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Erstausstattung - was braucht ein Baby wirklich?

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Unser Kinderwunsch ist abgeschlossen und ich beginne allmählich, unsere Babysachen zu verkaufen. Nach zwei Kindern ist mein Resümee in Bezug auf die Babyausstattung recht eindeutig: Wir hatten viel zu viel unnützes Zeug. Das Geld wäre anders wesentlich sinnvoller investiert gewesen. Viele Dinge wurden überhaupt nicht gebraucht, einige musste ich dann in Hau-Ruck-Aktionen beschaffen, weil ich gar nicht daran gedacht hatte, sie im Hause zu haben.

Ich möchte in diesem Artikel meine Erfahrungen zusammenfassen und eine Liste mit Dingen erstellen, die unentbehrlich sind - aber auch mit solchen, die wirklich nett zu haben sind. Das ist nicht ganz so einfach, weil die Bedürfnisse in jeder Familie doch sehr unterschiedlich sind. Daher will ich zu den einzelnen Dingen gerne etwas ausführlicher schreiben, damit jeder selbst entscheiden kann, ob er das Produkt anschaffen möchte oder nicht.
 

Erstausstattung - weniger ist mehr


Ich kann mich noch gut erinnern, wie aufregend es vor der Geburt unseres ersten Babys war. Die letzten Wochen der Schwangerschaft zogen sich zäh dahin und die Vorfreude wuchs und wuchs. Der Nestbautrieb sorgte dafür, dass man ständig das Bedürfnis hatte, alles optimal vorzubereiten. Der Mutterschutz wurde genutzt, um noch dieses und jenes zu kaufen und als das Baby kam, war das Kinderzimmer liebevoll eingerichtet, die Sachen im Schrank sortiert, die Windeln im Regal geordnet und der Heizstrahler montiert. Es macht großen Spaß, die Erstausstattung zusammenzusuchen, leider gerät man nur allzu schnell in einen Beschaffungsrausch.

Als das Baby dann da war, wurde es plötzlich hektisch. Der Papa musste los und Strampler in Gr. 50 besorgen - in Gr. 56 ertrank das Kind. Eine Milchpumpe musste her und für mein Schreikind brauchte ich Pucksack und Gymnastikball. Im liebevoll eingerichteten Zimmer hielten wir uns - außer beim Wickeln - das erste Jahr eigentlich überhaupt nicht auf.

Mein wichtigster Tipp daher vorab: Warte gelassen ab - man kann jede Menge Geld sparen, wenn man nach Bedarf kauft.
Es gibt nur sehr, sehr wenige Dinge, die ein Kind wirklich benötigt, alles andere kann man immer noch kaufen, wenn es gebraucht wird. Heute kann man sich wirklich alles von heute auf morgen liefern lassen, wenn man etwas plötzlich dann doch und unvorhergesehen benötigt. Mit Baby zu Hause würde ich definitiv Amazon-Prime-Kunde werden, da alles kurzfristig geliefert wird. Außerdem kann man den Papa ja auch immer noch mal los schicken, um etwas zu besorgen.
 
Wenn Euch jemand vor der Geburt fragt, was ihr gerne geschenkt bekommen möchtet, dann sollte die Antwort immer lauten: einen Gutschein! Sei es für Amazon, Rossmann oder Babymarkt.de - ihr werdet den garantiert gebrauchen können. Man kann das auch ruhig etwas offensiver kommunizieren - sonst bekommt ihr am Ende fünf Schmusetücher oder drei Schnullerketten und vier Spieluhren. 

Ein Baby braucht kein komplett eingerichtetes Kinderzimmer - wahrscheinlich wird es außer zum Wickeln und ggf. zum Schlafen dort in den ersten Jahren ohnehin sehr wenig Zeit verbringen. Daher ist es im Grunde nicht wichtig, das Zimmer komplett einzurichten. Viel schöner ist es ohnehin, wenn das Kind schon alt genug ist, seine eigenen Wünsche und Vorstellungen zu äußern.

Was aber braucht man auf jeden Fall?
 
 

Erstausstattung Kleidung

 
Jedes Baby braucht Kleidung - daher kann man durchaus beherzt zugreifen. Man wird auch einiges geschenkt bekommen - die Leute lieben es einfach, Babybekleidung zu kaufen, weil sie soooo süß ist! Bei Gelegenheit solltet ihr unterbringen, dass Kleidung ab Größe 86 vieeeeeel sinnvoller ist, als der zwölfte Minibabystrampler - schließlich kann das Kind die Kleidung viel länger als nur einen Monat tragen. Lange Shirts und bequeme Hosen kann man zu jeder Jahreszeit gut gebrauchen.
 
Es lohnt sich, während der Schwangerschaft die Augen offen zu halten. Jetzt hat man schließlich noch Zeit und Muße, ausgiebig shoppen zu gehen. Da lässt sich der eine oder andere Euro sparen. Aber muss es immer neue Kleidung sein?
 

Neu oder gebraucht?

 
Es gibt mehrere Gründe, warum gebrauchte Kleidung wesentlich sinnvoller ist, als neue. Zunächst einmal kann man sie sehr, sehr günstig kaufen. Da Babys in den ersten Monaten rasant wachsen, schaffen sie es nicht mal ansatzweise, etwas wirklich abzutragen. Da die meisten gerne neue Sachen für ihr Baby kaufen, gibt es einen gigantischen Gebrauchtsachenmarkt mit sehr niedrigen Preisen in meist ausgezeichneter Qualität.
 
Es lohnt sich wirklich, auf Babyflohmärkte zu gehen - Ihr werdet staunen, was für schöne Sachen es dort für wirklich kleines Geld gibt. Eine Kleidungs-Erstausstattung für die ersten Monate kann man dort für unter 50 EUR erwerben. Im Internet kann man sich bei Ebay oder Mamikreisel.de umschauen. Dort kann man recht günstige Pakete kaufen, auch wenn immer ein gewisses Restrisiko besteht, da man die Sachen vorher nicht sieht.
 
Der größte Vorteil an gebrauchten Sachen ist, dass etwaige Schadstoffe (und davon sind ja leider fast alle Hersteller betroffen) schon durch mehrere Wäschen ausgewaschen sind. So hat man relativ unbelastete Kleidung - gerade für die ganz Kleinen ist das ja nicht ganz unerheblich. Hinzu kommt auch der soziale Aspekt - auch Kinderkleidung wird vielfach in Fernost unter unwürdigen Bedingungen produziert. Gebrauchte Kleidung zu erwerben ist nachhaltiger und man bekommt fair produzierte Sachen für wenig Geld.

Welche Kleidungsstücke braucht man und wie viele davon?

 
Um diese Frage zu beantworten, kommt es auf ein paar verschiedene Umstände an, daher möchte ich etwas ausführlicher auf das Thema eingehen. 


Babys können ihre Körperwärme zunächst nur schlecht halten, daher ist es wichtig, dass sie warm angezogen sind. Natürlich nicht zu warm, sonst droht eine Überhitzung. Als Unterwäsche werden Bodys genutzt, diese gibt es in den Varianten mit langen Ärmeln, mit kurzen Ärmeln und ohne Ärmel. Ich finde für Neugeborene Langarmbodys am besten - im Winter sind sie schön warm, im Sommer schützen sie ideal vor Sonne, wenn sie als einzige Oberbekleidung getragen werden.

Für Neugeborene sind meiner Meinung nach Wickelbodys ideal. Diese müssen nicht über den Kopf gezogen werden - was viele Kinder auch überhaupt nicht mögen. Es gibt sehr schöne von H&M - aber auch diese sind empfehlenswert. Allerdings ist es schon ein ziemliches Gefummel, bis man alle Knöpfe zu hat, so dass man vermutlich recht bald auf normale Bodys umsteigen wird.
 
Die Oberbekleidung ist vom Geschmack abhängig - manche bevorzugen Strampler, andere Hose und Shirt. Bei Hosen ist ein elastischer Bund sehr wichtig, damit nichts drückt. Sehr praktisch ist es, wenn die Hosen Füße haben - bei H&M gibt es sehr süße und sehr bequeme Modelle. Gerade am Anfang, wo man als Erstmutter noch etwas Berührungsängste hat, eignen sich auch Shirts zum Wickeln sehr gut.
 
Hier eine kurze Übersicht wann die Kleidergrößen durchschnittlich passen - da wird recht schnell klar, dass es sich nicht lohnt, zu viele Teile vorrätig zu haben:

 
Gr. 50 0-1 Monate
Gr. 56 1-2 Monate
Gr. 62 2-4 Monate
Gr. 68 4-6 Monate
Gr. 74 6-9 Monate
Gr. 80 9-12 Monate

 
Im ersten Lebensjahr wächst das Baby also durch sechs oder mehr (!) Kleidergrößen. Und es ist in der Regel nicht so, dass sie eine Größe dabei auslassen. Zwischen den Größen liegen immer 6 cm - da ist eine Hose oder ein Ärmel schnell zu kurz. 
 
Leider kann man auch nicht vorhersagen, ob das Kind ein Spuckbaby wird - denn dann ist der Kleidungsbedarf stark erhöht (oder aber die Waschfrequenz). Wenn Dein Baby die Milch jedoch meist im Magen lässt, dann braucht man im Grunde nicht viel Kleidung, da sich das Kind kaum schmutzig machen kann, da es ja doch ausschließlich im sauberen Bett, im Tragetuch oder auf Mamas oder Papas Arm liegt. Daher kann es im Grunde sogar zwei bis drei Tage lang die selbe Kleidung tragen.

Was also braucht man ungefähr an Kleidung im Schrank, wenn man sich eher minimalistisch ausstatten will und etwa einmal die Woche die Babykleidung wäscht?
 
  • 4 - 6 Wickelbodys in den Größen 56 und 62
  • 4 - 7 Strampler oder 5 Hosen/Strumpfhosen und etwa 4 - 7 Oberteile
  • 3 Schlafanzüge (am besten einteilig mit Knöpfen im Schritt)
  • 3 - 5 Paar Erstlingssocken
  • je nach Jahreszeit:
  • eine Jacken/ein Overall (je nach Jahreszeit)
  • eine warme Mütze für Draußen
  • ggf. eine dünne Mütze für Drinnen
  • ggf. Handschuhe
Kleiner Tipp für Socken, die nicht an den Füßen bleiben sollen: Sock-Ons Sockenhalter. Je nach Temperaturfühligkeit des Babys entfallen Socken, wenn man Strampler bevorzugt - die meisten mögen aber durchaus auch darunter ein Paar.

Zwei Jacken sind in der Regel völlig ausreichend. Sie werden selten schmutzig, so dass eine Wechseljacke reicht. Sie passen ohnehin nur wenige Monate, so dass man selten in Jahreszeitenübergänge kommt. Da würde ich auch nicht auf Vorrat kaufen, da Babys sehr unterschiedlich wachsen. Manche tragen mit einem Jahr noch Größe 74, andere sind da schon bei Größe 92. Jacken sollte man wirklich immer erst dann kaufen, wenn ein Wechsel der Größe ansteht (oder das Wetter extrem umschlägt).

Transport des Kindes


Kinder kann man tragen oder im Kinderwagen durch die Gegend schieben. Grundsätzlich ist ein Leben ohne Kinderwagen möglich, aber die meisten Eltern entscheiden sich für ein solches Gefährt. Beim Kauf spielen persönlicher Geschmack, der Geldbeutel und die Ansprüche eine Rolle - wichtig ist, dass die Liegefläche nicht zu klein ist. Bewährt haben sich Kombikinderwagen - ich persönlich habe einen Hartan Racer S gehabt und kann den nur wärmstens empfehlen - eine wirklich tolle Qualität Made in Germany. 

Der Kinderwagen ist allerdings der kostenintensivste Faktor bei der Erstausstattung - wenn man muss oder möchte, lässt sich durch einen gebrauchten Wagen einiges sparen. Auch Kinderwagen sind mit Schadstoffen belastet, so dass ein gebrauchter für das Kind gesünder ist.

Für den Kinderwagen benötigt man - vor allem im Winter - meist noch zusätzlich einen Kinderwagensack oder ein spezielles Kinderwagenkissen. Es kann sinnvoll sein, in die Liegewanne ein entsprechend zugeschnittenes Stück Isomatte zu legen - so kühlt das Kind nicht so schnell aus.
 
Für absolut unverzichtbar halte ich eine geeignete Tragehilfe bzw. ein Tragetuch. Babys haben in den ersten Wochen und Monaten das Bedürfnis, ständig nah bei Mama und Papa zu sein, so dass man sich das Leben sehr viel leichter macht, wenn man dieses Bedürfnis so oft wie möglich erfüllt. Sinnvoll ist es in jedem Falle, vor der Geburt eine Trageberatung zu machen, um verschiedene Tragen und Bindeweisen für Tragetücher kennenzulernen, so dass man sich auf diesem Gebiet nach der Geburt halbwegs sicher fühlt.

Für das Tragen braucht man eine geeignete Jacke - ideal ist, wenn man die Umstandsjacke weiter tragen kann. Wenn man in der Schwangerschaft seine Umstandsjacke kauft, sind üblicherweise die Modelle aus der vorherigen Jahreszeit im Sale - man kann im Winter also günstig Sommerjacken kaufen und umgekehrt. Alternativ kann man eine spezielle Tragejacke, eine Jackenerweiterung (Kumja) oder ein Tragecover nutzen. Babys Beinchen bleiben mit speziellen Tragestiefeln (z. B. von Saling) schön warm.

Wenn man ein Auto hat, ist eine Babyschale notwendig. Ich habe mich übrigens ewig geärgert, dass ich keine mit Isofix-Station genommen habe - das ist so viel praktischer und sicher! Diese Gurtfummelei macht einen wirklich wahnsinnig. Wir hatten sowohl einen Maxi Cosi Cabriofix also auch einen Römer Babysafe Plus II - beide Marken schneiden bei Tests regelmäßig sehr gut ab. Für die Schale empfiehlt sich eine Einschlagdecke - die kann man recht teuer kaufen (z. B. von Hoppediz oder Kaiser) oder einfach selber basteln - eine günstige Fleecedecke und ein paar Schlitze an den richtigen Stellen tut es auch.
 
 

Erstausstattung fürs Stillen

 
Wer sein Baby stillen will, braucht dazu nicht wirklich viel. In den ersten Wochen sind auf jeden Fall Stilleinlagen empfehlenswert. Anfangs produziert die Brust nach dem Überflussprinzip, so dass es bei den meisten Frauen kräftig fließt und tröpfelt. Man kann zu Einmal-Einlagen greifen (empfehlenswert sind die von Lanisoh oder NUK) oder waschbare kaufen - diese haben üblicherweise eine Seite aus Wolle und eine Seite aus Seide (hier kann ich die von ImseVimse empfehlen).
 
Wenn man weiß, dass man gelegentlich Milch abpumpen will, der kann schon eine Milchpumpe kaufen. Hier gilt: elektrische sind grundsätzlich effektiver, aber auch deutlich teurer. Ganz ohne Bedenken kann man zu den Modellen von Medela (elektrisch oder manuell) oder Avent (elektrisch oder manuell) greifen.
 
Die abgepumpte Milch kann entweder mit Fläschchen gefüttert werden (ich habe mir dafür das Starterset von Avent gekauft) oder wegen der Gefahr einer Saugverwirrung mit einem speziellen Fütterbecher.
Für die allermeisten Mütter ist ein Stillkissen unverzichtbar. Schon in der Schwangerschaft kann es als Seitenschläferkissen genutzt werden. Am wichtigsten ist die Füllung - preiswerte Kissen sind leider häufig mit minderwertigen Materialien gefüllt, auf denen das Baby hin und her rutscht und die recht bald zum Ausleiern führen. Ich empfehle daher, an dieser Stelle nicht unbedingt zu sparen, sondern ein hochwertiges Modell zu kaufen. Am häufigsten empfohlen werden Stillkissen von Theraline, Boppy und Flexofill.

Beim Stillen auch wichtig: Ein guter Still-BH. Die einfachen und günstigen von Rossmann und DM sind dabei vollkommen ausreichend. Wer es etwas schicker mag, der wird sicher bei Anita fündig. Benötigt werden etwa 3 bis 5 BHs. Leider weiß man nicht genau, wie groß die Brüste sein werden - außerdem müssen ggf. noch Einlagen rein. Es kann gut sein, dass die Brüste so groß sein werden, wie zum Ende der Schwangerschaft, es kann sein, dass die Brüste noch zwei Nummern größer sein werden. Wenn der Milcheinschuss kommt, erreichen sie definitiv die Maximalgröße - das gibt sich nach kurzer Zeit auch wieder. Daher empfehle ich, kurz vor Ende der Schwangerschaft erst mal zwei günstige BHs zu kaufen - einen in der aktuellen Größe und einen eine Größe größer.
 
Für wunde Brustwarzen sind die Multi-Mam-Kompressen und eine Lanolin-Brustwarzensalbe unentbehrlich - aber auch hier gilt: Muss einem ja nicht unbedingt passieren und kann immer noch kurzfristig beschafft werden (erhältlich in jeder Apotheke/Drogerie).
 

Erstausstattung für die Flaschenfütterung


Wenn man nicht stillen kann oder will, braucht man Flaschen. Die Auswahl ist riesig - letztendlich gibt es keine gravierenden Unterschiede bei den namhaften Herstellern. Es gibt verschiedene Saugerformen - die meisten Babys kommen mit allen Formen gut zurecht. Da es jedoch sein kann, dass das Baby mit der gewählten Form nicht zurecht kommen, sollte man anfangs eher nur wenige Flaschen und Sauger haben - mit etwa drei bis vier Stück kommt man recht gut hin. Wichtig ist eine Flaschenbürste (idealerweise gleich im Set mit einer Saugerbürste), nice to have ein Flaschenständer auf dem die gewaschenen Flaschen gut trocknen können.
 
Bezüglich des Materials unterscheidet man Latex und Silikon. Silikon ist durchsichtig und glatter. Es ist jedoch auch empfindlicher und kann von kleinen Zähnchen (zumindest theoretisch) durchgebissen werden. Das ist bei Latex nicht möglich. Dieses wird jedoch mit der Zeit unansehnlicher und beginnt leicht klebrig zu werden - daher bevorzuge ich persönlich Silikon.

Bei der Form unterscheidet man symmetrische und asymmetrische Sauger. Auch hier sind Babys sehr selten wählerisch. Wichtig ist die Saugergröße - es gibt Tee-Sauger (sehr kleines Loch, damit der Tee oder das Wasser nicht so schnell fließen), Milch-Sauger und Breisauger. Letztere sind vollkommen unnötig - Brei gehört immer auf den Löffel, niemals in eine Flasche. Die Flaschen und Sauger sollten BPA-frei sein.

 
Ein absolutes Must-have für die Flaschenfütterung ist der Cool Twister von NIP. Dieser kühlt kochendes Wasser in wenigen Sekunden auf Trinktemperatur ab. Es gibt nichts nervigeres, als mit einem vor Hunger kreischenden Baby auf dem Arm hektisch eine Flasche unter kaltes Wasser zu halten.

Einen Flaschenwärmer braucht man nicht - man sollte ihn nicht mal verwenden. Milchpulver ist zwar keimarm, aber nicht steril - es enthält fast immer einige Keime in geringen Mengen. Wird die Milch zu lange warm gehalten, kann es dann zu einer Vermehrung von Keimen.

