem es spürt, das wir (oder andere wichtige Personen in seinem Leben, z. B. die Erzieher im Kindergarten) von ihm erwarten. Wenn wir erwarten, dass ein Junge auf dem Spielplatz andere ärgert, wird diese Erwartungshaltung nicht an ihm vorbeigehen - er wird sie getreulich erfüllen. Der Gesichtsausdruck der Eltern hinterher, der impliziert, dass das schlechte Benehmen keine Überraschung war oder auch der Ausspruch: "Immer musst du..." verstärkt das von den Erwachsenen eingepflanzte anti-soziale Selbstbild des Kindes.
Im Gegensatz dazu werden Kinder, von denen ganz selbstverständlich angenommen wird, dass sie sich sozial verhalten, sich tatsächlich auch in diese Richtung entwickeln. Auch hier wirkt die Macht der inneren Erwartungshaltung - allerdings eben in eine andere Richtung,
Die Autorin Jean Liedloff lebte einige Jahre in völliger Abgeschiedenheit beim Stamm der Yequana, die einen solch positiven Blick auf Kinder haben. Sie kommt zu dem Schluss:
Die Autorin Jean Liedloff lebte einige Jahre in völliger Abgeschiedenheit beim Stamm der Yequana, die einen solch positiven Blick auf Kinder haben. Sie kommt zu dem Schluss:
"Ein gesundes Kontinuum-Kind verfügt über eine funktionierende Reihe von angeborenen Tendenzen, das Passende zu tun, wie z. B. nachahmen, erforschen, prüfen, sich und andere nicht verletzen, hereinkommen, wenn es regnet, angenehme Laute von sich geben und ein freundliches Gesicht machen, wenn sich andere Menschen richtig verhalten, auf Zeichen von jüngeren Kindern zu reagieren usw. Ein Kind hingegen [...] von dem man gemeinschaftsfeindliches Verhalten erwartet, kann gegen sein angeborenes Gefühl für Richtigkeit in dem gleichen Maße verstoßen, in dem man gegen seine Bedürfnisse und seine Empfindlichkeit für die Erwartungen anderer verstoßen hat. Die gängigen Mittel von Lob und Tadel sind absolut zerstörerisch gegenüber den Motiven von Kindern, besonders der kleinsten. Wenn das Kind etwas Nützliches tut, wie sich selbst anziehen oder den Hund füttern, ein Sträußchen Feldblumen hereinbringen oder aus einem Tonklumpen einen Aschenbecher machen, so kann nichts entmutigender sein, als ein Ausdruck der Überraschung darüber, dass es sich sozial verhalten hat: "Oh, was für ein liebes Mädchen!", "Seht mal, was Stefanie ganz alleine gemacht hat!" und ähnliche Ausrufe deuten an, dass soziales Verhalten bei dem Kind unerwartet, uncharakteristisch und ungewöhnlich ist. Sein Verstand mag sich darüber freuen, doch sein Gefühl wird voll Unbehagen darüber sein, dass es gegenüber dem von ihm Erwarteten, dem, was es zu einem wahren Bestandteil seiner Kultur, seines Stammes, seiner Familie macht, versagt hat. [Liedloff, J., 1998: 117ff]
Wird ein Kind öfter für eigentlich normales, soziales Verhalten gelobt, dann verstärkt sich sein Unbehagen über seinen vermeintlichen Fauxpas und es wird seine natürlichen Tendenzen zur Kooperation und zum Sozialtrieb einstellen, da es unbewusst registriert, dass die Erwachsenen eigentlich eine andere Erwartungshaltung haben. Wir haben darüber in unserem Artikel über das Loben von Kindern ausführlicher geschrieben.
Für die Yequana ist klar, dass ein jedes Mitglied des Stammes - egal welchen Alters - ganz selbstverständlich alles dafür tun wird, dass es der Gemeinschaft gut geht. Jedoch wird niemand dazu gezwungen, etwas zu tun, was nicht seinen Neigungen entspricht, auch Kinder nicht.
Für die Yequana ist klar, dass ein jedes Mitglied des Stammes - egal welchen Alters - ganz selbstverständlich alles dafür tun wird, dass es der Gemeinschaft gut geht. Jedoch wird niemand dazu gezwungen, etwas zu tun, was nicht seinen Neigungen entspricht, auch Kinder nicht.