Das Sterilisieren von Silikonsaugern und -nuckeln ist nicht erforderlichEine gründliche Reinigung genügt vollkommen. Verwendet man ausschließlich Silikon, ist ein Sterilisiergerät nicht notwendig. Etwas anderes gilt für Produkte aus Latex - da diese im Laufe der Zeit eine poröse Oberfläche bekommen, sollten sie gelegentlich sterilisiert und grundsätzlich schneller ausgetauscht werden. Wenn man sich ein Sterilisiergerät zulegen möchte, dann ist für den schmalen Geldbeutel ein Mikrowellen-Dampf-Sterilisator (ca. 9 EUR z. B. von reer) geeignet. Wer lieber Luxus haben möchte, greift zu dem Gerät von Avent (ca. 65 EUR). Ein wirtschaftlich sinnvoller Mittelweg ist der Sterilisator von H+H (ca. 25 EUR). 
 
Für die Flaschenfütterung braucht man ausreichend Milchpulver - bei der Entscheidung, welche Milchnahrung man füttern will, hilft dieser Artikel weiter. 

 

Erstausstattung Babypflege


Schnuller/Nuckel

 

Schnuller sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sind sie ein großartiger Brustersatz für Babys, die ein hohes Saugbedürfnis haben. Manche Babys wollen ununterbrochen saugen und das halten die wenigsten Brustwarzen aus. Da überstrapazierte Brustwarzen das Stillen gefährden können, sollte darauf geachtet werden, dass ihnen nicht zu viel zugemutet wird. 

Schnuller können bei Stillkindern jedoch zu einer Saugverwirrung führen, die das Stillen schwierig macht. Daher sollte man abwägen, ob man wirklich einen Schnuller gibt. Idealerweise wartet man etwa 6 Wochen, bis sich das Stillen richtig eingespielt hat. Oft ist das Kind jedoch so unruhig, dass man deutlich schneller zum Schnuller greift. Es gibt aber auch Babys, die Schnuller hassen - mein Sohn hat erst mit 1,5 Jahren einen akzeptiert (und gibt ihn nun nicht mehr her).
 

kirschförmiger Sauger
Auch bei Schnullern sind Modelle in Silikon oder Latex und mit symmetrischen oder asymmetrischen Saugern erhältlich. Stillbabys haben gelegentlich die Eigenart, dass sie ausschließlich Schnuller in Kirschform (wie z. B. von Nip) akzeptieren. Ich persönlich finde die nachtleuchtenden Schnuller von MAM ganz toll - die muss man im Bett nicht suchen und wenn man viel Glück hat, sucht sich das Baby ihn sogar irgendwann selber. Selbstleuchtende Schnuller hat aber mittlerweile fast jeder Hersteller im Angebot.

Allroundtalent Mullwindeln


Mullwindeln kann man definitiv gebrauchen - nichts in vielseitiger einsetzbar. Ob als Pucktuch, als leichte Decke, als Spucktuch, als Schnuffeltuch, als Spielzeugtransportmittel - es gibt unzählige Nutzungsvarianten. Zum Glück muss man heutzutage nicht mehr einheitlich schon grau gewaschene Tücher verwenden - es gibt tolle farbenfrohe und schön gemusterte Varianten.
 
Ein Grundstock an etwa zehn Windeln sollte ausreichen.
 

Pflegeprodukte

 
Für die Babypflege kann man halbe Drogeriemärkte leer kaufen - muss man aber nicht. Was man wirklich braucht, habe ich hier zusammen gefasst:
  • zwei weiche (!) Handtücher - wenn man mag, gerne ein Badehandtuch mit Kapuze
  • ein Schwamm für die Reinigung (spezielle Kinderschwämme sind sehr angenehm)
  • Feuchttücher (alternativ Waschlappen)
  • Wundcreme für roten Po
  • Nagelschere speziell für Babys
  • weiche Haarbürste (ggf. durch mangelnde Haarpracht entbehrlich.

Was wirklich, wirklich empfehlenswert ist (man aber nicht unbedingt braucht), ist ein Nasensauger wie AngelVac oder NoseFrida habe ich zu spät entdeckt - sie wären schon in den ersten Monaten unverzichtbar gewesen. Man glaubt nicht, wie viel Schnodder in einem so kleinen Wesen stecken kann! Nasensauger werden an einen Staubsauger angeschlossen oder mit dem Mund betrieben und befreien die Schnupfnase vom lästigen Schleim. Von mir eine unbedingte Kaufempfehlung!

Irgendwann ist es so weit - Babys erstes Fieber ist da. Zwar liest man immer wieder, dass nur das gute alte analoge Fieberthermometer exakt misst, aber das ist längst überholt. Mittlerweile messen Ohrthermometer so genau, dass sie da (bei richtiger Anwendung) ohne weiteres mithalten können. Für Kinder ist es natürlich auch deutlich angenehmer, als die rektale Messung. Anfangs empfiehlt sich eine Parallelmessung, um zu schauen, ob das Thermometer exakt misst (ist etwas von der Ohrenanatomie abhängig). Sehr gut getestet wurde übrigens das Braun Thermoscan, das auch bei uns Einzug hielt und seitdem unverzichtbar ist, weil man Kinder zum Fiebermessen nicht mehr wecken oder ausziehen muss.

Apropos krank - wenn man auf alle Eventualitäten vorbereitet sein will, sollte man seine Hausapotheke aufrüsten - welche Ausstattung für Kinder sinnvoll ist, darüber habe ich hier ausführlich geschrieben.

Was man nicht unbedingt braucht:

Verzichten kann man auf das bunte Allerlei an Pflegeprodukten, das man so kaufen kann. Stillende Mütter haben das beste Pflegeprodukt immer bei sich - Muttermilch ist der perfekte Badezusatz und die ideale Hautpflege. Die meisten Babys benötigen keine Pflegeprodukte, so dass es vollkommen ausreichend ist, eine Wundcreme, ggf. eine Sonnencreme und eine Wind-und-Wetter-Creme (im Winter) vorrätig zu haben.
 
Überflüssig sind außerdem spezielle Babywannen oder Badethermometer - die Temperatur kann man gut mit dem Handgelenk abschätzen - wenn man nichts spürt, hat das Wasser quasi Hauttemperatur und ist damit ideal. Auch Sitzhilfen für die Badewanne sind nicht erforderlich, am schönsten für die Kinder ist es ohnehin, wenn Mama oder Papa mit baden. Ganz am Anfang reicht auch das Waschbecken.
 

Erstausstattung Wickeln

 
Eine Wickelkommode ist bequem, aber es geht im Notfall auch ohne. Entscheidet man sich dafür, benötigt man eine Wickelunterlage. Auf die Plastik-Auflage gehören entweder Handtücher, Einmalunterlagen (kann man auch in vier Teile schneiden - so reichen sie länger) oder Molton-/Flanelltücher.

Wer sich für Stoffwindeln interessiert, dem sei dieser Artikel bei uns im Blog empfohlen. Wer lieber mit Wegwerfwindeln wickeln möchte, sollte vor allem am Anfang zu Pampers New Born Windeln greifen - vor allem, wenn man stillt. Keine Windel hält Muttermilchstuhl besser. Später kann man den Wechsel zu günstigeren Varianten erwägen - ich habe ganz ausgezeichnete Erfahrungen mit den Aldi Nord-Windeln gesammelt (und bin relativ sicher, dass die auch von Pampers produziert werden).
 
Kauft nicht zu viele Windeln in der Gr. 1 - die meisten Babys wachsen blitzschnell aus dieser Größe raus - mein 4-kg-Sohn passte von Anfang an in die 2-er-Windeln. Und auch diese passen deutlich weniger lange, als man es vermutet. Wenn ihr Euch bevorraten wollt (weil es bspw. günstige Angebote gibt), dann lieber mit Windeln in der Größe 3 - davon braucht ihr ein paar Monate welche.
 
In Bezug auf Windeleimer scheiden sich die Geister. Beim ersten Kind hatte ich noch einen Angelcare-Windeleimer und fand den auch richtig gut. Der Eimer als solches ist sehr günstig - teuer sind die Nachfüllkassetten. Man kann (theoretisch) auch normale Müllbeutel nehmen, aber die sind deutlich weniger geruchshemmend. Dann tut es auch ein Eimer mit Deckel.

Beim zweiten Kind bin ich dazu übergegangen, die Windeln sofort zu entsorgen - bei uns steht ein Eimer auf der Terrasse, in dem die Windeln dann zwischengelagert werden und einmal am Tag in die Mülltonne entsorgt werden. Für Hausbesitzer halte ich einen speziellen Windeleimer für entbehrlich - in einer Wohnung würde ich einen nutzen. Gute Erfahrungen gibt es auch mit dem Diaper Champ und dem Windeltwister.

Die Frage, ob man einen Heizstrahler braucht oder nicht, ist ebenso heiß diskutiert. Ich persönlich finde, dass man unbedingt einen haben sollte. Gerade am Anfang kühlen die Neugeborenen sehr schnell aus und so richtig hat man noch keine Übung, so dass das Wickeln und Umziehen schon mal dauern kann. Die meisten Kinder lieben es außerdem, eine Weile lang nackt herumzustrampeln - allein dafür lohnt sich so ein Heizstrahler definitiv. Wir haben unseren bis weit ins zweite Lebensjahr und teilweise auch im Sommer genutzt. Ich möchte Euch ans Herz legen, dass ihr Euch für ein Modell entscheidet, das sich automatisch abschaltet (z. B. von Reer).

Eine Wickeltasche ist sinnvoll - aber auch nicht zwingend erforderlich. Entscheidet man sich dafür, hat man die Qual der Wahl - für jeden Geldbeutel und Geschmack ist etwas dabei. Von witzig und günstig (Bomio) bis elegant und teuer (Lässig). In der Wickeltasche hatte ich immer eine Tasche von Generic - das sind ganz dünne Wetbags, in die man prima feuchte Wäsche oder benutzte Stoffwindeln packen kann - sie sind nämlich wasserdicht. Für gerade mal um die 5 bis 7 Euro hat man ein unverzichtbares Utensil, das in vielen witzigen Designs erhältlich ist. 



 

Erstausstattung Schlafen


Schlafsack und Pucksack



 
Zum Schutz vor dem Ersticken durch überdecken und zur Prävention in Bezug auf den plötzlichen Kindstod soll unbedingt ein Schlafsack verwendet werden (auch wenn es Kinder gibt, die sich standhaft weigern, in einem zu schlafen).

Wie warm der Schlafsack hält, ist mit der Einheit "Tog" angegeben. Ein Schlafsack mit 0,5 Tog besteht aus zweilagigem Stoff und wärmt kaum - er ist ideal für heiße Sommer. Schlafsäcke, die leicht wattiert und ärmellos sind, haben 1,0 Tog - sie sind für Zimmer geeignet, die etwa 18 bis 24 Grad haben. Ist es kälter, sollte man zu einem Schlafsack greifen, der 2,5 Tog hat - dieser hält in Räumen mit 15 bis 21 Grad warm. Am wärmsten sind Schlafsäcke mit 3,5 Tog, diese halten auch unter 18 Grad warm.
 
Babys können ein sehr unterschiedliches Wärmeempfinden haben - wo das eine Kind fröstelt, ist es dem anderen schon viel zu warm. Ich habe mich daher für Prima-Klima-Schlafsäcke von Odenwälder entschieden - die decken eine sehr große Temperaturspanne ab. Auch von den Mäxchen-Schlafsäcken von Alvi habe ich durchgehend nur positive Erfahrungen gelesen - allerdings gibt es da so viele Größen, dass man ständig neue kaufen müsste - daher hatte ich mich dagegen entschieden.
 
Übrigens - Pucksäcke waren für uns absolut unverzichtbar! Man braucht sie zwar nicht unbedingt von Anfang an, da man nur unruhige Kinder pucken "muss" - aber meisten Kinder schlafen sehr viel besser und beruhigen sich viel schneller, wenn sie fest eingewickelt werden. Spezielle Pucksäcke- und -tücher (wie der SwaddleMe) vereinfachen das durch eine raffinierte Kletttechnik. Für den Winter eignen sich Modelle aus Mikrofleece - wenn es dann noch zu kalt ist, kann man das gepuckte Kind noch in einen Strampelsack stecken.

Man benötigt mindestens zwei Schlafsäcke oder Pucksäcke (oder einen Trockner und etwas Geduld).

Babyphone


Ein Babyphone ist zwar nicht unbedingt erforderlich, wenn man bspw. in einer nicht ganz so großen Wohnung lebt, aber die meisten Eltern fühlen sich besser, wenn das Kind überwacht wird. Wir hatten - nach langen Recherchen - das Avent SCD 520, über das ich in den letzten Jahren nur zufriedene Erfahrungsberichte gelesen habe. Die negativen Bewertungen bei Amazon kommen dadurch zustande, dass ein Großteil der Nutzer nicht in der Lage war, die Bedienungsanleitung zu lesen. Heute würde ich mich für ein neueres Modell entscheiden - z. B. das SCD 535 oder das  SCD 560.
 
Mittlerweile sind auch Video-Babyphone in einer bezahlbaren Qualität erhältlich - braucht man nicht unbedingt, sind aber ein schönes Spielzeug. Hier gibt es gute Erfahrungen mit den Modellen von Audioline,Tomy und Nuk.
 

Liste für eine Erstausstattung zum Download


Das ist ein wirklich langer Artikel geworden - daher habe ich alles kompakt auf einer Liste zusammengefasst, die ihr demnächst hier downloaden könnt.

 
 


Wie Babys sitzen lernen und warum zu frühes Hinsetzen durch die Eltern schädlich ist

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Langsitz
Vielleicht ist euch das auch schon aufgefallen - in allen Babykursen, in denen ich mit meinen drei Kindern so war, gab es immer mindestens eine Mutter, die ihr Kind zu früh in die sitzende Position gebracht hat. Ich weiß nicht woran das liegt - ist es Ungeduld, unbewusster Ehrgeiz oder einfach Unbedarftheit? Ich kann es nicht einmal daran festmachen, ob es das erste, zweite oder dritte Kind der Mutter ist - in meinen Kursen taten es sowohl die Erstlings- als auch die Mehrfachmütter. Es gibt wirklich wenige Dinge, über die ich bei fremden Eltern nicht nonchalant hinwegsehen kann, wenn es sich nicht gerade um physische oder psychische Gewalt handelt. Beim frühen Hinsetzen jedoch fällt es mir wirklich, wirklich schwer, nicht einzugreifen. Warum ich mir wünsche, dass Eltern ihren Kindern Zeit geben, bis sie das Sitzen von selbst gelernt haben, möchte ich euch mit diesem Artikel darlegen.
 
 

Wie definiert man Sitzen?

 
"Das Kind sitzt, wenn es seinen Rumpf über den Sitzbeinhöckern ausbalanciert. Beim ebenerdigen Sitzen vergrößern die gebeugten oder gestreckten Beine die Unterstützungsfläche. Beim Sitzen auf erhöhter Sitzgelegenheit hilft der Kontakt der Fußsohlen mit dem Boden dem Kind, aufrecht und im Gleichgewicht zu bleiben. Beim Kind, das gut sitzen kann, ist im allgemeinen das Becken über den Sitzbeinhöckern aufgerichtet. Auch der Kopf ruht senkrecht auf der durchgehend gestreckten Wirbelsäule, sofern er nicht der Blickrichtung des Kindes folgt. Es hat einen geraden Rücken, unabhängig davon, ob es ebenerdig oder auf einer erhöhten Sitzgelegenheit sitzt. Selbst wenn diese eine Lehne hat, lehnt es sich nicht an. Auch ein Kind, das sitzen kann, stützt sich gelegentlich mit einer Hand oder mit beiden Händen ab oder hält sich fest." [vgl. Pikler, E., 2001:224]


Wann spricht man von freiem Sitzen?


"Das Kind kann frei sitzen, wenn es sich selbständig aufsetzt oder hinsetzt und selbständig ohne Hilfe oder Stütze sitzt und sich weder mit dem Rücken noch mit den Händen abstützen muss. Es kann sitzen, wenn es diese Position selbständig ändern und verlassen kann und beim Sitzen den Kopf, den Rumpf und die oberen Gliedmaßen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren, frei bewegen kann. [...] Das Kind kann nicht sitzen, solange es nur mit Hilfe Erwachsener oder mit Hilfe einer anderen Unterstützung wie z. B. Babystühlchen, Kissen oder dergleichen sitzend verharren kann und ohne diese Hilfe umkippen würde. Die genaue Bezeichnung dafür wäre: "Es bleibt gestützt in der Sitzposition". Das Kind kann auch dann nicht sitzen, wenn es zwar ohne Hilfe und Stütze in der Sitzposition verharrt, aber sich nicht selbst aufsetzen oder niederlegen kann. Die genaue Bezeichnung dafür wäre: "Es verharrt in der Sitzposition". [vgl. Pikler, E., 2001: 225]
 

Welche Arten des Sitzen-Lernens gibt es?

 

Hürdensitz
Hat ein Baby die Entwicklungsschritte bis zum Vierfüßerstand durchlaufen, können die Eltern oft beobachten, dass es anfängt, in dieser Position vor und zurück zu wippen. Das tut es, um die Muskeln weiter zu stärken und den nächsten Schritt (das Krabbeln) vorzubereiten. Beim Nach-Hinten-Wippen passiert es unwillkürlich, dass der Po leicht mal zur einen, mal zur anderen Seite kippt. Zunächst geschieht das aus Versehen, aber bald findet das Baby Gefallen an der neuen Bewegung und übt sie ganz bewusst.

Dabei wird es immer mutiger und schiebt den Po immer weiter nach hinten und zur Seite. Irgendwann berührt es bei diesem Prozess den Boden mit dem Po - dabei hat es aber meist noch beide Hände am Boden. Der nächste Schritt ist, eine Hand vom Boden zu heben. Das ist eigentlich immer die diagonale Hand, d. h. sitzt das Baby auf der rechten Pobacke, stützt es sich gleichzeitig mit dem rechten Arm ab - der abgestützte Seitsitz ist geschafft. Von dort ist es nur noch ein winziger Schritt bis zum "echten" freien Sitzen: Der stützende Arm drückt den Körper mit etwas Schwung in eine aufrechtere Position und das Baby sitzt im Langsitz! Normalerweise sind dabei beide Beine nach vorne gestreckt, es gibt aber auch Babys, die es bevorzugen, nur ein Bein nach vorn zu strecken und das andere geknickt hinten zu lassen (Hürdensitz).

Eine zweite Technik des Sitzenlernens ergibt sich aus dem Krabbeln. Manche Kinder sind so damit beschäftigt, zu lernen, wie sie vorwärtskommen, dass sie zunächst das Sitzen scheinbar auslassen. Diese kommen auch in den Vierfüßerstand und auch sie wippen vor- und zurück, doch statt den Seitstütztsitz zu üben, krabbeln sie erst einmal los. Einige von ihnen kommen dann aus dem Krabbeln in den Seitstützsitz, es gibt jedoch auch Kinder, die sich mit den Händen gerade nach hinten schieben (Knie-Händstütz), in den Kniestand kommen und den Po dann zwischen den Fersen absetzen (Zwischenfersensitz).

Physiotherapeuten schlagen, wenn sie das sehen, meist die Hände über dem Kopf zusammen, weil sie meinen, das sei schlecht für die Gelenke und Sehnen. Ich habe jetzt aber schon so viele Kinder so sitzen gesehen, dass ich denke, wir sollten nicht alles pathologisieren: Wenn die Kinder selbst diese Art des Sitzes für sich entdeckt haben, sollten wir sollten wir sie lassen und ihnen nicht suggerieren, sie hätten etwas falsch gemacht. Einige Kinder setzen ihren Po auf ihre Fersen - dieser Fersensitz ist eine leichte Variation des Zwischenfersensitzes und nicht ganz so anstrengend für die Gelenke.  

Zwischenfersensitz

Die dritte Art des Sitzenlernens entsteht aus dem Stand bzw. dem Kniestand. Es gibt Babys, die sofort in die vertikale Position streben und sich, sobald es geht, an Gegenständen nach oben in den Stand ziehen. So lange das alles selbst vom Baby ausgeht und die Eltern nicht unterstützen ist das auch kein Problem. Jedes Kind weiß selbst am besten, was sein eigener Körper leisten kann. Diese Kinder plumpsen dann meist aus dem Stand auf den Po - und bleiben sitzen. Andere rutschen langsam aus dem Stand in den Spagat (!), während sich die Hände noch am Gegenstand festhalten. So kommen sie sehr sicher, wenn auch ein wenig umständlich und akrobatisch, letzten Endes auch im Langsitz an. Beide, die Plumpser und die Spagatler, werden, wenn sie sicherer im Stand sind, erst ein Knie einknicken (wie bei einem Heiratsantrag) und dann langsam den Po aufsetzen. Dabei haben sie dann im Sitz meist ein Bein vorn und ein Bein hinten, beide meist eingeknickt (Variation des Hürdensitzes). Kinder, die sich an einem Gegenstand nur in den Kniestand und nicht ganz hoch in den Stand ziehen, setzen sich dann meist auf die Fersen bzw. zwischen die Fersen.

Aus dem Stand werden die Beine geknickt

bis ein Knie den Boden berührt.

Das zweite Knie wird nach außen geklappt

und das Kind sitzt.


Ganz sicher gibt es noch weitere, individuelle Techniken, die Kinder beim Sitzen-Lernen nutzen. Ich habe hier nur die Gängigsten aufgeführt.
 

Wie lange dauert das Sitzen-Lernen?


Diese Frage lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten, da jedes Kind sein eigenes Tempo hat. Es ist jedoch so, dass der Prozess normalerweise so lange dauert, dass wir Erwachsenen schon unruhig werden und gerne helfend eingreifen wollen. Bei meinem Drittgeborenen konnte ich das wunderbar beobachten. Als wir das erste Mal zu unserem Baby-Turn-Kurs gingen, schaffte er es plötzlich, sich auf dem Bauch liegend so aufzustützen, dass er kurz den Po hob und auf die Knie kam. Ich dachte: "Hurra! Bald kann er sitzen!", doch es dauerte noch geschlagene acht Wochen, bis er das dann tatsächlich richtig konnte. Acht Wochen, in denen er jeden Tag den Po ein wenig weiter zur Seite neigte, in denen er wippte, sich jedes mal ein bisschen weiter mit den Armen nach oben schob und schließlich und endlich beide Hände zum Spielen frei hatte. Damit zählt er sicherlich sogar zu den schnelleren Lernern. Meine erste Tochter, Fräulein Chaos, hob ihren Po etwa im selben Alter, wie ihr kleinerer Bruder, doch sie nutzte diesen Umstand nicht zum Sitzen-Üben, sondern zum Krabbeln. Das Sitzen übte sie dann erst 16 Wochen später, nachdem sie gelernt hatte, frei zu stehen.
 

Warum sollten Eltern das Baby nicht hinsetzen?


Neuronale Verknüpfungen im Gehirn und Motorik


Ob ein Kind ein motorischer Überflieger wird oder eher unsicher, hängt nicht von den Genen ab, sondern davon, wie bestimmte Nervenbahnen im Laufe der Hirnentwicklung miteinander verknüpft werden. Wir alle kommen mit Gehirnen auf die Welt, in denen es eine wahnsinnige Überzahl an Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen gibt - doch nur die, die regelmäßig durch Bewegungen des Körpers aktiviert werden, stabilisieren und festigen sich. Werden bestimmte Bewegungen nicht oder nur selten ausgeführt, destabilisieren sich die anfänglich bereitgestellten Verknüpfungen: Sie werden eingeschmolzen und das Baby lernt diese Bewegung nicht oder nur unzureichend. (Es ist allerdings möglich, diese Verknüpfung durch Physiotherapie nachträglich zu festigen.)
 
Lässt man das Baby, wie schon Emmi Pikler das forderte, in Ruhe seine eigenen motorischen Entdeckungen machen, dann durchläuft es eine ganze Reihe an minimalen Schritten, die für Außenstehende oft gar nicht wirklich zu erkennen sind. Sie bauen jedoch immer aufeinander auf, sprechen immer genau die richtigen Muskelgruppen an und trainieren diese so, dass sie den Grundstein für die nächsten motorischen Stufe bilden. Dabei entsteht ein Wechselspiel zwischen soeben gelernten, neuen und noch unsicheren Bewegungsmustern, der Rückbesinnung auf alte Positionen und Bewegungen, die dem Kind Sicherheit vermitteln und dem Herantasten an neue, ungeübte und mit Risiko behaftete Bewegungsmuster.

Die Babys experimentieren also mit ihrem Körper - dabei ist es jedoch tatsächlich abhängig vom Charakter des Kindes, von den kommunikativen Anregungen der Umwelt und von seiner Neugier, wie schnell oder langsam dieser Prozess vonstatten geht. Bei allen Kindern gleich ist allerdings, dass alle motorischen Bestrebungen "nach oben" gehen.



Liegt das Baby zunächst noch flach auf dem Rücken oder Bauch, wird schon bald das Köpfchen ein wenig angehoben - das Streben in die Vertikale hat begonnen. Es geht weiter, indem es seinen Oberkörper nach und nach immer höher abhebt, während es sich auf seinen Armen abstützt. Dabei balanciert es immer geschickter sein Gleichgewicht aus. Die Fläche des Rumpfes, auf das es sich bei seinen Bewegungen stützt, wird sukzessive kleiner. Nun kippen viele Babys erst einmal aus Versehen von der Bauchlage zurück in die Rückenlage, doch schon bald wird dieses Muster bewusst wiederholt und eingeübt, so dass ein Rollen und Wälzen möglich ist. Dabei werden auch verstärkt die Bein- Bauch- und Rückenmuskeln gestärkt. Je öfter es seine Muskeln trainiert, desto länger können die Arme den Oberkörper und die Beine den Po stützen - daraus ergibt sich das erste Kriechen auf dem Bauch, dann das Robben und später das Krabbeln. Zu der Zeit, in der das Baby sich ausdauernd auf Knie und Arme stützen kann, dreht es sich, auf einen Arm gestützt, auf die Seite. Gleichzeitig mit dem Aufsetzen übt es, sich wieder hinzulegen - beide Prozesse laufen Hand in Hand, deshalb kann es sich später, wenn nötig, mühelos selbst aus der Sitzposition befreien.
 
Wird das Baby nun in seiner individuellen motorischen Entwicklung unterbrochen, weil die Eltern es gut meinen und ihm helfen wollen, dann gerät das fein aufeinander abgestimmte Prozedere der minimalen Schritte ins Stocken. Wichtige Nervenbahnen im Gehirn werden nicht mehr aktiviert, so dass einer oder mehrere wichtige Zwischenschritte vom Körper nicht mehr erlernt werden.
 
Wird das Kind von den Eltern verfrüht hingesetzt, dann sind also nicht nur Muskeln und Gelenke überfordert. Das Gehirn des Kindes kann dann nicht mehr nachvollziehen, wie der Körper in diese Position gelangt ist - daher fällt es dem Kind auch immens schwer, sich aus der Position selbst zu befreien. Es fehlen, im wahrsten Sinne des Wortes, die neuronalen Verknüpfungen im Gehirn dafür! So kommt es dazu, dass diese Kinder häufiger als nach hinten umkippen und sich weh tun. Die Antwort der besorgten Eltern ist dann meist, den Umkreis des Babys mit Matten oder Kissen zu sichern, so dass das Kind wenigstens weich fällt.
 
Auch, wenn ich es verständlich finde, dass die Eltern ihrem Kind diese Schmerzen ersparen wollen, greifen sie so schon wieder massiv in die Entwicklung ein. Denn ein Baby das nach hinten fällt und weich aufkommt, wird nicht lernen, sich vor diesem Fall selbst zu schützen, da es die Notwendigkeit nicht erkennt. Stattdessen wird der "falsche Weg" des sich aus dem Sitz-Befreiens weiter eingeübt und die Nervenbahnen dafür im Gehirn verstärkt. Würde das Kind jedes Mal hart auf den Hinterkopf knallen, würde es von sich aus aktiv nach anderen Möglichkeiten suchen, aus dem Sitz in eine andere Position zu kommen.

Kinder, die ihre eigenen motorischen Erfahrungen machen dürfen und dabei umfallen, lernen durch den Schmerz vor allem eins: Sich zu schützen, sich abzurollen und ihre Muskeln so anzuspannen, dass der Fall nur wenig weh tut. Das finde ich immens wichtig! Auch hier ist die Genialität der Natur gut erkennbar: Kinder, die aus einer Höhe umfallen, die ihrem Entwicklungsstand entspricht (also nicht vom Sofa runter, sondern aus dem Boden-Sitz umfallen z. B.) verletzen sich bis auf ein paar Beulen und blaue Flecke nicht ernsthaft. Der Körper unserer Kinder ist so beschaffen, dass er auf diese Fallhöhe eingestellt ist und dadurch nicht kaputt geht. Durch das Erlernen von Schutzmechanismen bei diesen Mini-Unfällen lernen sie aber ihren Körper sehr gut kennen und besser einschätzen, als Kinder, die vor Schmerzerfahrungen geschützt werden. So verletzen sie sich später, wenn sie höher klettern, weniger stark als die überbehüteten Kinder. Das Motto der Eltern sollte also immer sein: Kleinere Unfälle verhindern später große Unfälle.

Selbstbewusstsein und Frustrationstoleranz 


erstes freies Sitzen, noch mit Stützhand
Kinder, die von ihren Eltern zu früh hingesetzt wurden, verharren, wenn ihre Muskeln und Gelenke sich an die neue Situation angepasst haben, häufig sehr, sehr lange in dieser Position (eben weil sie sich nicht selbst befreien können). Sie wirken zunächst glücklicher als andere Babys im gleichen Alter, welche nörgelnd auf dem Bauch liegen und wehklagend der Welt erklären, wie anstrengend ihr Leben doch sei. Das Ding ist - diese minimalen Frustrationen sind sehr wichtig für unsere Kinder. Schon in diesem Alter wird der Grundstein gelegt für Durchhaltevermögen, Frustrationstoleranz und Selbstbewusstsein. Auch wenn die Nörgelei für die Eltern schwer zu ertragen ist, sollten sie sich zügeln. Denn nur ein gewisser Grad an Frustration führt dazu, dass ein Kind die Kraft und den Willen aufbringt, sich weiterzuentwickeln. Es ist langweilig am Boden? Das Spielzeug ist zu weit weg? Gut! Dann los Baby, hol es dir!
 
Zu früh hingesetzte Babys hören erst einmal auf, mit dem Nörgeln, weil sie die neue Aussicht und die Möglichkeit, mit beiden Händen frei zu spielen, genießen. Doch schon bald fangen sie wieder an, zu lamentieren. Nämlich dann, wenn das Spielzeug weggerollt ist und sie nicht hinterher können. Dann jammern sie so lange, bis Mama oder Papa kommen, und das Spielzeug zurückholen bzw. eine ganze Batterie an verschiedenen Spielzeugen um sie herum drapieren. Wieder haben die gutmeinenden Eltern eine Lernmöglichkeit verstellt. Die Frustration des weggerollten Spielzeuges hätte Antrieb für das Baby sein können, sich einen eigenen Weg aus der Sitzposition zu suchen. Da es aber das Spielzeug von seinen Eltern wieder und wieder gereicht bekommt, besteht keine Notwendigkeit dazu. So kommt schon das ganz kleine Kind in eine frühe Anhängigkeit zu seinen Eltern.

Dieses Gefühl der fehlenden Selbstwirksamkeit wird verinnerlicht als "Ich kann das nicht!" und fällt den Kindern dann auf die Füße, wenn ihre Eltern nicht mehr 24 Stunden am Tag zu Diensten sein können: Ein Kind, dem so schon im frühen Alter abtrainiert wurde, es selbst zu probieren, auch bei Rückschlägen dran zu bleiben, gewissen Frust auszuhalten und als Sprungbrett für Ehrgeiz zu nehmen, das könnte auch im Kindergarten oder Schule vor neuen Herausforderungen zurückschrecken bzw. allzu leicht aufgeben. Sein Selbstbewusstsein baut sich vielleicht nur unzureichend auf, da es immer wieder die Rückmeldung erhält, dass es ohne seine Eltern hilflos ist. 
  

Innere Motivation und Selbstwirksamkeit

 
Jedes Kind kommt mit einem angeborenen Drang, sich weiterzuentwickeln und zu lernen auf die Welt. Es braucht liebevolle Zuwendung, freundliche Ansprache, Nahrung, Kleidung und Schlaf - das alles sollten die Bindungspersonen zur Verfügung stellen. Den Rest jedoch, den macht das Baby von ganz allein!

Denn unser Gehirn hat ein aberwitziges Programm zur Eigenmotivation entwickelt, welches den Menschen dann besonders glücklich sein lässt, wenn er eigenständig etwas Neues geschafft oder gelernt hat. Dann wird ein Hormonfeuerwerk freigesetzt, das den Menschen in einen kurzen Rausch versetzt (ähnlich, wie bei Drogen) und eine Welle von wohliger Entspanntheit durch den Körper strömen lässt. Ich habe das in diesem Artikel sehr ausführlich erklärt. Dieser Zustand ist für einen Menschen so angenehm, dass er gerne mehr davon haben möchte: Deshalb streben wir nach immer neuen Herausforderungen. Man nennt das innere Motivation.

Allerdings: dieses Hormonfeuerwerk wird nur dann ausgeschüttet, wenn der Mensch etwas allein und ohne Hilfe bewerkstelligt hat. Babys, die sich von selbst in den Sitz drücken, erleben dieses Hochgefühl und sind motiviert, trotz Anstrengung weiter zu üben. Sie haben gelernt, dass sich die Anstrengung am Ende lohnt, dass es also gut war, durchzuhalten. Sie nehmen diese Erfahrung mit in ihr späteres Leben und werden mit aller Wahrscheinlichkeit eher an Herausforderungen mit positiven Emotionen herangehen, als Babys, die diese Erfahrung der Selbstwirksamkeit nicht machen konnten.

Natürlich leidet die innere Motivation und das Gefühl der Selbstwirksamkeit nicht nur deswegen, weil ein Kind von seinen Eltern zu früh hingesetzt wurde - so fragil sind wir Menschen nicht. Wenn jedoch immer wieder kleine Hilfestellungen gegeben werden, obwohl das Kind es selbst lernen könnte, dann erlebt das Kind den Zustand der inneren Glückseligkeit, etwas selbst geschafft zu haben, nur selten und könnte ...nunja... träge und faul werden. Denn es ist natürlich einfacher, wenn Mama und Papa helfen und Schwierigkeiten aus dem Weg räumen. Durch die fehlende innere Motivation leidet die Anstrengungsbereitschaft und der Ehrgeiz, was im späteren Leben durchaus zu Problemen führen kann.

Wohlgemerkt: Ich sage nicht, dass ein Kind zwangsläufig träge und faul wird, weil es von den Eltern zu früh hingesetzt wird! Aber ich sage, dass dieses Hinsetzen innere Mechanismen unterbricht, welche für das Kind von Vorteil sind.
 

Unterstützende  Maßnahmen bei verzögerter motorischer Entwicklung


Dein Kinderarzt sagt, Dein Baby sollte schon sitzen können und will es zur Physiotherapie schicken? Ich möchte natürlich nicht ausschließen, dass das stimmt und dein Kind wirklich entwicklungsverzögert ist. Dann ist Physiotherapie genau das Richtige. Mein Problem liegt darin, dass heutzutage viel zu oft und viel zu früh entschieden wird, dass ein Kind aus der Norm fällt und es deshalb "Nachhilfe" bekommen sollte. Bitte hole dir deshalb zunächst einmal eine Zweitmeinung ein und beobachte es ganz genau: Ist es vielleicht einfach von der ruhigeren, zufriedenen Sorte und sitzt deshalb noch nicht, weil es in Rücken- oder Bauchlage gerade so viele spannende Dinge entdeckt?
 
Dann lass ihm noch Zeit.
"Wie können wir gesunden Säuglingen [...] helfen, deren Bewegungsentwicklung langsamer verläuft, als es durchschnittlich üblich ist? [...] Bei den sich langsam entwickelnden Kindern halten wir die Übergangspositionen für noch wesentlicher sowie alle Bewegungen, die das Kind darin probiert oder mit denen es seine Position oder seinen Platz wechselt, bevor es sich aufsetzt [...]. Also das Spielen auf dem Rücken oder auf dem Bauch, das Sich-Drehen, Wälzen, Rollen, Bauchkriechen oder Krabbeln auf Knien und Händen. Kurz, alles, womit Kinder spontan aber ausgiebig die Vorstufen der späteren Bewegungen üben. Falls der Erwachsene selbst oder mit Geräten die "langsamen" Kinder - in einem üblicherweise nach Tabellen bestimmten Alter - termingerecht in die zu erreichende Position bringen, also viel früher, als die Kinder dazu reif wären - werden sie all dies fehlerhafter und krampfhafter durchführen [...]. Noch nicht reif dazu, selbständig die Position, in die sie gebracht wurden [...] verändern zu können, werden sie daran gewöhnt - wir möchten sagen - werden sie gezwungen, sich an fehlerhafte Bewegungen oder z. B. an ein Sitzen mit krummem Rücken zu gewöhnen." [Pikler, E., 2001:116f]

Gestütztes Sitzen - Was ist problematisch, was ist erlaubt?


Ich werde oft von verunsicherten Eltern angeschrieben und gefragt, was denn nun erlaubt ist - darf ein Kind, das noch nicht frei sitzen kann in den Hochstuhl? Wie ist es mit dem elterlichen Schoß? Und ist das Sitzen im Tragetuch nicht auch ungesund?

Sitzen auf dem Schoß der Bindungspersonen


Sitzt ein Kind angelehnt auf dem Schoß seiner Bindungspersonen, ist das so lange in Ordnung, bis das Kind durch Quengeln oder Wuseln anzeigt, dass es diese Position anstrengt. Ganz automatisch wird die Mutter oder der Vater das Baby dann in eine andere Position bringen, z. B. in Bauchlage quer über die Beine der Eltern. So würde das ein Baby, das selbst sitzen lernt, auch tun: Strengt es das Sitzen zu stark an, geht es automatisch aus dieser Position heraus und legt sich zum Weiterspielen auf den Bauch.

Gestütztes Sitzen im Hochstuhl


Viele Eltern wünschen sich, dass das Kind beim Breifüttern im Hochstuhl sitzt, weil das für den Fütternden weniger anstrengend ist. Dafür wird der Hochstuhl meist so weit gepolstert, dass das noch nicht frei sitzende Kind darin gut eingekeilt ist und nicht hin und her wankt. Ich verstehe zwar, warum die Eltern das tun, ich empfehle es trotzdem nicht. Auch beim durch Kissen gestützten Sitzen sind die physikalischen Kräfte auf die ungeübte Wirbelsäule und die Muskeln so stark, dass sich das für das Kind nicht nur unangenehm anfühlt, sondern auch Haltungsschäden drohen können.
 
Besser finde ich das Füttern auf dem Schoß, bzw. einfaches Abwarten, bis das Kind frei sitzen kann. Nicht vergessen: "Food before one ist just for fun!" (Essen vor dem 1. Geburtstag ist nur zum Spaß da - Milch reicht aus.)