"Einem Kind werden keine Befehle erteilt, die seinen eigenen Neigungen, wie es spielen, wie viel es essen, wann es schlafen möchte etc., zuwiderlaufen. Wo jedoch seine Hilfe benötigt wird, erwartet man von ihm, dass es auf der Stelle Folge leistet. Befehle wie "Bring mir Wasser!", "Hack etwas Holz!", "Reich mir das mal!" oder "Gib dem Baby eine Banane!" werden aufgrund eben dieser Annahme eines angeborenen Gemeinschaftsgeistes erteilt, in der Gewissheit, dass ein Kind nützlich sein und an der Arbeit der Seinen teilnehmen möchte. Niemand überwacht, ob das Kind gehorcht - es besteht kein Zweifel an seinem Willen zur Zusammenarbeit. Als das "soziale Tier", das es ist, tut es das von ihm Erwartete ohne Zögern und so gut es kann" [Liedloff, J., 1998: 120f].
Und hier sind wir bei meiner fünften These angelangt - ich denke, dass wir westlichen Eltern aus Unwissenheit und Bequemlichkeit unseren Kinder die Kooperation früh regelrecht abgewöhnen. Wie man an Jean Liedloffs Beispiel der Yequana erkennen kann, scheint der Mensch, wie Jesper Juul behauptet, wirklich von Geburt an zu kooperieren und sich in die Gemeinschaft einordnen zu wollen. Was geht da, um Himmels Willen, bei unseren Kinder schief?
Das (unbewusste) Aberziehen von Kooperation
Kooperation versus Konkurrenz - Aberziehen durch die Gesellschaft
Es gibt eine Untersuchung des Center for Infant Cognition der Universität British Columbia (Vancouver), in der Babys im Alter von sechs Monaten eine Art Puppentheater-Szene vorgespielt wurde, in der ein roter Kreis versucht, einen Berg hinaufzurollen, es allein aber nicht schafft. Er rollt immer wieder hinab. Es kommt ein gelbes Dreieck hinzu, welches von unten schiebt, so dass der Kreis es mit der Hilfe auf den Berg hinauf schafft. Sichtlich erfreut hüpft der rote Kreis auf und ab, als er am Ziel angelangt ist. In einer anderen Sequenz kommt statt des Dreiecks ein blaues Quadrat, welches schon auf dem Berg steht und den Kreis von oben so drückt, dass dieser wieder hinunterrollt.

Das Experiment ging jedoch weiter - nach noch einmal sechs Monaten, also im Alter von einem Jahr, wurden die gleichen Kinder noch einmal eingeladen und wieder wurden die Sequenzen mit Kreis, Quadrat und Dreieck vorgespielt. Diesmal griffen rund 20% der Kinder auch zum Quadrat, welches ja den Kreis vom Berg gestoßen hatte.
Was war in der Zwischenzeit passiert? Diese Kinder hatten in den letzten Monaten in der Gesellschaft oder ihrer Familie beobachtet, dass Wettbewerb zu mehr Erfolg als Kooperation führt. Das wettbewerbsorientierte Quadrat war als "Sieger" aus der Sequenz hervorgegangen und die Einjährigen wollten mit diesem Siegertypen spielen [vgl. Wagenhofer, E., Kriechbaum, S., Stern. A.: Alphabet - Angst oder Liebe, 2013, 148ff].
"Am Anfang haben sie sich alle mit diesem Unterstützer identifiziert. [Konkurrenz] kann also gar nicht genetisch sein, sondern muss eine Erfahrung sein, die diese Kinder in ihren jeweiligen Familien gemacht haben. Es gab da irgendjemanden, der sich sehr erfolgreich auf Kosten der anderen durchgesetzt hat - und die Kinder wären bescheuert, wenn sie sich nicht mit dem identifizieren würden, der erfolgreich durchs Leben kommt! Wenn also Kinder andere wegschieben, wenn Kinder versuchen, sich auf Kosten anderer durchzusetzen, dann liegt das nicht am Gehirn dieser Kinder, auch nicht an ihren Erbanlagen, sondern es liegt an uns, dass wir es ihnen so vorleben. Und wenn sich das ändern soll, dann müssen wir nicht versuchen, die Kinder zu ändern, sondern die Art und Weise, wie wir zusammenleben und miteinander umgehen" [Hüther, G., in: Wagenhofer, E., Kriechbaum, S., Stern. A.: Alphabet - Angst oder Liebe, 2013, 150].