 

Sitzen im hochgestellten Kinderwagen


Es gibt eine Zeit, da mögen Babys das Fahren im Kinderwagen wirklich überhaupt nicht mehr, da sie im Liegen nichts sehen können. Einige Eltern kommen dann auf die Idee, den Sitz hochzustellen, so dass das Babys darin gestützt sitzt. Ich empfehle das nicht - beim Fahren wirken die Unebenheiten des Gehwegs doppelt und dreifach auf die Wirbelsäule. Außerdem kann das Kind, da es oft angeschnallt ist, seine Position nicht gut wechseln und muss verharren, obwohl die Muskeln vielleicht schon ermüdet sind. Besser ist es, in dieser Zeit auf eine Tragehilfe zurückzugreifen bzw. das Baby auf den Bauch in den Wagen zu legen, so dass es nach vorn doch noch etwas sehen kann.

Sitzen im Fahrradsitz


Mir ist bewusst, dass viele Eltern auf das Fahrrad als Transportmittel angewiesen sind, doch ich empfehle trotzdem nicht, das Kind in einen Fahrradsitz zu setzen, bevor es selbst eine Weile frei sitzen kann. Das Fahrrad wird ordentlich durchgeschüttelt und die Wirbelsäule des Kindes wird enormen Kräften ausgesetzt, die es noch nicht aushalten kann. Dazu kommt, dass die Muskeln noch nicht genügend aufgebaut sind, die den - im Vergleich zum Körper noch sehr großen - Kopf halten sollen. Vielleicht könnt ihr es so organisieren, dass ihr für die kurze Zeit andere Transportmöglichkeiten nutzen könnt.

Sitzen im Autositz


In dem Alter, von dem wir sprechen, sitzen Kinder noch nicht im Autositz, sondern liegen eher in einer Babyschale für das Auto - das ist selbstverständlich in Ordnung. Da die gekrümmte Haltung darin allerdings eingeengt und das Atmen ein wenig erschwert, sollten Babys nicht zu lange darin transportiert werden. Im Auto müssen und dürfen sie genutzt werden, als Kinderwagenersatz sollten sie nicht herhalten.

 

Sitzen in der Trage/im Tragetuch


Für Außenstehende mag die Position des Kindes in der Trage/im Tragetuch an die Sitzposition erinnern, es ist aber kein echtes Sitzen, da das Baby vollständig von allen Seiten gestützt wird und die Kräfte nicht auf die Wirbelsäule wirken. In guten Tragen ist die Wirbelsäule übrigens gekrümmt und die Kniekehlen werden so gestützt, dass das Baby mit den Beinen ein M formt. Tragetücher und gute Tragen sind also ausdrücklich erlaubt. Die ausgleichenden Mikro-Bewegungen, die die Muskeln des Kindes in Resonanz zur Bewegung der Mutter machen, stimulieren sie sogar in positiver Weise.
 

Sitzen im Bumbo Seat

 
Der Bumbo Seat sieht ein wenig nach einem riesigen Töpfchen aus. Die Kinder können hinein gesetzt werden und verharren, gut von allen Seiten gestützt, in dieser Position. Der Bumbo Seat ist - Gott sei Dank - in Deutschland noch nicht besonders bekannt, jedoch schwappt die Welle gerade von den USA zu uns herüber. Als Sonderpädagogin mag ich den Sitz, allerdings - ACHTUNG! - ausschließlich für Kinder mit einer körperlichen Behinderung, z. B. einer Muskelschwäche, welche vermutlich nie selbst in eine sitzende Position kommen werden.

Für alle anderen Babys ist dieser Sitz absolut nicht zu empfehlen. Nicht nur behindert er das natürliche Sitzen-Lernen, die Babys können daraus auch nicht allein aussteigen, so dass sie so lange darin sitzen bleiben, bis sie wieder von ihren Eltern herausgehoben werden. So wird das natürliche Explorationsverhalten der Kinder komplett unterbunden und die Kinder zum Nichtstun gezwungen.
 

Fazit


Wie ihr seht, spricht absolut nichts dafür, sein Baby zu früh in eine sitzende Position zu bringen, aber alles dagegen. Lasst euer Kind seine eigenen Erfahrungen machen, seine Muskeln nach dem eigenen inneren Bauplan stärken, sich an seiner Selbstwirksamkeit freuen und die Meilensteine in seinem jungen Leben selbst erreichen. Dann macht ihr euer Kind glücklich, auch, wenn es zwischenzeitlich motzt, weil der Weg zu schwer erscheint. Räumt ihm keine Steine aus dem Weg. Es kann und will das alles allein schaffen.

© Snowqueen
 
 

Literatur

 
 
Hüther, G., Jedes Kind ist hoch begabt, 2013
 
Pikler, E., Lasst mir Zeit, 2001

"Kleine Gefühlskunde für Eltern - Wie Kinder emotionale und soziale Kompetenz entwickeln" - Vivian Dittmar

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Wir schreiben regelmäßig Rezensionen zu Büchern über Kinder. Manchmal entdecken wir die Bücher selbst, manchmal in Newslettern der Verlage und manchmal kommen auch die Autoren direkt auf uns zu. Vor kurzem erhielt ich eine Mail von Vivian Dittmar, die bei uns über die gewaltfreie Kommunikation gelesen hatte. Sie schrieb uns, dass sie sich freuen würde, wenn wir ihr Buch "Kleine Gefühlskunde für Eltern" in unserem Blog vorstellen und es "auf diesem Wege mehr Menschen erreichen würde, die sich einen achtsameren Umgang mit den eigenen Gefühlen und denen ihrer Kinder wünschen".
 
Sie schickte mir ein Rezensionsexemplar, bei dem mir schon im Vorwort klar wurde, dass das definitiv ein interessantes Buch für mich ist. 
"Um Kindern heute authentisch Halt und Orientierung bieten zu können und ihnen damit einen Raum zu geben, in dem sie sich zu emotional und sozial kompetenten Erwachsenen entwickeln zu können, müssen wir selbst emotional kompetent werden."
Und emotional kompetent bin ich leider nicht - ich kann Konflikte nur sehr schwer aushalten und reagiere im ersten Moment fast immer mit Flucht oder Angriff. Es ist für mich unglaublich schwer, diese erlernten Verhaltensmuster abzulegen und mich geduldig Auseinandersetzungen zu stellen. Tatsächlich muss ich hart an mir arbeiten, um die durch meine eigene Erziehung erlernten Handlungsweisen abzulegen und immer wieder dem Impuls zu widerstehen, meine Kinder in Konfliktsituationen einfach stehen zu lassen und zu ignorieren oder laut anzuschreien. Daher war ich wirklich gespannt, ob und wie die emotionale Kompetenz Erwachsener zu stärken ist.
 
Im ersten der drei Teile des Buches geht es nämlich zunächst darum, wie wir Eltern mit unseren Gefühlen leben. Ich weiß, dass es Eltern gibt, die emotional mit sich im Reinen sind und die immer sehr geduldig und achtsam mit ihren Kindern umgehen. Aber nach meinen Beobachtungen gibt es deutlich mehr Eltern, denen es - wie mir - sehr schwer fällt, gelassen, entspannt und liebevoll zu sein.
 
 

Teil I: Eltern & Gefühle

 
Im ersten Teil des Buches werden erst einmal "Gefühle" definiert. Sie werden unterschieden in körperliche Empfindungen (Hitze, Kälte, Schmerz), biologische Programmierungen (Hunger, Sexualtrieb, Mutterinstinkt), Emotionen (aufgestaute Gefühlsaltlasten, die nicht ausreichend verarbeitet wurden), Fähigkeiten/Bewusstseinszustände (Liebe, Vertrauen) und soziale Gefühlskräfte, um die es im Buch hauptsächlich gehen soll:
  • Wut,
  • Angst,
  • Trauer,
  • Scham und
  • Freude.

Eltern sind häufig mit diesen Gefühlen ihrer Kinder überfordert, weil sie noch vollkommen unmittelbar, unberechenbar und intensiv auftreten. Kinder leben Gefühle einfach aus und haben noch nicht gelernt, sie zu steuern oder zu filtern. Wir selbst können in der Regel unsere Gefühle sehr gut regulieren, denn uns ist früh beigebracht worden, dass wir uns nicht "so haben" sollen. Daher halten wir es unterbewusst oft für unsere Aufgabe, unseren Kindern ebendies beizubringen - Gefühle wie Angst oder Trauer werden also schnell von uns weggetröstet oder Wut ignoriert. Eine Bereicherung für uns wäre jedoch, wenn wir diese Gefühle nicht als zu regulierendes Problem sähen, denn sie erfüllen ja einen Zweck: sie befähigen uns, mit kritischen Situationen umzugehen.
 
Lange Zeit bestand Erziehung daraus, den Kindern beizubringen, was "man" nicht macht. "Man" bohrt nicht in der Nase, "man" zeigt nicht mit dem Finger auf andere Leute, "man muss höflich sein", "man" muss sich benehmen usw. Diese Absolutheitsansprüche beschreiben, was (vermeintlich alle) Menschen empfinden. Wir verstecken uns gerne dahinter, weil wir nicht gelernt haben, unserer eigenen Bedürfnisse zu formulieren. Das kann jedoch dazu führen, dass Kinder sich ständig falsch und unzulänglich fühlen, wenn sie dagegen verstoßen. Daher ist es sinnvoll, diese Absolutheitsansprüche aus unserem Leben zu verbannen und stattdessen klar zu sagen, was wir vom Kind wollen.

Wir unterliegen der irrigen Annahme, dass Gefühle einfach auftauchen und unkontrollierbar sind. Dabei sind sie lediglich das Ergebnis eines Ereignisses, das wir wahrnehmen und interpretieren - je nachdem, in welcher Situation und Erwartungshaltung wir uns befinden, können verschiedene Gefühle ausgelöst werden. Das wird genauer am Beispiel eines im Matsch spielenden Kindes erklärt. Wir können darauf sehr unterschiedlich reagieren - mit Wut, wenn wir vorher dreimal sagten, das Kind soll sofort aufhören, weil wir gleich zu einer Geburtstagsfeier fahren und die festliche Kleidung beschmutzt wird. Wir können Trauer empfinden, weil die Kleidung Flecken bekommt und wir an dem Stück hängen - oder Scham, weil wir es nicht geschafft haben, ein sauberes Kind dorthin mitzubringen. In einem anderen Kontext hingegen könnten wir auch Freude daran empfinden - dann, wenn wir extra zum Matschen raus gegangen sind. Die Interpretation der Situation bestimmt also, welches Gefühl ausgelöst wird.

Im Folgenden wird erklärt, wie wichtig die oben aufgelisteten Kräfte für uns sind und was passiert, wenn wir zu viel oder zu wenig davon empfinden. Beschrieben wird außerdem, was geschieht, wenn wir unsere Gefühle nicht ausleben können und als emotionale Altlasten anstauen. Es sind die angestauten Emotionen, die uns gegenüber unseren Kindern immer wieder laut werden lassen und oftmals inadäquat reagieren lassen. Regelmäßige gezielte Entladungen von Emotionen (wofür es eine Anleitung gibt) können dazu führen, dass wir gelassener mit den Gefühlen anderer umgehen können.

Besonders schön finde ich den Teil über die Freude. Er befasst sich u. a. mit der Frage, warum wir manchmal so wenig Freude an unseren Kindern empfinden. Das ist vor allem dadurch begründet, dass wir es als Hauptaufgabe sehen, Kinder zu erziehen. Das Problem ist nur, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind selbst mit Zwang und Druck genau so wird, wie wir uns das vorstellen, extrem gering ist. Daher verbringen wir einen Großteil der Kindheit damit, unzufrieden damit zu sein, wie unser Kind ist. Wenn wir einfach nur davon ausgehen würden, dass unser Kind einfach "richtig" ist, wie es ist, würden wir seine Entfaltung viel gelassener begleiten können.
 

Teil II - Kinder & Gefühle

 
Wenn man sich bewusst macht, dass Gefühle die Funktion haben, unseren Umgang mit schwierigen Situationen zu erleichtern, wird einem schnell klar, dass es wenig Sinn hat, sie zu unterdrücken. Dass Kinder so unmittelbar ihre Gefühle ausdrücken, hilft ihnen in der Entwicklung - wenn wir möglichst wenig regulierend eingreifen, entwickelt sich ein gesunder Umgang mit ihnen von ganz allein. 
 
Es wird in diesem Teil des Buches ausführlich auf die Gefühlskräfte Wut, Angst, Trauer, Scham und Freude eingegangen. Zu jedem Gefühl wird sehr anschaulich und ausführlich  zusammengefasst, wie unsere typischen Reaktionen darauf sind und warum ein "zu viel" des Gefühls für unsere Kinder ebenso schwierig ist, wie ein "zu wenig".
 
Angst zum Beispiel hat die Funktion, uns vor Risiken zu bewahren. Das Gefühl zeigt sich erstmals in der Fremdelphase, in der Kinder Ängste vor Fremden entwickeln. Bei der Erforschung der Welt kann sich dieses Gefühl sehr unterschiedlich entwickeln. Wird Angst dauerhaft klein geredet ("Nun stell dich nicht so an!", "Du musst doch keine Angst haben"), kann das dazu führen, dass sich das Gefühl vollkommen verliert und die Kinder ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen. Werden sie hingegen überbehütet und vor allen Gefahren beschützt, sind sie ebenfalls nicht in der Lage, dieses Gefühl gesund zu entwickeln, weil ihnen die Konfrontation damit fehlt. Spätestens wenn sie irgendwann allein zurecht kommen müssen, werden sie vom Leben geradezu überrannt, weil sie den Umgang mit der Angst nicht gelernt haben.
 
Am Ende des Buchteils geht es darum, Entladungen zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. So wie bei Erwachsenen auch, sammeln Kinder Emotionen - also Gefühlsaltlasten - an, die irgendwann einfach hervorbrechen und verarbeitet werden wollen. Wenn man diese Entladungen zuverlässig als solche identifiziert, ist es sehr viel leichter damit umzugehen, weil einem bewusst wird, dass das provozierende Verhalten oder das unverständliche Drama einen Sinn haben.
 
 

Teil III - Ein neues Miteinander


Im dritten Teil des Buches geht es zunächst um das Thema Bedürfnisse. Soziale Kompetenz bedeutet vor allem, die Bedürfnisse anderer zu erkennen und mit der Dringlichkeit der eigenen abzuwägen. Bestehen Bedürfniskonflikte, sind diese im Grunde nur auf zwei Wegen lösbar - mit Gewalt oder mit Kreativität. Gewalt meint hier das Nutzen der elterlichen Überlegenheit - sei es physisch oder psychisch.

Sinnvoller ist es, "verbindende Lösungen" zu finden. Damit sind keine Kompromisse gemeint (bei denen sich ja dennoch jeder ein kleines bisschen als Verlierer fühlt), sondern Lösungen, die jeder voller Überzeugung tragen kann. Dazu ist es zunächst erforderlich, dass die Beteiligten in der Lage sind, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu artikulieren. Außerdem benötigt wird die Fähigkeit, die Bedürfnisse anderer anzuerkennen. Nur dann ist es möglich, aktiv, kreativ und konstruktiv Lösungen zu entwickeln.

Es wird anhand einfacher Beispiele erklärt, was konkret damit gemeint ist. Wenn bspw. das einjährige Baby auf den Bücherschrank zukrabbelt und anfängt, die Seiten herauszureißen, ist klar, dass ein Bedürfniskonflikt besteht - das Baby möchte etwas zerreißen, der Vater intakte Bücher besitzen. Unsere erste Rektion ist normalerweise, das Baby wegzusetzen und "Nein" zu sagen - es quasi "zu erziehen", damit es künftig nicht an die Bücher geht. Doch bei dieser Reaktion bleiben die Bedürfnisse des Kindes unbeachtet - was in der Regel dazu führt, dass das Kind sehr wütend wird und weiter versucht, an die Bücher heranzukommen. Eine andere Lösung wäre, die Bücher außer Reichweite zu räumen - aber auch in diesem Fall findet das Bedürfnis des Kindes keine Beachtung.  Eine kreative Lösung, die alle zufrieden stellt, wäre bspw. Zeitungen aus dem Altpapier zum Zerreißen anzubieten - oder ein (einzelnes) Buch zur Verfügung stellen, das genüsslich zerrissen werden darf.

Wenn wir erkennen, dass Bedürfnisse auf verschiedenen Wegen erfüllt werden können, macht uns das deutlich flexibler bei der Suche nach alternativen Lösungswegen. Wenn wir miteinander reden, statt den anderen von unserer Lösung überzeugen zu wollen, werden sich häufig Alternativen ergeben, die uns manchmal erstaunen.

Dazu müssen wir jedoch aufhören, unsere elterlich Macht zu missbrauchen und darauf vertrauen, dass Kinder unsere natürliche Autorität anerkennen und mit uns kooperieren wollen. Statt ihnen Regeln aufzuzwingen, sollten wir gemeinsam Vereinbarungen treffen - an gemeinsam getroffene Absprachen halten sich Kinder viel eher, als an Grenzen, die ihnen diktiert werden. Abschließend wird noch kurz auf das Thema Strafen/Konsequenzen eingegangen und zusammengefasst, was Kinder wirklich von uns brauchen.
 
 

Meine Meinung zum Buch

 
Dieses Buch über Gefühle hat mich wirklich aufgewühlt. Ich selbst bin eher ein sehr unemotionaler Mensch. Meine Eltern haben mit jeder Menge "Ist doch nicht schlimm!", "Reiß dich mal zusammen" und "Nun stell dich nicht so an!" erreicht, dass ich Gefühle wegschiebe und sie sich als emotionale Altlasten aufstauen. Ich habe nicht gelernt, Wut zu regulieren - noch heute brodle ich innerlich, wenn ich bei einem Spiel verliere und möchte das Spielbrett am liebsten durch die Gegend werfen. Angst empfinde ich kaum - ich mache mir über nichts Sorgen. Auch Trauer und Scham sind mir eher fremd. Ebenso gedämpft empfinde ich Freude - erst seitdem ich Kinder habe und mich mit mir und der Vergangenheit auseinander setze, werden diese Momente häufiger und intensiver. Mir war anfangs nicht ganz klar, ob ich mit einem Buch ausschließlich über Gefühle wirklich etwas anfangen kann.
 
Als ich das Buch dann jedoch las, hatte ich immer wieder mehr als eine Träne in den Augen (was beim U-Bahn-Fahren doch recht unpraktisch ist). Lange Zeit schon hatte ich die Vermutung, dass mit mir irgendwas "nicht richtig" ist - jetzt weiß ich, was eigentlich. Ich habe meine Gefühle nicht "im Griff" - sie sind schlicht verkümmert und das macht es so schwer, mit den Emotionen meiner Kinder umzugehen. Ihre Wut nehme ich persönlich und kann darauf nur sehr schwer empathisch und geduldig eingehen.
 
Mir ist wieder mal wieder deutlich bewusst geworden, wie wichtig es wirklich ist, Kinder komplett so anzunehmen, wie sie sind. Mit ihren Gefühlen und ihrem Verhalten. Je mehr ich mich damit auseinander setze, was das Ganze so schwierig macht, desto mehr dringe ich zum Kern vor - ein wirklich schwieriger und schmerzhafter Weg, aber definitiv jede Mühe wert. Dieses Buch hat mich auf dem Weg ein enormes Stück voran gebracht.
 
Normalerweise verlosen wir ja unsere Rezensionsexemplare - dieses möchte ich jedoch vorerst nicht aus der Hand geben. Es bietet mir noch einigen Nachdenkstoff und vor allem die Grundlage für noch zwei, drei sehr interessante Artikel für unseren Blog. Wenn Du unsicher bist, ob das Buch für Dich interessant ist, schau doch mal in diese Leseprobe.
 