Wenn ihr euch in unserer Welt umschaut, werdet ihr feststellen, dass sie in einem hohen Maße auf Wettbewerb ausgelegt ist. Kinder wie Erwachsene werden dazu angehalten, schneller, höher, weiter zu streben und als Sieger aus der Gruppe der Peers herauszutreten. In der Schule wird benotet, im Sport gibt es Medaillen, im Beruf Prämien für gute Arbeit. Schon Babys werden verglichen und in Tabellen eingeordnet, auch wenn ihnen das noch nicht bewusst ist. Ist es zu klein oder zu groß, zu dick, oder zu dünn, motorisch langsam oder sprachlich verzögert, schon bekommt es einen Eintrag in sein U-Heft und es wird ab diesem Zeitpunkt genauer beobachtet.
Kinder bekommen Noten in der Schule und werden, manchmal schon ab der 4. Klasse, nach Leistung getrennt auf verschiedene Schultypen geschickt. Und auch dort geht der Wettbewerb weiter - wer Abitur hat, wird vermutlich einen Studien- oder Ausbildungsplatz erhalten, aber was ist mit den jungen Leuten, die "nur" Mittlere Reife haben? Und auch bei den Abiturienten trennt sich bald, ganz wettbewerbsorientiert, die Spreu vom Weizen. Abitur mit 1,0, prima, du darfst Medizin studieren. Du hast dich seit Kindesbeinen an für die Heilung von Mensch und Tier interessiert, aber im Abi nur eine 3? Pech gehabt.
So kommt es eben, dass unsere Kinder von Geburt an quasi getrimmt werden auf das Bestehen in der Marktwirtschaft. Nicht ihr eigenes Tempo und ihre Vorlieben bestimmen ihren spielerischen "Arbeitsplan", sondern die Förderung von Kompetenzen, die ihnen später nützlich sein könnten. Sie nehmen überall wahr, dass Kooperation zwar offiziell erwünscht ist, inoffiziell jedoch aber immer der schnellste Sprinter, der harmonischste Sänger oder der klügste Aufgabenrechner die größte Beachtung erhält. Kein Wunder, dass sie sich schon im Kindergartenalter anfangen, sich eher miteinander zu messen, als Aufgaben zu suchen, die nur gemeinsam gelöst werden können.
Anders wachsen Kinder in sogenannten Naturvölkern wie den Yequana auf:
"Ich war Zeugin der ersten Augenblicke im Arbeitsleben eines kleinen Mädchens. Die Kleine war ungefähr zwei Jahre alt. Ich hatte sie bei den Frauen und Mädchen gesehen; während diese Maniok in einen Trog rieben, spielte sie. Jetzt nahm sie ein Stück Maniok vom Haufen und rieb es an dem Reibholz eines Mädchens in ihrer Nähe. Das Stück war zu groß; sie ließ es bei dem Versuch, es über das raue Brett zu führen, mehrmals fallen. Von ihrer Nachbarin erhielt sie ein liebevolles Lächeln und ein kleineres Stück Maniok, und ihre Mutter, auf das Auftauchen des unvermeidlichen Impulses schon vorbereitet, reichte ihr ein winziges Reibholz für sich allein. das kleine Mädchen hatte die Frauen beim Reiben gesehen, solange es zurückdenken konnte, und so rieb es sofort das Klümpchen an seinem Reibebrett auf und ab wie die anderen. In weniger als einer Minute verlor es das Interesse und rannte weg; ohne dass das Maniokstück merklich kleiner geworden wäre, wobei es sein kleines Reibholz im Trog ließ. Niemand gab ihm zu verstehen, dass seine Geste komisch, oder eine "Überraschung" sei; in der Tat erwarteten die Frauen sie früher oder später; sind sie doch alle vertraut mit der Tatsache, dass Kinder an der jeweiligen Kultur teilnehmen, wenngleich dabei Methode und Tempo von Kräften in ihnen selbst bestimmt werden. Es steht außer Frage, dass das Endergebnis im Einklang mit der Gesellschaft stehen und auf Zusammenarbeit und völliger Freiwilligkeit beruhen wird" [Liedloff, J., 1998: 111f].
Leider steht die Annahme eines angeborenen Sozialtriebes im direkten Gegensatz zur allgemeinen Überzeugung in der zivilisierten westlichen Welt, dass soziales Verhalten anerzogen werden muss. Schon allein die simple Frage, ob ein Kind allein durch das Vorbild der Eltern lernt, "Bitte" und "Danke" zu sagen, oder ob es darauf immer wieder hingewiesen werden muss, beispielsweise durch ein "Wie sagt man?" oder "Wie heißt das Zauberwort?", führt zu einem erbitterten Glaubenskampf unter Eltern.