Wenn Ihr es käuflich erwerben wollt, dann tut Ihr uns etwas Gutes, wenn ihr das über diesen Link tut: "Kleine Gefühlskunde für Eltern"*. 
 
*Dieser Artikel enthält Affiliate-Links - besucht jemand über einen solchen Link die Amazon-Seite und kauft dort ein, erhalten wir für alle verkauften Produkte eine kleine Provision :-). Diesen Betrag nutzen wir beispielsweise um unsere Webseite zu hosten und zu pflegen.
 
© Danielle

Schulranzen - wie finde ich den richtigen Ranzen für mein Kind?

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Worauf sollte man beim Kauf des Schulranzens achten?

 
In diesem Jahr kommt meine Tochter in die Schule und mit ihr zusammen ungefähr 700.000 andere Kinder in Deutschland. Und natürlich beschäftigt mich (wie wahrscheinlich alle anderen Eltern auch) aktuell die Frage: Welcher Schulranzen ist für mein Kind eigentlich der beste und worauf sollte ich beim Kauf achten?

Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits möchte ich natürlich an dieser Stelle nicht sparen. Schließlich wird mein Kind diesen Ranzen tagtäglich umher schleppen und daher kann eigentlich nur das Beste gut genug sein. Die Preise sind aber so unglaublich hoch, dass einem  wirklich schwindlig wird - über 200 EUR kann man ohne weiteres ausgeben. Tut es nicht auch ein Ranzen vom Discounter? Worin unterscheiden sich die ganzen Modelle überhaupt? Was ist wichtig - was nicht? Wie wurden die Ranzen getestet?

In diesem - nicht gesponserten - Artikel möchte ich die Ergebnisse meiner Recherchen zusammenfassen und die Frage beantworten, wie man den besten Ranzen für sein Kind findet.
 


Die Schulranzen-DIN-Norm 58124


In Deutschland gibt es eine Norm, die festlegt, wie ein "sicherer" Schulranzen aussehen soll: die Norm DIN 58124. Ist ein Ranzen nach dieser Norm zertifiziert, bedeutet das, dass er bestimmte Anforderungen an  die Verkehrssicherheit, die Gebrauchstauglichkeit und die Gestaltung erfüllt. 
 
Bei Ranzen, die dieser Norm entsprechen, sind zu mindestens 20 % (bzw. mindestens 50 Kubikzentimeter) der sichtbaren Fläche mit fluoreszierendem Material in den Farben gelb/orange-rot (Warnwesten-Farben) gestaltet. Weitere 10 % der Vorder- und Seitenflächen bestehen aus silbernem, retroreflektierendem Material (Katzenaugeneffekt).

Ranzen nach DIN-Norm mit 20 % fluoreszierendem Material (orange) und
10 % retroreflektierendem Material (silberner Streifen)

Die DIN-Norm stellt außerdem Anforderungen an die Reiß-, Bruch- und Formfestigkeit. Ranzen mit dieser Kennzeichnung durchlaufen verschiedene Belastungstests, es wird außerdem getestet, ob die Verschlussteile ohne harten Kanten sind und sich keine Kleinteile lösen. Außerdem sind die Ranzen bis zu einem gewissen Grad wasserabweisend.
 


Was sollte man beim Kauf von Schulranzen beachten?


Ranzen sollte man unbedingt anprobieren


Für Ranzen gilt das gleiche, wie für Kindersitze - sie müssen einfach zum Kind passen. Es gibt kein Modell, das pauschal für alle Kinder gut geeignet ist. Daher sollte man vor dem Kauf unbedingt unterschiedliche Modelle ausprobieren. Wer keine Möglichkeit hat, das im Fachgeschäft vor Ort zu tun, kann verschiedene Modelle im Internet bestellen und in Ruhe zu Hause ausprobieren. Online-Händler sind verpflichtet, Waren innerhalb von 14 Tagen zurück zu nehmen und den Kaufpreis zu erstatten. Man trägt jedoch ggf. die Portokosten - hier lohnt ein Blick in die AGB des Händlers. Bei Amazon bspw. ist eine Rücksendung immer dann kostenfrei, wenn der Warenwert 40 EUR übersteigt - das ist bei Ranzen in der Regel der Fall.

Der Ranzen sollte mit und vor allem ohne Jacke ausprobiert werden, da der Tragekomfort sehr unterschiedlich sein kann. Leer ist fast jeder Ranzen bequem - die Unterschiede bemerkt man erst, wenn er gefüllt ist und ein paar Minuten getragen wird. Daher sollte man ruhig mal ein paar Bücher rein stecken, so zeigt sich schnell, ob vielleicht Gurte einschneiden oder ob der Ranzen dann auch optimal am Rücken anliegt.
 

Die ideale Form

 
Der Ranzen sollte in der Breite nicht über den kindlichen Rücken hinausragen. Das ist bei schmaleren Kindern durchaus eine Herausforderung. Die Ranzen unterscheiden sich bezüglich der Breite z. T. gravierend - von 25 cm (Ergobag cubo) bis zu 40 cm (Scout Buddy) - das wirkt sich natürlich dann auf die Höhe aus. Es wird empfohlen, dass die obere Kante im Nacken und die untere über dem Po endet.
 

Riemen/Gurte

 
Die Gurte dürfen nicht am Hals einschneiden und sollten etwa 4 cm breit sein, damit sich das Gewicht ideal verteilt. Wichtig ist, dass sie nicht zu stark/dick gepolstert sind, weil sie sonst unflexibel werden und von den Kindern ungern und dann leider oft nur einseitig verwendet werden. Wichtig ist auch, dass sie stufenlos verstellbar und mindestens 50 cm lang sind. 
 
Die Gurte dürfen aber auch nicht zu lang sein, da sie sonst auf der Erde schleifen, wenn das Kind den Ranzen in der Hand trägt. Die Stolpergefahr ist dadurch stark erhöht. Bei manchen Ranzen kann man die Enden der Riemen an den Gurten einhaken - das ist ein durchaus sinnvolles Feature - ob es letztendlich auch genutzt wird, ist eher fraglich.
 

Seitentaschen, Tragegriff und Deckel

 
An den Seiten des Ranzens sollten eine Trinkflasche und die Vesperbox Platz finden. Wenn die Flasche mal ausläuft, bleiben so Bücher und Hefte trocken. 
 
Der Deckel sollte vom Kind gut allein geöffnet werden können und sich möglichst weit öffnen lassen. Wichtig ist auch, dass der Deckel offen bleibt und nicht ständig wieder zufällt. 
 
Der Tragegriff sollte gepolstert sein und groß genug sein, damit ihn die Hand gut greifen kann. Er sollte oben mittig auf dem Deckel sein, so dass er beim Tragen nicht stört.

 

Das Gewicht des Ranzens - wie viel sollte er maximal wiegen?

 
Die offiziellen Empfehlungen (in der DIN-Norm) lauten, dass das Gesamtgewicht des Ranzens 10 bis 12,5 % des Körpergewichtes nicht überschreiten soll. Erstklässler wiegen zwischen 18 und 28 kg - durchschnittlich etwa 22 kg. Mit diesem Durchschnittsgewicht sollte der Ranzen also maximal etwa 2,2 bis 2,75 kg wiegen. 
 
Diese Empfehlungen stammen jedoch ursprünglich noch aus dem Jahr 1915 und sie waren eigentlich für Tornister von Soldaten gedacht - die natürlich ganz anders gebaut sind und ganz andere Strecken zurücklegen mussten, als unsere Erstklässler heute. In der Realität zeigt sich, dass die Empfehlungen auch gar nicht eingehalten werden (können) - tatsächlich tragen Kinder durchschnittlich etwa 17,2 % ihres Körpergewichtes.
 
Ob zu schwere Ranzen in Zusammenhang mit Rückenbeschwerden stehen oder Haltungsschäden verursachen können, das haben mehrere Studien untersucht. Dabei gibt es sehr widersprüchliche Ergebnisse - einige wollen einen solchen Zusammenhang erkennen, die meisten konnten jedoch keinen feststellen. Einen deutlich höherer Einfluss auf die Rückengesundheit haben Sitzmöbel und der Umfang der Bewegung. Wirkliche Beeinträchtigungen wurden erst festgestellt, wenn Kinder über längere Zeit etwa ein Drittel ihres Körpergewichtes tragen. Einige Ärzte sagen sogar: ein schwerer Ranzen trainiert die Rückenmuskulatur regelmäßig. 
 
Die oben empfohlenen Normwerte sind ohnehin etwas problematisch, weil sie eine Sicherheit vortäuschen. Kleine schwache Kinder können mit 12,5 % des Gewichtes schon vollkommen überfordert sein. Ob der Ranzen für das Kind zu schwer ist, lässt sich ganz gut testen, indem man den Schulweg mehrmals mit gefülltem Ranzen abgeht - das Kind sollte dabei die ganze Zeit völlig normal laufen und nicht seine Haltung ändern. Wirkt es irgendwann wie ein Packesel und krümmt den Rücken, dann ist der Ranzen definitiv zu schwer. 
 
Bei der Frage, ob man sich bewusst für einen besonders leichten Ranzen entscheidet, sollte man nicht vergessen, dass sich ein geringeres Gericht zu Lasten der Stabilität auswirkt. Beim Stauraum ergeben sich jedoch kaum Unterschiede.
 
Die leichtesten Ranzen am Markt sind derzeit:
Die normal schweren Ranzen wiegen etwa zwischen 1.100 und 1.300 g. Wenn man ein sehr leichtes Kind hat, dann kann es durchaus sinnvoll sein, einen extraleichten Ranzen zu kaufen. Sonst ist es meines Erachtens wenig sinnvoll, die Auswahl vom Gewicht abhängig zu machen. Ob der Ranzen nun 1.100 oder 1.300 g wiegt, ist eigentlich egal - denn ob nun dauerhaft das Gewicht von ein bis zwei Schokoladen mehr mit herum geschleppt wird oder nicht, darauf kommt es bei normal starken Kindern eher nicht an. Da würde ich persönlich mehr Wert auf die anderen Parameter legen.
 
 

Wie wird der Ranzen richtig gepackt und getragen?

 
Das Gewicht im Inneren sollten Kinder gut verteilen. Wichtig ist, dass die schweren Teile (Bücher) innen an die Seite gepackt werden, die beim Tragen am Rücken anliegt. Andernfalls kippt der Ranzen beim Tragen immer vom Rücken weg, so dass das Kind dies ständig ausbalancieren muss. Es gilt also: je schwerer ein Gegenstand ist, desto näher am Körper sollte er sich im Ranzen befinden.
 
Die Tragegurte werden so angezogen, dass der Ranzen möglichst körpernah getragen werden kann. Er sollte dabei an mehreren Stellen auf dem Rücken (vor allem an den Schulterblättern) aufliegen und nicht über die Schultern hinaus ragen. Brust und Bauchgurte entlasten die Schultern zusätzlich - werden aber im Alltag kaum genutzt. Gerade bei kleinen schmalen Kindern sollte jedoch auf ihre Verwendung hingewirkt werden.

Kinder neigen leider dazu, die Gurte eher zu locker einzustellen, da so das das An- und Abschnallen leichter ist. Leider hängt durch zu lockere Gurte der Ranzen viel zu tief und zieht das Kind ins Hohlkreuz. Der Rücken und die Schulterblätter werden dabei überlastet und es kann sogar zu einer Beeinträchtigung der Atmung kommen. Wichtig ist auch, dass immer beide Schultertragegurte verwendet werden - beim einseitigen Tragen wird die Wirbelsäule unnötig und sehr einseitig belastet.
 
 

Rucksack, Ranzen oder Trolley?

 
Die meisten Kinder tragen hierzulande zur Einschulung einen Ranzen. Im Laufe der Schulzeit werden Rücksäcke zunehmend beliebter. Sie können ohne weiteres auch schon von Erstklässlern getragen werden - allerdings nur die speziell dafür geeigneten (z. B Ergobag). Richtige Schulrucksäcke sind am Rücken gut gepolstert, verfügen über einen Hüftgurt und haben einen festen Boden. Wichtig ist zudem, dass sie an die Rückenlänge angepasst werden können.

Trolleys hingegen sind gänzlich ungeeignet. Während die Kinder diesen ziehen, ist der Arm am Griff ständig nach hinten verdreht und auch die Wirbelsäule ist dadurch ständig unergonomisch eingedreht. Die Kinder müssen den Trolley auch oft anheben und tragen - ob am Bordstein, in den Bus oder auf den Treppen in der Schule. Dadurch, dass die Trolleys in der Regel keine Gurte haben, werden sie dann nur mit einem Arm getragen - das belastet den Rücken sehr einseitig. Die Haltbarkeit ist auch eher bescheiden - die Rollen leiden doch recht schnell, auch weil die Trolleys gerne zum darauf Herumfahren genutzt werden.
 

Welcher Schulranzen bzw. Schulrucksack ist der beste?


Es gibt verschiedene Tests/Empfehlungen - das schwierige an der Sache ist, dass dabei sehr unterschiedliche Prioritäten gesetzt werden. Ich fasse einfach mal einige kurz zusammen und versuche am Ende herauszufiltern, welche Ranzen man zum Ausprobieren in die engere Wahl ziehen könnte.
 

Empfehlung für Ranzen der Aktion gesunder Rücken e. V.

 
Die Aktion gesunder Rücken e. V. hat folgende Modelle mit einem Gütesiegel versehen, da sie sie in Bezug auf ihre ergonomische Gestaltung als besonders geeignet einstufen:

Sammies

Premium plus (links), Premium (Mitte) und Optilight (rechts) von Hama

Coppenrath
 
Ergo Style (links), Ergo Style plus (Mitte)  und Flex Style (rechts)

Step by Step
Touch (links), Light (Mitte) und Comfort (rechts)



Rucksäcke

EvverClevver von Coocazoo (links) und Flexline von Step by Step (rechts)


Ergebnisse der Stiftung Warentest

 
Die Stiftung Warentest hat im Jahr 2013 Ranzen untersucht und den Fokus auf die Sichtbarkeit im Dunkeln und die Schadstoffe gelegt.

Es wurden zwölf Modelle getestet - acht bekamen ein "gut", vier ein "mangelhaft". Ausschlaggebend für die Wertung "mangelhaft" war ausschließlich das Fehlen der fluoreszierenden Flächen, wer keine hatte, fiel sofort durch, obwohl alle anderen Kriterien völlig in Ordnung waren. In Bezug auf die Schadstoffe erreichten alle Modelle eine Bewertung zwischen "sehr gut" und "befriedigend"

Hier die Sieger in den Unterkategorien:  

Testsieger war der Ranzen Ergo Style (fluoreszierend) von Coppenrath (Die Spiegelburg).
 
Die Hersteller bieten ihr Modelle übrigens häufig sowohl in der Version "DIN-Norm-gerecht" als auch "nicht DIN-Norm-gerecht an". Sie haben die Erfahrung gemacht, dass sich DIN-normierte Ranzen deutlich schlechter verkaufen und bieten daher die selben Modelle auch ohne die Leuchtflächen an. Daher sollte man beim Kauf genau darauf achten, dass man zu der DIN-normierten Ausführung greift, wenn einem das wichtig ist. 

rechts der Testsieger des Tests - links das deswegen durchgefallene Modell ohne Leuchtfläche


Ergebnisse von Ökotest


Im Jahr 2013 wurden auch bei Ökotest Schulranzen getestet - hier bekam kein Ranzen eine bessere Note als "befriedigend". Beurteilt wurden Handhabung (25 %), Sicherheit (50 %) und Verarbeitung/Schadstoffe (25 %).

Alle Ranzen fielen in Bezug auf die Schadstoffe mit "ungenügend" durch, da jeweils der Gehalt an Phtalaten und DBT erhöht waren, Ersatzweichmacher verwendet wurden und die Ranzen PAK, phosphororganische Verbindungen und optische Aufheller enthielten.

Testsieger war der DerDieDas Fliegengewicht XS, außerdem befriedigend wurden noch der Sammies Optilight und der Scout Buddy beurteilt.
 
 

Was bleibt dann noch zum Ausprobieren übrig?

 
Laut Ökotest ja im Grunde nichts - nur braucht das Kind ja trotzdem einen Ranzen. Da dieser nun nicht auf dem nackten Rücken getragen wird und der Hautkontakt nur von kurzer Dauer ist, habe ich für mich resignierend beschlossen, die festgestellte Belastung billigend in Kauf zu nehmen.
 
Die Frage, ob unser Ranzen unbedingt die DIN-Norm erfüllen muss, kann ich für unsere Situation verneinen - unser Schulweg ist nicht sehr lang und mein Kind geht nur über eine einzige Straße, die eine Ampel hat. Da ich davon ausgehe, dass sie verlässlich auf dem Fußweg bleibt, ist die Leuchtkraft des Ranzens für mich nicht von primärer Bedeutung. Daher sind für mich eher die Haltbarkeit, Verarbeitung und die Handhabung bei der Kaufentscheidung wichtig.

Bereinigt man mal die Test-Ergebnisse um die Schadstoffbelastung und Sicherheit, gehen aus den Tests und Empfehlungen folgende Modelle ausnahmslos als empfehlenswert hervor:       

DerDieDas Fliegengewicht XS

Timeless 

Diese Modelle möchte ich in den nächsten Tagen gerne ausgiebig testen und einen gesonderten Artikel darüber schreiben. Empfehlenswert wäre auch der Optilight von Sammie gewesen - bei ihm läuft jedoch gerade die Lizenz aus, so dass das Modell (zumindest in der getesteten Ausführung) nicht mehr lange erhältlich sein wird. Er wird beim Test daher nicht dabei sein.
 
Optilight von Sammie


Einige meiner Freundinnen waren ganz begeistert vom Ergobag Rucksack - daher habe ich auch diesen Hersteller angefragt, ob sie uns zum Vergleich ein Testmodell zusenden. Als sie erfuhren, dass wir einen Ranzentest machen, haben sie uns dann das neueste Modell - den Ergobag cubo zugesendet - diesen werden wir zusätzlich genau unter die Lupe nehmen und mit den anderen vergleichen.
 
 © Danielle
 



Quellen







Bildnachweis

Kind vor Schulranzen: Helene Souza/pixelio.de
Kind mit Schultüte: Ingrid Ruthe/pixelio.de

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Stillen und Alkohol - warum gelegentlich ein Glas Wein, Bier oder Sekt unbedenklich sind

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Baby an der Brust und trinkt"Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren..."?

Für Schwangere sollte Alkohol absolut tabu sein, denn er hemmt die Entwicklung des Babys und kann - vor allem vor der 9. Schwangerschaftswoche getrunken - zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Ist die Organbildung abgeschlossen richtet er vor allem Schäden im kognitiven Bereich an. Es gibt keine untere tolerierbare Grenze - trinkt man (auch nur einmalig) in der Schwangerschaft Alkohol, vergiftet man sein Kind und setzt es einem unkalkulierbarem Risiko aus. Jährlich werden etwa 10.000 Kinder geboren, die unter alkoholbedingten Beeinträchtigungen leiden.

Wie aber sieht das eigentlich in der Stillzeit aus? So manche Mutter würde gerne wieder mal nach neun disziplinierten Monaten ein Glas Bier, Sekt oder Wein genießen. Und schließlich hört man doch auch immer mal wieder mal von Frauenärzten oder Hebammen, dass ein Glas Sekt sogar die Milchbildung anregen würde. Ich möchte in diesem Artikel der Frage auf den Grund gehen, ob man während der Stillzeit gelegentlich ein Glas Alkohol trinken kann.
 
 

Natürlich am sichersten: absolute Enthaltsamkeit beim Stillen


Ohne wenn und aber:
 
Nichts trinken ist am sichersten.
 
Das ist ganz zweifellos so und nicht diskutierbar. Allerdings ist die absolute Enthaltsamkeit während der Stillzeit nicht so weit verbreitet, wie man es möglicherweise vermuten würde.

Studien zeigen nämlich, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Müttern nach der Geburt den Wunsch hat, auch gelegentlich wieder ein Glas Alkohol zu trinken und dies auch tatsächlich tut. Eine Studie zum Stillverhalten bayrischer Mütter ergab beispielsweise, dass etwa 30 bis 80 % der Mütter in den ersten 9 Monaten nach der Geburt Alkohol tranken - die meisten davon aber eher selten und nur zu besonderen Anlässen. In weiteren Studien aus den USA und Australien lag die Zahl der Alkohol trinkenden Stillmütter zwischen etwa 40 und 50 %.
 
Da also offenbar ein nicht unerheblicher Teil der Mütter nicht vollkommene Enthaltsamkeit lebt, stellt sich die Frage: Ist Alkohol in der Stillzeit tolerierbar? Und wenn ja - in welchem Umfang und unter welchen Umständen?
 
 

Welchen Einfluss hat Alkohol auf die Milchbildung?


"Ein Glas Sekt regt die Milchbildung an!" Auch diese Empfehlung hört man gar nicht selten von Hebammen und Ärzten. Werdende Mütter werden teilweise sogar vom Krankenhaus ermutigt, zum Anstoßen auf die Geburt eine kleine Flasche Sekt mitzubringen. Die Annahme ist so weit verbreitet, dass manche Mütter sogar gezielt für die Milchbildung Sekt trinken.

Ob dem wirklich so ist, untersuchte eine Studie des Monell Chemical Senses Center in Philadelphia. Die Ergebnisse der Untersuchung belegten jedoch, dass das Gegenteil der Fall ist. Stillende Frauen bekamen abwechselnd Orangensaft mit oder ohne Alkohol zu trinken und wurden gebeten, danach Milch abzupumpen. Darüber hinaus wurden auch die auf die Milchbildung Einfluss habenden Hormone Oxytocin und Prolaktin bestimmt. Nach dem Konsum von Alkohol fiel es den Frauen schwerer, den Milchspendereflex auszulösen und sie produzierten auch insgesamt weniger Milch. Der Oxytocin-Spiegel sank signifikant, der Prolaktinspiegel erhöhte sich.

Eine anderere Studie ergab, dass Kinder - vermutlich wegen des Geschmacks - nach dem Alkoholkonsum ihrer Mutter insgesamt weniger Milch trinken. Es bleibt also festzuhalten, dass Alkoholkonsum in der Absicht, die Milchmenge zu steigern, nicht zu empfehlen ist.

 

Was passiert nach dem Trinken von Alkohol?

 
Alkohol geht während der kompletten Passage durch den Verdauungstrakt nach und nach ins Blut über. Deswegen steigt der Alkoholspiegel allmählich und erreicht seinen Höhepunkt erst nach etwa 30 bis 60 Minuten. Im Magen werden bereits 10 bis 30 % des reinen Alkohols resorbiert. Der größte Teil wird dann über den Dünndarm aufgenommen.
 
Wie viel Alkohol genau der Körper aufnimmt, hängt von mehreren Faktoren ab - zum Beispiel vom Geschlecht, von der Trinkgeschwindigkeit, der Tageszeit, der Zusammensetzung des Alkohols, dem Blutzuckerspiegel, der Magenfüllung, der Verweildauer im Magen usw. Sekt passiert wegen der Kohlensäure wesentlich schneller den Magen, daher steigt der Blutalkoholspiegel schneller an, als bspw. bei Wein.
 
Wichtig zu wissen ist: Die Alkoholspiegel im Blut und in der Muttermilch sind identisch. Deswegen nutzt es auch nichts, nach dem Alkoholgenuss Milch abzupumpen - das beschleunigt den Abbau nicht.
 

Wie lange dauert der Abbau von Alkohol?


Bezüglich des Abbaus von Alkohol speziell bei Frauen wurden verschiedene Studien durchgeführt. Bei allen lag die durchschnittliche Abbauzeit zwischen 0,1 und 0,2 g/kg Körpergewicht und Stunde.

Wenn man genau wissen will, wann der Alkohol komplett abgebaut ist, muss man den Alkoholgehalt des Getränks kennen. Zur schnelleren Orientierung habe ich eine Übersicht erstellt, der man entnehmen kann, wie viel g Alkohol die folgenden Getränke enthalten:


Gehalt Alkohol bei Bier und Wein
Alkoholgehalt in g für verschiedene Getränke


Trinkt eine 60 kg schwere Frau ein Bier (200 ml) mit 5 Vol.-%, dann hat sie 8 g reinen Alkohol aufgenommen. Wenn man ganz sicher gehen will, legt man einfach die niedrigste Abbaumenge (0,1 g/kg/Stunde) zugrunde:
 
60 kg x 0,1 g = 6 g/Stunde
 
Um die 8 g aus dem Bier abzubauen, benötigt der Körper also eine Stunde und 20 Minuten.
 
Als einfache Faustregel kann man sich merken: Eine Frau baut pro Stunde
  • 69 - 79 ml Sekt (mit 11 Vol.-%) und
  • 150 bis 174 ml Bier (5 Vol.-%)

ab.


Wie viel Alkohol geht in die Muttermilch über?


Weißwein und RotweinWas passiert eigentlich, wenn die Mutter genüsslich ein Glas Wein trinkt und das Baby plötzlich unerwartet aufwacht und die Brust verlangt?

Abschätzungen auf Basis experimenteller Untersuchungen zeigen, dass die Konzentration des Alkohols im kindlichen Körper bei einer moderaten Menge Alkohol (bis zu 0,25 l) sehr gering ist, denn es geht nur ein Teil des mit der Muttermilch aufgenommenen Alkohols in das Blut des Baby über.

Es wurde berechnet, dass nach dem Genuss eines Glases Wein (250 ml = ca. 32,5 g Alkohol) über einen Zeitraum von 30 Minuten das mütterliche Blutalkoholvolumen bei 0,59 ‰ liegt. Würde sie ihr Baby nach dem Austrinken sofort stillen, wären bei 
  • einem Neugeborenen 0,0034  ‰ (das entspricht 0,0305 g Alkohol)
  • bei einem dreimonatigem Baby 0,0039 ‰ (das entspricht 0,055 g Alkohol)
im Blut nachzuweisen.

Von dem, was die Mutter an reinem Alkohol (32,5 g) verzehrt, kommt im Blut des Neugeborenen also nur ein Bruchteil - gerade mal 0,094 % der Gesamtmenge an. Das entspricht knapp einem Zehntausendstel.
 
Was? Ein Zehntausendstel? Kann das wirklich sein? Ich war völlig verwirrt! Die Zahl stammt aus Seite 21 des Papiers "Alkohol in der Stillzeit - eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der Stillförderung" des Bundesinstitutes für Risikobewertung.
 
In dem Papier steht auch noch etwas anderes Interessantes drin - bekäme ein Neugeborenes Carminativum Hetterich, ein Mittel gegen Blähungen mit einem Alkoholgehalt von 34 Vol.-% (das speziell für Säuglinge zugelassen ist) in der empfohlenen Dosierung, dann würde es damit 0,138 g reinen Alkohol aufnehmen - das ist mehr als viermal so viel, wie nach dem Stillen nach einem Glas Wein. Behandelt man ein dreimonatiges Baby  mit Carminativum Hetterich, wären es mit 0,276 g sogar fünfmal mehr.
 
In dem Dokument steht aber eben auch, dass es sich um "Abschätzungen auf Basis experimenteller Untersuchungen" handelt - Experimente an echten Säuglingen kann man aus ethischen Gründen natürlich nicht vornehmen. Es handelt sich um reine Modellrechnungen - allerdings auf absolut fundierter wissenschaftlicher Basis. Mir ließ das keine Ruhe und ich recherchierte weiter.
 
An anderer Stelle fand ich auch eine schwedische Untersuchung, die besagte, dass von der Mutter konsumierter Alkohol nur zu etwa 2 % im Blut des Kindes ankommt. Daher sagt die schwedische National Food Administration sogar offiziell, dass bis zu zwei Gläser Alkohol in der Woche für Stillmütter unproblematisch sind. Ebenso lauten die amerikanischen, kanadischen und französischen Empfehlungen.
 
Wie viel Alkohol kommt denn nun wirklich beim Baby an? Ich beschloss einfach mal nachzurechnen. Ich hatte oben ja schon geschrieben - Blutalkoholgehalt und Muttermilchalkoholgehalt sind identisch - das ist wissenschaftlich zweifelsfrei belegt.

Die Berechnung des Blutalkoholes erfolgt mit der Widmark-Formel:
 
Promille = aufgenommener Alkohol (siehe Tabelle oben) / (0,6 x Gewicht in kg)
 
Für eine 60-kg-Frau mit einem 250-ml-Glas Wein (13 %) würde das also bedeuten:
 
Promille = 26 g / (0,6 x 60) = 0,72 ‰.
 
Die Angabe "‰" bedeutet, dass dieser Anteil ihres Blutes aus reinem Alkohol besteht. Promille bedeutet "Tausendstel" - also ein Liter Blut enthält dann 0,72 ml Alkohol. Der Alkoholgehalt der Muttermilch wäre exakt genauso hoch. Da dieser in Prozent, also "Hundertstel" angegeben wird, entspricht das 0,072 %. Das sind tatsächlich nur 2,2 % der ursprünglichen Alkoholmenge, die die Mutter zu sich nahm. 

Nun kann man einwenden, dass auch 0,072 % immer noch Alkohol ist, der ins Blut des Kindes gelangt - wie verschwindend wenig das jedoch ist, erkennt man beim Vergleicht mit den Alkoholgehalt verschiedener Nahrungsmittel:


Alkoholgehalt Muttermilch und Lebensmittel
Alkoholgehalt verschiedener Lebensmittel in %

Die Muttermilch enthält nach einem Glas Wein 0,72 % Alkohol - etwa eben so viel hat eine Apfelsaftschorle mit nur einem Viertel Saft. Verzehrt ein Kind eine reife normalgroße Banane mit 100 g, dann hat es mal eben 0,6 g Alkohol konsumiert - um den gleichen "Alkoholpegel" zu erreichen, müsste es 833 ml "weinverseuchte" Muttermilch trinken...

Die aufgenommenen Mengen sind also wirklich extrem gering, so dass nichts dagegen spricht, auch in der Stillzeit mal ein Glas Bier, Sekt oder Wein zu trinken. Idealerweise wartet man dafür natürlich eine längere Stillpause ab - aber selbst wenn das Baby sofort aufwachen und die Brust verlangen würde, wäre keine Auswirkung zu befürchten. Jedenfalls keine schlimmere, als durch eine Fruchtsaftschorle mit 25 % Saft.
 
 

Fazit 

 
BierglasDer von einer stillenden Mutter aufgenommene Alkohol geht nur zu einem Bruchteil in die Muttermilch über. Pro Stunde und kg Körpergewicht wird etwa 0,1 g Alkohol abgebaut. Wird das Kind gestillt, bevor der Alkohol abgebaut ist, nimmt das Kind so geringe Mengen auf, dass ein geringfügiger Alkoholkonsum vertretbar ist.
 
Entsprechend stellt sogar der Deutsche Hebammenverband fest, dass "Muttermilch mit einer Restmenge Alkohol darin immer noch besser für Babys" ist, "als Flaschennahrung". Bis zu 20 g Alkohol an einem Tag (natürlich nicht jeden!) ist demnach nach Ansicht des Verbandes vertretbar - das entspricht einem 0,5l-Glas Bier oder einem 0,2-l-Glas Wein.

Allerdings würde ich persönlich trotz der gesammelten Erkenntnisse während der Stillzeit mindestens im ersten Lebenshalbjahr bzw. bis zum Beikostbeginn keinen Alkohol konsumieren. Schließlich würde man Neugeborenen auch kein Stück Banane oder Apfelschorle anbieten.

Um es abschließend ganz deutlich zu sagen: Mit den Erkenntnissen aus diesem Artikel kann man guten Gewissens gelegentlich (und damit ist etwa ein bis drei mal monatlich gemeint) ein Glas (und damit ist auch tatsächlich nur eins gemeint!) Bier, Wein oder Sekt trinken - er soll bitte nicht als Rechtfertigung dienen, in der Stillzeit regelmäßig Alkohol zu konsumieren
 
Und noch ein sehr wichtiger Hinweis ganz zum Schluss:
 
Niemals (!) darf man nach dem Verzehr von Alkohol zusammen mit dem Kind im Elternbett schlafen - das ist einer der größten Risikofaktoren für SIDS und das Ersticken im elterlichen Bett.
 
© Danielle (mit  wirklich herzlichem Dank an Laetizia ;-)

 

Quellen



 
 
 
 
Bildnachweis 

stillendes Baby: Karin  / pixelio.de 


Schulranzen - Test und Vergleich von Scout Buddy, DerDieDas Fliegengewicht XS, Schoolmood Timeless und Ergobag cubo

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Unser Schulranzenvergleich - diese Ranzen haben wir getestet

*Werbung*
 
Ich hatte vor kurzem einen Artikel darüber geschrieben, worauf man beim Schulranzenkauf achten sollte. Nachdem ich alle Empfehlungen und Testberichte gewälzt hatte, kamen für mich folgende Ranzen infrage:
 
 
Wir haben uns mit den Herstellern dieser Ranzen in Verbindung gesetzt und angefragt, ob sie uns ein Testmodell zur Verfügung stellen, damit wir die Schulranzen ausprobieren und vergleichen können. Da uns alle Hersteller ein kostenloses Modell zugesendet haben, sind wir verpflichtet, den Artikel als Werbung zu kennzeichnen - er ist selbstverständlich dennoch vollkommen unabhängig.

Ich habe im Freundeskreis aber auch immer wieder begeisterte Stimmen zum Ergobag-Rucksack gehört. Dieser fiel bei Warentest zwar durch, aber als ich genauer nachlas warum genau, stellte sich heraus, dass das nur wegen der (angeblich) schlechten Sichtbarkeit und nicht ausreichender Wasserbeständigkeit geschah. Ich habe daher auch bei Ergobag nachgefragt, ob wir ihren neuen Schulranzen Ergobag cubo mittesten dürfen. 

Ihr könnt übrigens zwei unserer Testmodelle gewinnen - welche das sind und wie das genau funktioniert, erfahrt ihr am Ende des Artikels. 
 

Schulranzentest Testmodelle
Unsere Testmodelle (v.l.n.r.) Ergobag cubo, DerDieDas Fliegengewicht XS, Scout Buddy, Schoolmood Timeless
 

Einhaltung der DIN 58124

 
Diese DIN-Norm macht u. A. Vorgaben für die Verkehrssicherheit der Ranzen. Um der Norm zu entsprechen, muss mindestens 20 % der sichtbaren Fläche mit fluoreszierendem Material in den Farben gelb/orange-rot gestaltet sein. Weitere 10 % müssen aus silbernem, retroreflektierendem Material bestehen.

ReflektorsetVon unseren Testmodellen erfüllen sowohl der Scout Buddy, als auch der DerDieDas Fliegengewicht und der Timeless von Schoolmood die Norm. Der Ergobag cubo ist nicht nach der DIN 58124 zertifiziert. Man kann jedoch Leuchtflächen, die in vier verschiedenen Farben erhältlich sind, nachrüsten. Sie werden an den Reißverschlüssen, die sich außen am cubo befinden, befestigt und sorgen in den dunklen Jahreszeiten für eine bessere Sichtbarkeit. Da er jedoch kein retroreflektierendes Material hat, würde er auch damit nicht die Norm erfüllen.
 
 

Die Verschlüsse der Ranzen

 
Die vier Modelle haben ganz unterschiedliche Verschlüsse:
 
Verschluss ScoutVerschluss DerDieDas
 
Verschluss TimelessVerschluss cubo
 
Am besten hat mir der Verschluss des Ergobag gefallen. Allerdings erst, nachdem ich wirklich geschlagene fünf Minuten vergeblich versucht habe, ihn zu öffnen. Wie man auf dem Bild sieht, wird er seitlich leicht diagonal aufgeschoben - darauf muss man erst mal kommen. Wenn man verstanden hat, wie es geht, dann wartet die nächste Überraschung - der Verschluss ist quasi selbstschließend. Durch einen Magneten ziehen sich die beiden Teile sofort zusammen, sobald sie sich begegnen. Da das recht schwer zu erklären ist, habe ich das mal gefilmt:

 
Dass es durchaus nicht unwesentlich ist, dass sich ein Ranzen leicht verschließen lässt, zeigt sich beim Buddy - ich verzweiflte regelrecht daran. Während das Öffnen durch Druck an den Seiten wirklich super leicht und auch für Kinderhände bequem zu bewältigen ist, ist für das Verschließen ein relativ hohes Maß an Feinmotorik und Koordination erforderlich. Der Verschluss des Deckels muss in eine enge Rille gesteckt werden, die nicht so leicht zu treffen ist. Ein Freund von mir hat bestätigt, dass das im täglichen Gebrauch tatsächlich ein Problem ist. Mein Kind zeigte mir allerdings beim Praxistest, dass man den Verschluss gar nicht einfädeln muss, man kann ihn auch einfach am unteren Ende rein drücken. Dennoch erfordert das einige Geschicklichkeit, so dass er mich letztendlich nicht überzeugt.
 
Verschluss Scout Buddy
 
Der Verschluss des Fliegengewicht XS ist schön groß und sehr leicht zu schließen und zu öffnen. Es ist sehr wenig Kraftaufwand erforderlich und durch die Bauweise finden die Schnallen beim Schließen schnell zueinander. Zumindest dann, wenn man den Deckel ordentlich geschlossen hat, was nicht so ganz einfach ist.
 
Beim Timeless von Schoolmood ist das mit der Schnalle schon etwas fummeliger. Das Schnallenteil des Ranzens ist genau über der vorderen Tasche, so dass der Spielraum beim Öffnen und Verschließen eingeschränkt ist. Ich persönlich bin auch Klickgeräusche gewöhnt, wenn eine Schnalle geschlossen wird, so dass mich das Ausbleiben irritiert, aber das wird die Kinder (und Lehrer ;-) ja eher weniger stören. Es wird wenig Kraftaufwand benötigt und ich bin sehr gespannt, wie lange diese Schnalle hält - sie erscheint mir die am wenigsten robuste.
 
 

Die Deckel der Schulranzen

 
Nichts ist nerviger, wenn der Deckel des Ranzens ständig zufällt, während das Kind Stifte, Bücher und Hefte herausholt. Daher sollte bei einem guten Ranzen der Deckel offen bleiben und die bequeme Entnahme der Materialen ermöglichen.  
Deckel des ErgobagDeckel des Scout BuddyBeim Buddy (rechts) ist das gut gelöst - der Deckel lässt sich vollständig zurück klappen und bleibt dann in der Position. Genauso bequem ist das beim Timeless. Dieser hat auch einen sehr gut gepolsterten Tragegriff - etwas, das man bei den anderen Modellen vergeblich sucht - diese haben nur Schlaufen zum aufhängen.
 
Beim Ergobag (links)  bleibt der Deckel zwar auch offen, lässt sich aber nicht komplett zurückklappen. Kippt der Ranzen leicht nachvorne, fällt einem der Deckel recht schnell auf die Hand.
 
Der DerDieDas fällt nach dem Öffnen im Grunde von allein sofort wieder zu, was ich total nervig fand. Allerdings gehe ich davon aus, dass das nur so ist, wenn er neu ist. Ich habe ihn daher über Nacht offen stehen lassen, damit sich das Material an diese Position gewöhnt - mit dem Ergebnis, dass er danach zumindest gelegentlich offen blieb. Außerdem ist der Deckel so konzipiert, dass er mit einer gewissen Akkuratheit geschlossen werden muss - fällt er nicht mehr automatisch zu, ist es eine gewisse Fummelei, ihn korrekt zu schließen.
 