Allgemeiner Tenor der meisten Erwachsenen ist, dass Kinder egozentrisch denken und daher durch liebevolle "Triebbändigung" für die Gesellschaft akzeptabel gemacht werden müssen. Und hier kommt dann auch wieder Punkt 4 meiner Ausführungen ins Spiel - die Macht der Erwartungshaltung der Erwachsenen. Da bei uns immer noch dieses defizitorientierte Bild von Kindern üblich ist, und unsere Gesellschaft auf Konkurrenzdenken aufgebaut ist, entwickeln unsere Kinder ganz automatisch anti-soziale Tendenzen. Selbst, wenn wir als Eltern versuchen, dem gegenzusteuern, bleibt immer noch der ungeheure Einfluss der restlichen Umgebung, dem wir uns schwerlich entziehen können.
Mir ist bewusst, dass meine Gesellschaftskritik hier nichts bewirken wird, und ich schreibe das auch nur, um euch aufzuzeigen, dass es für uns Eltern höllisch schwer ist, ein Kind zu einem sozialen, kooperativen Wesen aufwachsen zu lassen, wenn der äußere Einfluss so massiv auf es hereinbricht. Wir können leider nicht alle zu den Yequana ziehen, wir müssen mit der Gesellschaft leben, in die wir hineingeboren werden. Wir können aber versuchen, diese Gesellschaft Stück für Stück zu verändern, mit unseren begrenzten Mitteln. Vielleicht schaffen wir es dann, dass die westliche Menschheit mit jeder Generation an Kindern, die ein wenig freier und selbstbestimmter aufwächst, als die vorherige, wieder zurückfindet zu ihren gemeinschaftlichen, kooperativen Ursprüngen.
"Die größte Irrlehre, die je auf dieser Erde verbreitet wurde, ist, dass Konkurrenz notwendig ist für die Weiterentwicklung. Was wir für die Weiterentwicklung der Lebensform brauchen, ist Begegnung und Austausch, und das hat nicht erst beim Menschen stattgefunden, sondern schon bei den Bakterien. Bakterien tauschen Informationen aus. Sie treffen sich und bilden einen Schlauch und dann tauschen sie über diesen Schlauch die Erbinformationen aus. Das ist der Anfang des Lebens. [...] Konkurrenz führt lediglich dazu, dass das, was schon da ist, so verstärkt wird und einzelne Fähigkeiten immer besser ausgebaut werden. Das hat aber mit Entwicklung, mit Weiterentwicklung nichts zu tun. Die Konkurrenz bewirkt, dass wir zu Spezialisten werden. Schneller, höher, weiter! Wenn man sich weiterentwickeln will, muss man sich miteinander austauschen" [Hüther, G., in: Wagenhofer, E., Kriechbaum, S., Stern. A.: Alphabet - Angst oder Liebe, 2013, 151].
"Dafür bist du noch zu klein" - Aberziehen durch die Eltern
Doch nicht nur der uns überall umgebende Wettbewerb gewöhnt unseren Kindern die Kooperation ab, es sind auch wir selbst, allerdings sicher unbewusst.
Es ist unseren Kindern ein angeborener Wunsch, ja, sogar eine Überlebensstrategie, die Menschen in ihrer Umgebung zu imitieren. Doch weil wir ihnen bestimmte Handlungen noch nicht zutrauen oder sie uns zu lange dauern, nehmen wir ihnen diese ab. Will ein Einjähriger, der gerade so laufen kann, ein Glas vom Wohnzimmer in die Küche bringen, nehmen wir es ihm meist aus der Hand, aus Angst, es könnte herunterfallen und er sich schneiden.
Möchte ein Zweijähriger uns beim Wischen des Bades helfen, ist uns das meist nicht recht, denn er benutzt natürlich zu viel Wasser und Seife und könnte darauf ausrutschen. Außerdem macht uns seine Hilfe noch mehr Arbeit, und wer will das schon?
Will sich ein Dreijähriger morgens allein die Jacke anziehen und den Reißverschluss zumachen, aber die Zeit drängt, dann machen wir das schnell an seiner Stelle, einfach, weil wir nicht zu spät kommen wollen.