 
 

Innenaufteilung

 
Die Innenaufteilung ist sehr unterschiedlich gestaltet. Am spartanischsten ist der Fliegengewicht XS - er hat eine abgetrennte Tasche an der Rückwand für Bücher und eine kleine Tasche, die vorne an der Wand ist. Es ist außerdem ein plastikumhülltes Schild an einer Schnur befestigt, auf dem der Name des Kindes vermerkt werden kann. Innen im Deckel ist ein durch eine Plastikhülle geschützter Stundenplan. Das Kunststoffmaterial der Taschen ist recht dünn, so dass ich mir etwas Sorgen machen würde, wie es um die Haltbarkeit bestellt ist.
 
Innenraum DerDieDas Fliegengewicht XS
 
Der Buddy hat ebenfalls eine vordere und eine hintere Tasche. Auf der hinteren Tasche sind zwei weitere mittelgroße aufgenäht. Auch auf der vorderen Tasche sind zwei zusätzliche Taschen angenäht, so dass man 6 Extrafächer verschiedener Größen hat. Die Taschen erscheinen recht stabil und sind aus einem stoffähnlichen Material. Es befindet sich ebenfalls ein Namensschild an einer Schnur im Ranzen. Auch in diesem Ranzen wurde ein Stundenplan gut sichtbar integriert (zwischen Deckel und Fach).
Innenraum Scout Buddy
 
Im Timeless gibt es keine Tasche an der Vorderwand, er hat aber zwei Büchertaschen an der Rückwand. Diese sind größenverstellbar (siehe Bild) - nach dem Packen wird ein elastisches Gummiband mit einer Schnalle verschlossen. Ich finde die Idee des variablen Innenraums auf den ersten Blick wirklich gut, frage mich aber, ob das für Kinder praktikabel ist. Auch beim Timeless gibt es einen Stundenplan im Deckel.
 
Innenraum TimelessInnenraum Timeless

Im Innenraum des cubos gibt es ebenfalls eine Büchertasche. Elastische Bänder sorgen dafür, dass sie in geringem Maße vergrößerbar ist, die Bücher aber dennoch sehr rückennah getragen werden. An der Vorderseite gibt es eine kleinere Tasche, die mit einem Reißverschluss verschlossen werden kann. Es wird außerdem eine Heftbox aus Kunststoff mitgeliefert, damit diese im Innenraum nicht geknickt werden. Im Deckel ist eine weitere Tasche mit Reißverschluss für den separat bestellbaren Regenschutz.

Innenraum Ergobag cubo

Hier noch eine Übersicht zum Innenvolumen:
  • Buddy 16 Liter (+ 3,1 l in den Außentaschen)
  • Fliegengewicht XS 18 Liter
  • Timeless 19 Liter (+ 4 l in den Außentaschen)
  • cubo 19 Liter.

Außentaschen


Seitentaschen der getesteten Schulranzen

 
In die recht großzügigen, mit Klett verschließbaren Außentaschen des Buddy passen normale SIGG-Flaschen gut hinein, ohne das man groß fummeln muss. Etwas pfriemeliger ist es, eine Brotbox in der Vordertasche zu verstauen, weil sie sich nur auf einer langen Seite öffnen lässt. Eine SIGG-Büchse geht noch ganz gut - bei der relativ großen Tchibo-Brotbox muss ich schon ziemlich quetschen. Die Taschen sind so geschnitten, dass die Sachen trocken bleiben bei Regen (was ich noch testen werde).
 
Außentasche Fliegengewicht XS
Der Fliegengewicht XS verfügt nur über dünne Stecktaschen. Es ist relativ mühselig, die Flaschen dort zu verstauen, weil der obere Gummibund recht eng ist. Das führt aber dazu, dass die Flasche auch fest sitzt und beim Herunterbeugen nicht heraus fällt. Auch hier bin ich gespannt, wie haltbar der Gummizug sein wird. Die vordere Tasche lässt sich rundherum auf drei Seiten öffnen, wodurch das Verstauen der Brotbox komfortabler als beim Buddy ist. Allerdings passte meine kleinere Sigg-Brotbox gerade so hinein - der Reißverschluss ließ sich nur sehr schwierig schließen. Die größere Tchibo-Box passt nicht. Es ist also erforderlich, extra flache Brotboxen zu kaufen - ob da aber genügend Brote für Vielesser rein passen?
 
Außentasche TimelessDer Timeless hat die größten Außentaschen. Eine Sigg-Flasche (bzw. eine 0,6 l-Flasche) passt ganz genau hinein. Höheren Flaschen würden auch Platz finden - die Tasche wäre dann jedoch nicht mehr verschließbar. Ganz raffiniert: Die Taschen haben Löcher, so dass undichte Flaschen auslaufen können und sich nichts in der Tasche sammelt. Die Seitentaschen sind deutlich breiter, als bei den anderen Modellen - Brotboxen passen jedoch nicht hinein. Die vordere Tasche lässt sich halbrund öffnen und ist ebenfalls deutlich größer, als bei den anderen Ranzen. Auch große Brotboxen passen problemlos hinein. In der Tasche ist auf der Rückseite noch eine kleinere Tasche mit zwei Fächern eingenäht.

Außentaschen sucht man beim cubo vergeblich. An den Seiten befinden sich halbe Reißverschlüsse, an denen sich die zusätzlichen Leuchtflächen befestigen lassen. Eine Trinkflasche lässt sich in der vorderen Tasche unterbringen - dort ist eine entsprechende Lasche vorgesehen. Daneben passt auch bequem eine Brotbox. Die Tasche beult sich nach innen ein, so dass der Platz dann im Ranzen weniger wird. Allerdings ist dieser auch größer, so dass es letztendlich kaum einen Unterschied macht.
 
Außentasche Ergobag
Außentasche Ergobag



 

Zubehör

 
Die Ranzen sind oft als Sets erhältlich - im selben Design gibt es dann verschiedenes Zubehör wie eine Sporttasche, einen Brustbeutel und eine Federtasche dazu.
Set Scout Buddy
Der Buddy ist in einem 4-teiligen Set erhältlich. Zum Ranzen gibt es eine Sporttasche, eine Federtasche und eine Schlüsseltasche dazu - im Vergleich zu den anderen ist das eher mager. Die Sporttasche ist simpel und wirkt robust, mich stört jedoch der lose Plastikboden, der in der Tasche umher fliegt. Die Schlüsseltasche ist ebenso simpel und robust - leider fehlt hier ein Fahrkartenfach. In der Federtasche ist eine Grundausstattung von enthalten. Neben 12 bruchgeschützten, dreikantigen ergo soft-Buntstiften von Staedtler sind ein Bleistift, ein Lineal, ein Radiergummi und ein Anspitzer enthalten.

Set DerDieDas Fliegengewicht XS
Zum DerDieDas-Ranzen gibt es ebenfalls eine Sporttasche, einen Brustbeutel, eine Federtasche und ein Schlampermäppchen dazu. Und einen gelben Beutel, in dem das Zubehör steckt. Die Sporttasche ist etwas leichter zu öffnen (zwei parallele Reißverschlüsse, statt einer mit zwei Kurven. Sie verfügt außerdem über ein Nassfach - man kann von außen eine der schmalen Seiten öffnen und dort bspw. einen Badeanzug hineinstecken, ohne dass der Rest in der Tasche nass wird. Der Brustbeutel ist mit Sichtfenster versehen, so dass man ggf. eine Fahrkarte dort aufbewahren kann. In der Federtasche sind 15 dreikantige Noris Club-Stifte mit Antibruchsystem, zwei Bleistifte sowie Lineal, Anspitzer und Radiergummi enthalten.
 
Set TimelessIm 5-tlg. Set vom Timeless ist eine Sporttasche enthalten, die sich wie ein Rucksack tragen lässt. Dieser wird oben mit einer Kordel verschlossen. Er hat sogar fluoriszierende und reflektierende Flächen und kann mit Klettverschlüssen am Ranzen befestigt werden. Die Schultergurte sind leicht gepolstert. Es gibt ein extra Nassfach, das auf der Vorderseite mit einem Reißverschluss verschließen kann. Auch ein Brustbeutel mit einer schönen Inneneinteilung und ein Schlampermäppchen gehören dazu. Ebenso eine Federtasche, die mit 10 dünnen und 8 dicken Stabilo-Dreikant-Stiften, zwei Bleistiften (einer dick, einer dünn), einem Lineal, einem Zweifachanspitzer und einem Radiergummi ausgestattet ist. Für mich das qualitativ hochwertigste Zubehör!
 
Set cuboDas Ergobag-Set enthält auch einen Turnbeutel  mit (kleinen) reflektierenden Flächen und einem extra zu verschließenden Außennassfach. Die Trageschnüre sind nicht gepolstert, was ihn weniger komfortabel im Vergleich zu dem von Timeless macht. Dafür verfügt er aber über einen Brustgurt, der das Herunterrutschen von den Schultern verhindert. Das Schlampermäppchen ist stabiler und durch die Innengestaltung auch schöner. Der Brustbeutel hat ein transparentes Fahrkarten-Fach. Die Federtasche wurde ebenfalls von Stabilo ausgestattet - hier mit 10 dünnen dreikantigen GREEENcolours-Stiften und 6 dicken GREENtrio-Stiften. Ergänzt wird das ganze mit einem Lineal, einem Radiergummi und einem Zweifachanspitzer.
 

Rückenteil und Tragegurte


Die Gestaltung des Rückenteils und der Tragegurte sind entscheidend für den Tragekomfort. Die Gurte dürfen nicht am Hals einschneiden und sollten etwa 4 cm breit sein, damit sich das Gewicht ideal verteilt. Hier eine Rückansicht der Ranzen, bei der man deutlich die Unterschiede erkennt:


Rückansicht der getesteten Ranzen
oben links: Scout Buddy - oben rechts: DerDieDas Fliegengewicht
unten links: Schoolmood Timeless - Ergobag cubo

Bezüglich der Rückengestaltung hat mir der Buddy am wenigsten gefallen. Er verfügt weder über Brust- noch über einen Hüftgurt - das Gewicht lastet also ausschließlich auf den Schultern. Die Polsterung des Rückenteils ist im Vergleich zu den anderen wirklich hart. Tiefe Rillen sorgen für die Belüftung. Auch die Tragegurte überzeugen nicht - sie sind nicht wirklich gut gepolstert und mit 5 cm eher vergleichsweise schmal. Wenigstens ist an den Stellen, an denen die Gurte mit dem Hals in Kontakt kommen, die Polsterung etwas weicher und mit einem atmungsaktiven Stoff überzogen.
 
Der Fliegengewicht gefiel mir nur ein kleines bisschen besser. Die Gurte sind ebenfalls eher hart, starr und schmal (5 cm) und es fehlt hier eine bessere Polsterung am Hals. Dafür ist das Rückenpolster viel weicher und angenehmer, als beim Buddy. Für die Belüftung sorgt ein entsprechender Stoff und dass einzelne Teile der Rückenpolsterung weit abstehen. Allerdings ist ein großes Plastik-Markenschild oben mittig platziert, das unangenehm drücken kann. Auch der Ranzen von DerDieDas hat keinen Brust- oder Hüftgurt.
 
Am besten hat mir rein vom Gefühl her das Rückteil des Timeless gefallen. Die Gurte sind super weich, flexibel und in der Halsgegend mit einem besonders weichem und angenehmen Stoff gestaltet. Sie beginnen auch nicht einfach so am oberen Rand, sondern entwickeln sich aus einem größeren Teil. Sie sind mit 5,5 bis 6,5 cm auch breiter. Der Timeless hat sowohl einen weich gepolsterten Hüftgurt als auch einen Brustgurt. Dieser ist höhenverstellbar (Spielraum ca. 4 cm) und abnehmbar. Das Rückenteil ist weich gepolstert und durch die Gestaltung sehr luftig. Der Beckengurt kann im Rucksack verstaut werden, was ich sehr praktisch finde.
 
Der Ergobag cubo ist ähnlich gestaltet, jedoch insgesamt härter.Die Gurtpolsterung ist nicht ganz so angenehm ist, wie beim Timeless, jedoch ähnlich breit (6,5 cm) und im Halsbereich zwar mit atmungsaktiven Stoff überzogen, der aber etwas rau wirkt. In jedem Fall Welten besser, als beim Buddy und dem Fliegengewicht XS. Beim cubo ist allerdings die Belüftung überzeugender gestaltet und erinnert an hochwertige Treckingrucksäcke. Der Brustgurt ist nicht abnehmbar aber deutlich weiter (10 cm) und unkomplizierter höhenverstellbar. Der Hüftgurt ist breiter und länger und damit angenehmer zu tragen.
 
 

Beurteilung der Schulranzen durch meine Tochter

 
Ich habe alle Ranzen gleich gefüllt und mein Kind damit jeweils eine bestimmte Strecke laufen lassen. Wir begannen mit dem Scout, bei dem sie - ohne einen anderen Ranzen aufgehabt zu haben - sofort meinte: "Der ist aber hart!" Dennoch sagte sie, dass er sich recht angenehm tragen lasse. Den DerDieDas-Ranzen fand noch etwas besser. Als ich ihr den Ranzen von Schoolmood aufschnallte, fragte sie erst einmal erstaunt, ob da überhaupt etwas drin sei. "Superbequem!" war ihr Urteil. Als sie danach den Ergobag auf dem Rücken hatte, meinte sie ganz empört: "Oh nee, der drückt ja!" Als ich sie fragte: "Wo denn" sagte sie nur "Überall!"

Ich war überrascht und holte meinen Sohn dazu. Ich muss dazu sagen - mein Sohn ist völlig vernarrt in den Ergobag - seit Tagen schleppt er ihn durch die Gegend und beschäftigt sich hingebungsvoll mit den Kletties (siehe unten). Als er aber den Timeless zum Vergleich trug, meinte er ganz erstaunt: "Der ist schöner!" - obwohl er ihn vorher keines Blickes gewürdigt hatte (er hat ja schließlich Mädchenfarben - ein ernsthaftes Problem für Dreijährige!).

Wie man an den folgenden Bildern erkennt, sitzen die ersten drei Ranzen wirklich sehr gut und rückennah. Der Ergobag knickt nach hinten weg und lässt im oberen Bereich viel Freiraum. Ich habe die Gurte jedoch schon so eng wie möglich angezogen, so dass es da keinen Optimierungspotenzial gibt. Er ist auch auf die richtige Körperlänge eingestellt (die Länge des Rückenteiles ist verstellbar) und saß trotzdem nicht ideal.

Scout Buddy getragenFliegengewicht XS getragenTimeless getragenErgobag cubo getragen
 
 

Der Regentest


Zum Schluss habe ich den ultimativen Regentest gemacht. Bei herrlichstem Brandenburger März-Dauer-Landregen habe ich die Ranzen nach draußen gestellt. Nach etwa zwei Stunden waren alle wirklich kräftig beregnet.


Vier nasse Schulranzen

Um herauszufinden, ob die Ranzen wirklich wasserfest sind, hatte ich jeweils in die Vordertasche, am Deckel und auf dem Boden des Hauptfaches ein Küchentuch gesteckt.

Diesen Test definitiv gewonnen hat der Scout Buddy - er war auch nach zwei Stunden Dauerregen noch vollkommen trocken - sowohl unter dem Deckel, als auch in der Vordertasche sowie im Hauptfach. Irgendwie hatte man das Gefühl, er könne auch die komplette Nacht draußen stehen und es würde nichts passieren.

Platz 2 in diesem Test geht an den DerDieDas-Ranzen. Dort waren Hauptfach und Deckel vollkommen trocken. Allerdings sah das im vorderen Fach anders aus - dort zeigte das Küchentuch, dass von unten durch die Ablaufösen Feuchtigkeit eingedrungen war. Allerdings befindet sich im vorderen Fach ja meist die Brotdose (wenn sie denn rein passt), so dass das nicht wirklich problematisch ist.

Außentasche des Fliegengewicht XS

Der Timeless war sowohl im Hauptfach unten als auch im vorderen Fach komplett trocken. Allerdings waren leichte Spuren von Feuchtigkeit zu finden. Sie waren wirklich nur ganz leicht (auf dem Bild am oberen Ran) und die Regenprobe hat wirklich härteste Bedingungen simuliert - Bücher und Hefte wären ganz sicher noch trocken gewesen. Aber dennoch belegt der Ranzen von Schoolmood damit nur den 3. Platz.

Nasser Deckel des Timeless nach Regentest

Am nassesten wurde der Ergobag. Zwar waren Boden und vordere Tasche genauso trocken, wie bei den anderen Ranzen, der Deckel war jedoch ordentlich durchnässt - vor allem an den Ecken begann das Wasser allmählich einzudringen.

Nasser Deckel des Ergobag nach Regentest
Nasser Deckel des Ergobag nach Regentest

 
 

Nette zusätzliche Spielerei


Was ich vorher noch gar nicht kannte, waren die "Patchies" bzw. "Kletties", die es beim Timeless und beim cubo dazu gibt. Dabei handelt es sich um runde, flexible Plastikschilder, die auf dem Ranzen angebracht werden können. Im Lieferumfang ist ein Satz enthalten (beim cubo fünf verschiedene, beim Timeless drei gleiche), man kann weitere Motive nachkaufen. Beide Hersteller bieten auch Blankokletties, die man nach Belieben gestalten kann. Beim Timeless gibt es bei allen Modellen ein kleines Glücksschwein-Kuscheltier dazu.
 
 

Übersicht der Testergebnisse


In der folgenden Übersicht habe ich die Stärken und Schwächen der Ranzen zusammengefasst:
 

 

Fazit


Mich persönlich haben zwei Modelle absolut überzeugt - der Timeless und der cubo. Bei meiner Tochter hingegen ist der cubo durchgefallen - sie findet ihn sehr unbequem. Da bewahrheitet sich, dass der Schulranzen einfach zum Kind passen muss. Bei der Tochter meiner Freundin passte er absolut perfekt (sie ist mit 114 cm deutlich kleiner als meine Tochter mit 128 cm). Qualitativ haben mich beide Ranzen absolut überzeugt. Aus optischen Gründen hätte ich den Timeless auch schon fast ausgeschlossen, aber er hat mich in Bezug auf die Handhabung dann wirklich begeistert. Er ist wirklich gut durchdacht und in Bezug auf die Gurte und die Polsterung am hochwertigsten. Den Ergobag finde ich am schönsten - aber er unterliegt bei meinen Kindern dem Timeless in punkto Tragekomfort eindeutig. 

Der Scout Buddy ist zweifellos außerordentlich stabil - er hat als einziger Ranzen Plastikwände an der Seite. Ich war außerdem beeindruckt, wie wasserdicht er war. Der Verschluss jedoch ist relativ nervig und auch das Verstauen von Brotdosen eher mühselig. Wenn ich einen Rabauken hätte, von dem ich weiß, dass er den Ranzen nicht allzu pfleglich behandeln wird und ihn auch mal im Regen stehen lässt, dann würde ich mich für dieses Modell entscheiden. 

Der Fliegengewicht XS ist super leicht und klein - allerdings ist das Material dadurch entsprechend dünn und es passt keine große Brotbox hinein. Mir persönlich gefallen die Designs der Ranzen am besten, aber das ist ja sehr subjektiv. Sein großer Vorteil ist das Gewicht - diesbezüglich ist er absolut unschlagbar. Da meine Tochter aber eher riesig ist, konnte er damit bei ihr nicht punkten.