Wenn ihr euch umguckt, werdet ihr bei Freunden oder auch selbst viele kleine Situationen erleben, die als Einzelfall vielleicht nicht negativ wirken. Nehmen wir dem Einjährigen aber wieder und wieder das Glas ab, weil doch "etwas passieren" könnte, stutzen wir aus Überfürsorge und Bequemlichkeit den natürlichen Kooperationswunsch und brauchen uns nicht wundern, wenn das gleiche Kind mit 5 Jahren nicht beim Abräumen des Abendbrottisches hilft.
"Antonin isst seit jeher mit denselben Tellern, Gabeln und Löffeln, wie wir. Sein Gefühl der Zusammengehörigkeit mit der restlichen Tafel wird niemals durch Sonderbesteck verletzt. Er trinkt schon immer aus echten Gläsern. Lerntassen und derlei völlig Überflüssiges und Irritierendes verleihen dem Kind - auch in seinen eigenen Augen - einen Sonderstatus und schieben es in die Ecke derjenigen, die zu Besserem noch nicht fähig sind. Dabei will jedes Kind mit den Menschen verbunden sein, die aus "normalen" Tassen trinken. [...] Mit [...] Lerntassen und [...] Kunststoffbesteck [...] kann man nichts lernen, das man später brauchen kann. Haben Sie schon versucht, aus der Flasche in einen Kinderplastikbecher zu gießen? Es kann nicht gut gehen, weil der leichte Becher vom Wasserstrom weggeschoben wird - vor allem, wenn die kleinen Hände logischerweise beide im Einsatz sind, um die schwere Flasche zu halten" [Stern, A.: Alphabet - Angst oder Liebe, 2013, 152]
Der allerwichtigste Punkt, die Kooperation seiner Kinder zu "fördern" ist demnach, sie ihnen gar nicht erst abzugewöhnen. Alles, was ein Kind allein machen möchte, sollte es tun dürfen. Ich selbst hatte das bei meinen beiden großen Töchtern noch nicht wirklich verinnerlicht. Sie durften viel, verglichen mit anderen, aber ich habe ihnen trotzdem aus Vorsicht noch viel zu viel Eigenverantwortung und Mitarbeit abgenommen. Erst bei meinem dritten, letzten Kind, bin ich nun angekommen. Mein 15 Monate alter Sohn darf all das selbst ausprobieren, was er signalisiert tun zu wollen.
Er läuft zwar noch nicht allein (er beginnt gerade erst), möchte aber trotzdem vehement die Treppen selbst laufen. Er krabbelt sie nicht rauf oder runter, er geht - so, wie er es bei uns, seiner Familie, sieht. Er hält sich dabei selbstverständlich am Geländer fest, denn er hat ja einen natürlichen Instinkt, sich selbst zu schützen. (Beachte: Ich denke zwar, dass eigentlich jedes Kind sich ganz selbstverständlich vorsichtig die Treppe hinunter bewegen würde, aber ihr kennt eure Kinder natürlich besser. Wenn ihr selbst einschätzt, dass diese "Übung" zu gefährlich ist, dann bleibt nah bei euren Kindern stehen und fangt sie auf, falls sie fallen. Ich habe am Anfang natürlich auch sehr eng bei ihm gestanden, bis ich merkte, dass er wirklich gut auf sich acht gibt.)
Ich stehe in seiner Nähe, um zu beobachten, wie er jeden Tag auf dieser Treppe neue Kleinigkeiten ausprobiert und dazulernt. Manchmal läuft er am Geländer, dann wieder hält er sich an der Wand fest. Manchmal nutzt er den Wechselschritt, manchmal den Nachstellschritt. Manchmal versucht er, eine Stufe auszulassen, manchmal wippt er beim Gehen in den Knien, manchmal streift er mit seinen Zehen bewusst langsam über die Stufen hinweg - er spielt mit der Treppe, er experimentiert.
Ich stehe in seiner Nähe, um zu beobachten, wie er jeden Tag auf dieser Treppe neue Kleinigkeiten ausprobiert und dazulernt. Manchmal läuft er am Geländer, dann wieder hält er sich an der Wand fest. Manchmal nutzt er den Wechselschritt, manchmal den Nachstellschritt. Manchmal versucht er, eine Stufe auszulassen, manchmal wippt er beim Gehen in den Knien, manchmal streift er mit seinen Zehen bewusst langsam über die Stufen hinweg - er spielt mit der Treppe, er experimentiert.
Wenn ich ihn so sehe, frage ich mich, warum ich damals bei meinen Töchtern so starr darauf beharrt habe, dass sie an meiner Hand gehen. (Aus Angst, ihnen passiert etwas, natürlich.) Denn wenn ich ihn so beobachte, sehe ich, wie genial seine Experimente sind. Sie sind immer sicher, er bringt sich damit niemals in Gefahr. Und doch probiert er so viel aus, dass ich sicher bin, dass in dem Moment, in dem er wirklich laufen kann, er ohne Probleme im Wechselschritt und ohne Festhalten die Treppe hinabsteigen kann. Er legt jetzt die Voraussetzungen dazu und es macht ihm auch noch Spaß!
Natürlich ist es für ihn wahnsinnig anstrengend, wir wohnen immerhin im zweiten Obergeschoss, d. h. er hat 5 Treppen a 11 Stufen zu überwinden. Dier Stufen sind etwa so hoch, wie ein Drittel seines Körpers. Er braucht enorm Kraft und Durchhaltevermögen, und doch lächelt er dabei - jeden Tag. Ich glaube nicht, dass es bei ihm zukünftig je eine Phase geben wird, in der er unkooperativ ist im Bezug auf das Treppensteigen, also verweigert, sie selbst hochzulaufen. Natürlich ist er noch nicht in diesem Alter - ich kann es also nicht beweisen. Ich werde es in diesem Text nachtragen, wenn es soweit ist.
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Hilfe beim Gehege-Reinigen |
Doch das Treppensteigen ist nicht das einzige Gebiet, in welchem ich seine Kooperationsbereitschaft und sein soziales Wesen erkennen kann. Er hilft mit, die Geschirrspülmaschine auszuräumen. Er sortiert mit mir Wäsche. Er hilft mit, das Meerschweinchengehege zu reinigen. Er gießt mit mir Blumen im Garten. Er wirft Dinge in den Müll (nicht immer die richtigen...). Er reinigt die Toilette mit der Klobürste. Er wischt Wasserlachen auf. Er macht auf dem Spielplatz an der Rutsche Platz, wenn er sieht, dass ein Kind rutschen will. Er lässt auf dem Klettergerüst andere Kinder durch, wenn sie schneller sind, als er. Er teilt sein Essen mit anderen.
Gestern, als es sehr heiß war, lief ich im Hinterhof auf und ab und holte mit zwei kleinen Buddeleimern Wasser für das Planschbecken. Er schaute mir dabei zwei Runden zu, bis er den Sinn verstanden hatte, dann bedeutete er mir, dass er auch einen Eimer tragen wolle und lief mit mir mit. Fortan trug er ebenso einen kleinen Eimer vom Wasserhahn zum Planschbecken - er arbeitete mit mir zusammen auf ein gemeinsames Ziel hin. Dass der Eimer viel zu schwer für ihn war und das Wasser überschwappte und ihn durchnässte, störte ihn nicht im Geringsten. Er war freudig und ausdauernd bei der Sache.
Gestern, als es sehr heiß war, lief ich im Hinterhof auf und ab und holte mit zwei kleinen Buddeleimern Wasser für das Planschbecken. Er schaute mir dabei zwei Runden zu, bis er den Sinn verstanden hatte, dann bedeutete er mir, dass er auch einen Eimer tragen wolle und lief mit mir mit. Fortan trug er ebenso einen kleinen Eimer vom Wasserhahn zum Planschbecken - er arbeitete mit mir zusammen auf ein gemeinsames Ziel hin. Dass der Eimer viel zu schwer für ihn war und das Wasser überschwappte und ihn durchnässte, störte ihn nicht im Geringsten. Er war freudig und ausdauernd bei der Sache.
Ich bin sicher, ihr habt solche Situationen bei euren Kindern ebenso beobachten können und einiges davon unterstützt (das Essen-Teilen, das Platz-Machen auf dem Spielplatz), anderes vielleicht unterbunden oder ihnen abgenommen, wie ich bei meinen Töchtern.
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gemeinsames Wassertragen im Hof |
Ausblick auf Teil 2
Im kommenden zweiten Teil der Artikelserie zum Thema Kooperation werde ich ausführlich aufzeigen, wie man Kinder, die keine Babys mehr sind und denen wir unabsichtlich die Bereitschaft zur Kooperation schon aberzogen haben, wieder dazu bringt, im Alltag mitzuhelfen. Ich werde dabei auch berichten, bei welchen Punkten es in meiner Familie hakt, welche Zweifel mich dabei befallen und wie meine persönliche Lösung dafür aussieht. Coming soon!
© Snowqueen