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Verlosung


Mein Sohn hat den Ergobag ja bereits adoptiert und zu "mein Tchulrantz" erklärt. Er ist total verliebt in den cubo und rückt ihn einfach nicht mehr heraus. Meine Tochter hat sich letztendlich für den Timeless entschieden, weil sie den am bequemsten fand.

Bei mir daheim stehen jetzt also der Buddy und der Fliegengewicht XS herrenlos herum, die ich gerne an Euch verlosen möchte. Die Ranzen sind neu und nur von uns ausgiebig getestet. Ihr bekommt natürlich das komplette Set zugeschickt. Ich wüsste gerne von Euch nach dem ersten Schuljahr, wie sich die Ranzen bewährt haben.

Alles, was ihr dafür tun müsst, ist diesen Artikel auf unserer Facebook-Seite oder hier zu kommentieren und zu vermerken, welches Modell ihr gerne haben möchtet. Über das Teilen bei Facebook freuen wir uns auch sehr - das ist jedoch keine Teilnahmevoraussetzung! Die (rechtlich für jede Verlosung erforderlichen) Teilnahmebedingungen findet ihr hier.

© Danielle
 
 
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Wenn Kinder ohne Kneifen, Knibbeln oder Tragen nicht einschlafen

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Wie schafft man es, dass das Kind ohne elterliche Hilfe einschläft?

 
Babys und Kleinkinder können in Bezug auf das Einschlafen und Schlafen nicht verwöhnt werden. Das heißt aber nicht, dass sie sich nicht an bestimmte Abläufe und Rituale gewöhnen - diesen Umstand können Eltern ausnutzen, um das Ein- und Durchschlafen einfacher zu gestalten oder das Kind an sein eigenes Bett zu gewöhnen. So lange nichts dagegen spricht, fühlen sich die meisten Kinder mit Einschlafbegleitung im Familienbett am wohlsten - aber manchmal wird es notwendig, das Einschlafritual oder die Schlafsituation sanft zu beeinflussen.

Im folgenden Artikel soll es um Schlafsignale gehen. Diese sind winzige Rädchen im großen Getriebe des kindlichen Schlafs und doch kann man, wenn man an ihnen dreht, so einiges zum Positiven wenden.
 
 

Was sind Schlafsignale?

 
Schlafsignale sind alle Arten von wiederkehrenden Abläufen, Umständen und Gegenständen, die dem Kind in ihrer Gesamtheit zeigen: Jetzt geht es ins Bett. Wird das Kind ausgezogen, werden seine Zähne geputzt und ihm der Schlafanzug angezogen, so wären das drei Signale, die das Gehirn darauf vorbereiten, bald in den Ruhemodus zu schalten.
 
Einige Schlafsignale werden von den Eltern bewusst eingeführt (Rituale), andere schleichen sich mit der Zeit einfach ein und können sogar unangenehm werden (Kind kneift die Hand der Mutter oder dreht ihre Haare zum Einschlafen). Allen gemeinsam ist, dass es ein paar Wochen dauert, bis diese Signale tatsächlich müdigkeitsfördernd wirken. Sind sie jedoch einmal etabliert, hält das Kind stark an ihnen fest, so dass ein Abgewöhnen schwierig ist.
 
 

Rituale helfen beim Einschlafen

 
Ich denke, alle Eltern wissen, dass Rituale am Abend förderlich sind und ganz bestimmt haben fast alle von euch bereits eins eingeführt. Deshalb werde ich hier nur kurz auf sie eingehen. Unser einjähriger Sohn z. B. darf abends, wenn er ausgezogen wurde, auf den Tritt am Waschbecken klettern und dort eine Weile mit dem Wasser planschen. Dieses Ritual ist fester Bestandteil seiner Zubettgehzeit. Als er noch kleiner war, wurde er, nachdem er den Schlafanzug anbekommen hatte, eingepuckt. Er brauchte diese Eingrenzung und freute sich schon, wenn ich ihm das Pucktuch zeigte. Dann wird er, auch heute noch, in den Schlaf gestillt, da er keinen Nuckel nimmt. Bei meinen Töchtern haben wir es damals so gemacht, dass sie zwar im Bett gestillt wurden, aber nicht bis zum Einschlafen. Sie tranken sich satt, dockten ab und bekamen dann den Nuckel. Für sie war also nicht die Brust, sondern der Nuckel das entscheidende Einschlafsignal.
 
Unser Ritual ist also: Ausziehen, mit Wasser planschen, Zähne putzenWindel und Schlafanzug anziehen, ins Schlafzimmer gehen und ins Familienbett legen, Einschlafstillen. In der wiederkehrenden Reihenfolge dieser Schlafsignale erkennt mein Sohn demnach, dass er nun schlafen soll und da ich meist den richtigen Zeitpunkt abpasse, zu dem er auch wirklich müde ist, wirken sie in ihrer Gesamtheit einschlaffördernd.
 
Andere Schlafsignale in anderen Familien könnten sein: Schlafsack anziehen, allen einen Gute-Nacht-Kuß geben, Kuscheltier in den Arm nehmen, Nachtlicht anknipsen, Spieluhr aufziehen, Schlaflied singen, die Gardine zuziehen, die Jalousie runterlassen etc.
 
Unser Ritual für den Mittagschlaf hat sich bei uns eher unbewusst mit der Zeit entwickelt. Ich bringe zusammen mit meinem Sohn seine großen Schwestern in den Kindergarten, nehme ihn dann in die Trage und fahre zu meinem Lieblingscafé, in dem ich am Vormittag blogge. Da mein Sohn meist gegen 5 Uhr aufsteht, ist er schon recht müde, wenn ich im Café ankomme. Deshalb stelle ich mich dort vor die Tür (mit ihm in der Trage), wippe auf und ab und singe dabei ein Schlaflied, das ich für ihn schon gesungen habe, als er noch in meinem Bauch war. Auch das Auf- und Abwippen kennt er noch aus der Zeit aus meinem Bauch. Eine Zeit lang gehörte zu dem Ritual auch dazu, meine Tragejacke ganz zu schließen, damit er von den visuellen Reizen ringsherum abgeschirmt war.
 
Wie ihr lesen könnt, braucht er bei diesem Ritual das Einschlafstillen nicht - es reicht, wenn die anderen Schlafsignale aktiviert werden. Diese Kombination habe ich nicht bewusst als Ritual eingeführt, sondern sie ist nach Versuch und Irrtum entstanden. Ich habe einfach ausprobiert, wie er am besten Einschlafen kann. Ich habe es im Café auf dem Arm versucht, im Kinderwagen vor dem Café etc. und wie es sich in einer feinfühligen Beziehung gehört, haben wir zwei uns so miteinander abgestimmt, dass für uns beide eine angenehme Einschlafsituation herauskam.
 
 

Unbewusst eingeführte Schlafsignale

 
Als meine Töchter noch klein waren, trug ich sie oft in der Trage und weil sie dabei neugierig umher guckten, fing ich an, meine Hand auf ihr Ohr zu legen, um damit gleichzeitig die Sicht etwas einzuschränken. Dieses Hand-aufs-Ohr-Legen war ihnen so angenehm, dass es schnell zum Einschlafsignal wurde. Leider fingen sie an, dieses Signal auch abends im Bett einzufordern - ich sollte neben ihnen liegen und meine Hand auf ihr Ohr legen. Das war logistisch für mich natürlich schwer machbar und nervte mich irgendwann sehr.

Ein zweites, unbewusst eingeführtes Signal war bei uns das Ruckeln im Wagen. Neben meinem Lieblingscafé gibt es einen sehr, sehr langen Gehweg, dessen Oberfläche sehr schlecht gewartet ist. Man kann darauf kaum laufen, ohne andauernd über Wurzeln, aufgespaltenen Beton oder lose Steine zu stolpern. Für uns war dieser Gehweg aber ideal, denn der Kinderwagen wackelte darauf so extrem, dass meine Töchter wunderbar in den Schlaf geruckelt wurden. Wir nannten den Weg deswegen sogar "Magic Sidewalk", da es darauf keine Minute dauerte, bis meine Töchter schliefen - das Schlafsignal "Ruckeln" war etabliert. Leider bedeutete das auch, dass ab diesem Zeitpunkt Wege, die nicht so verfallen und ruckelig waren, nicht mehr so gut funktionierten - meine Töchter fanden auf geraden Straßen nur sehr, sehr schwer in den Schlaf. Zum Einschlafen fehlte ihnen ein wichtiger Bestandteil: Im Kinderwagen liegen, Nuckel im Mund,  Schlaflied hören, ruckeln und schuckeln. Ohne das vierte Signal war dem Gehirn meiner Töchter nicht 100% klar, dass Schlaf angesagt war.

 

Unangenehme Schlafsignale

 
Es gibt Schlafsignale, die vom Kind eingeführt werden und die am Anfang von den Erwachsenen eher geduldet werden, weil sie dem Kind offensichtlich helfen, zur Ruhe zu kommen. Diese steigern sich mit der Zeit dann aber oft so sehr, dass sie für die Eltern unangenehm oder sogar schmerzhaft sind. Manche Kinder mögen es z. B., an der Haut der Eltern zu knibbeln. Oft an der losen Haut zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger. Beliebt ist auch das Zwirbeln mit den Fingern an der freien Brustwarze während des Stillens. Viele Kinder drehen gern die Haare der Mutter um ihren Finger während des Einschlafens und ich kenne einige Kinder, die den Finger in den Mund der Eltern stecken, weil sie das nasse, warme Gefühl mögen.

Anfangs sind diese kleinen Macken oft gut auszuhalten und die Eltern erdulden sie gern, weil sie das schnelle Einschlafen des Kindes garantieren. Leider steigert sich das Ganze oft nach einiger Zeit und ist dann für die Eltern nicht mehr lustig. Denn wenn die Haare so lange gedreht und gedreht werden, dass die Kopfhaut schon weh tut oder nicht mehr nur ein Finger in den Mund gesteckt wird, sondern mehrere, oder wenn im Mund an den Zähnen gekratzt wird oder die elterliche Zunge untersucht wird, dann ist die Grenze des Aushaltbaren eindeutig überschritten.

Relativ häufig ist es so, dass Eltern ihr Baby im Arm in den Schlaf tragen. Dieses Tragen  funktioniert so gut, dass es zunächst einmal gern beibehalten wird. Werden die Kinder aber größer und erreichen ein gewisses Gewicht, wird das allabendliche Einschlaftragen zur Tortur für Arm und Rücken der Eltern - sie möchten es dann gern wieder abschaffen.

Das Problem ist dann aber: Dieser Zustand des Getragen-Werdens (oder auch das das Knibbeln oder Drehen oder Kneifen)  ist für das kindliche Gehirn schon als Schlafsignal etabliert, d. h. das Kind denkt, dass es unausweichlich zum Einschlafen dazu gehört. Es hat das Gefühl, dass es ohne dieses Signal nicht einschlafen kann und wird vehement dafür kämpfen, dass es beibehalten wird. Das geschieht nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil das Gehirn so sehr an dieses Signal als Bestandteil des Einschlafens gewöhnt ist, dass es in echte Unruhe gerät - in diesem Zustand kann natürlich kein Kind einschlafen.
 
Fast alle Kinder machen diesen Zustand der Unruhe durch bei der Schnullerentwöhnung. Während das Abgeben des Schnullers tagsüber meist kein Problem darstellt, werden die meisten Kinder doch panisch und weinerlich, wenn sie das erste mal ohne den Schnuller einschlafen sollen. Ganz klar - dem Gehirn fehlt an diesem Punkt ein wichtiges Schlafsignal (das Schnullern), deshalb dauert es zunächst ein paar Tage viel länger, bis das Kind tatsächlich in den Schlaf findet.

An der Schnullerentwöhnung sieht man aber auch, dass es möglich ist, dass ein Kind lernt, ohne ein bestimmtes Schlafsignal einzuschlafen - d. h. Eltern können  und sollten Schlafsignale, die ihnen weh tun, abschaffen. Es ist möglich, Ersatzobjekte zu geben, diese werden jedoch meist ungern angenommen, so dass überlegt werden kann, ob eine Umgewöhnung auf das Ersatzobjekt für das Kind nicht genauso schwierig ist, wie das komplette Abgewöhnen dieses Schlafsignals.
 
 

Wie gewöhnt man ein schmerzhaftes Schlafsignal ab?


Schlafsignale können behutsam Schritt für Schritt abgeschafft oder ausgetauscht werden, wenn sie für die Eltern unhaltbar geworden sind. Ein Zehn- Kilo-Kind für 5 Minuten in den Schlaf zu tragen mag möglich sein, aber wenn es eine halbe Stunde oder gar eine ganze Stunde dauert, dann werden die Kräfte der Eltern unnötig stark strapaziert.

Bei der Abgewöhnung ist es wichtig, die anderen Schlafsignale des Rituals beizubehalten. Wollt ihr also das Einschlaf-Tragen abgewöhnen, dann würden vorher alle Signale weiterhin gesendet, bspw.: Ausziehen, Zähne putzen, Windel wechseln, Schlafanzug anziehen, Stillen, Schnuller. Das Gehirn des Kindes würde also Schritt für Schritt darauf vorbereitet werden, dass nun die Schlafphase beginnen soll. Es "wartet" allerdings noch auf das letzte Signal und ich würde, da ich immer für einen sanften Wechsel bin, zunächst einmal mit dem Tragen beginnen. Nach einer kurzen Weile würde ich mich jedoch mit dem Kind im Arm hinsetzen. Das weicht vom normalen Tragen ab, deshalb wird das Kind dagegen protestieren und wacher werden. Also würde ich wieder aufstehen und es weitertragen - mich jedoch irgendwann wieder hinsetzen. Diese Art der achtsamen Entwöhnung nennt man "sanftes Ablösen" - wir haben darüber ausführlich in einem anderen Artikel geschrieben. Dieses Tragen und Hinsetzen würde ich ein paar Tage lang durchziehen, bis es im Gehirn das Einschlaftragen als Signal abgelöst hat. Auf diese Weise kann man, wenn man einen langen Atem hat, unliebsame Schlafsignale austauschen.

Bei unangenehmeren Schlafsignalen kann das Umgewöhnen auch schneller vonstatten gehen, wenn das für die Eltern wichtig ist. Eine meiner Töchter hatte sich angewöhnt, in der Nacht meinen ausgestreckten Arm als ihr Kopfkissen zu benutzen. Das war erst einmal nicht so schlimm, nach ein paar Nächten in dieser Position fühlte ich mich aber sehr gefangen und wurde richtiggehend wütend. Ich wollte mich gern mal wieder auf die andere Seite drehen. Da sie zu diesem Zeitpunkt schon drei Jahre alt war, konnte ich ihr das Ganze erklären. Sie war jedoch trotzdem unglücklich und mein Arm fehlte ihr in der Nacht. Also suchte ich nach einem Substitut, das ihr ein ähnliches Schlafgefühl geben würde und würde fündig in Form eines Türkissens (diese Dinger, die man unten an den Türspalt legt, damit es nicht zieht). Immer, wenn sie in der Nacht im Halbschlaf an meinem Arm zerrte, um ihren Kopf darauf betten zu können, entzog ich ihn ihr sanft und legte stattdessen das Kissen in ihren Nacken. Sie merkte das natürlich und fand das bei weitem nicht so kuschelig, arrangierte sich jedoch mit der Alternative und schlief bald darauf genauso gut, wie auf meinem Arm.

Habt ihr ein Kind, dass gern eure Haut zum Einschlafen zwickt, dann benötigt ihr ein Substitut, dass eurem Kind ein ähnliches Gefühl verschafft. Es gibt zum Beispiel Kuscheltiere mit weichen Lederohren, die sich dafür eignen. Immer, wenn euer Kind eure Hand nehmen will, um an der Haut zu knibbeln, solltet ihr die Hand sanft entziehen und stattdessen das Lederohr hinhalten. Habt ihr ein Kind, das gerne eure Haare eindreht, dann könntet ihr eine Echthaarpuppe als Alternative hinhalten.



Euer Kind wird das nicht mögen und erst einmal dagegen protestieren, vermutlich sogar wütend werden. Ihr könnt euch das ein bisschen so vorstellen, als müsste das Kind sich von einer Droge entwöhnen - das Gehirn denkt, es braucht das Hautknibbeln/das Haardrehen zum Einschlafen. Je nachdem, wie groß eurer Leidensdruck ist, könnt ihr dem Wunsch des Kindes doch nachgeben und es weiterhin knibbeln oder Haare drehen lassen oder eben dabei bleiben, das Kuscheltier/die Puppe stattdessen anzubieten.

 

Wie kann man sich Schlafsignale zunutze machen?


Austauschen von Schlafsignalen


Schlafsignale sind eine tolle Sache, wenn man viele verschiedene davon eingeführt hat, denn dann kann man sie austauschen, wenn mal eins von ihnen nicht funktioniert.

Wie ich schon schrieb, wird mein Sohn noch einschlafgestillt. Eines nachts wurde er unruhig und fing an, die Milch zu erbrechen. Immer, wenn ich ihn danach wieder in den Schlaf stillen wollte, erbrach er sich wieder im Schwall, d. h. dieses Schlafsignal konnte ich in dieser Nacht nicht mehr nutzen. Ich bekam einen leichten Anflug von Panik - wie sollte ich ihn denn sonst zum Schlafen bringen? Ich stand also mit ihm auf, ging leise in ein anderes Zimmer, um den Rest der Familie nicht zu wecken und begann dort, mit unserem Mittagschlafritual: Ich nahm ihn so auf den Arm, dass er wie in seiner Trage saß, wippte auf- und ab und sag dabei sein Einschlaflied. Wie ihr oben schon lesen konntet, braucht er beim Mittagschlag das Stillen nicht - und das war in dieser Nacht unsere Rettung. Nach nur ein paar Minuten wirkten die Schlafsignale, er schlief ohne Trinken ein und ich trug in leise zurück ins Bett, wo er einfach weiterschlief.

Ich halte es für immens wichtig, sich nicht nur auf eine Reihe von Schlafsignalen zu verlassen, sondern eben verschiedene Signale für verschiedene Situationen einzuführen. Möglich wären zum Beispiel:

1. Kind in die Trage oder den Kinderwagen legen, ggf. Nuckel, Schlaflied singen, loslaufen (ohne Stillen einschlafen)
2. Kind einpucken und in die Federwiege legen, ggf. Nuckel, auf- und abwippen,  (ohne Stillen einschlafen)
3. Kind in den Autositz setzen, ggf. Nuckel, losfahren (ohne Stillen einschlafen)
4. Kind ins Familienbett legen, stillen/Flasche, ggf. Nuckel, Schlaflied singen
5. Kind baden, Buch vorlesen, ins Bettchen legen, ggf. Flasche, ggf. Nuckel, Spieluhr an, Händchen halten

An manchen Tagenl wirkt vielleicht die eine Reihe von Schlafsignalen nicht einschläfernd genug, dann ist es gut für eure Nerven, wenn ihr auf ein anderes Ritual ausweichen könnt, das dem Gehirn ebenfalls signalisiert: Du sollst schlafen. Als mein Sohn zum Beispiel noch sehr klein war und zuhause noch in der Federwiege gewippt wurde, war ich einmal mit ihm in der Trage unterwegs und er schlief, trotz großer Müdigkeit, einfach nicht ein. Das Laufen, die Trage, das Schlaflied und mein kleiner Finger als Nuckelersatz wirkten einfach nicht richtig. Entnervt suchte ich mir nach einer Weile einen Spielplatz mit Trampolin (Danke, Prenzlauer Berg!), stellte mich darauf und wippte schnell auf und ab, wie seine Federwiege. Ich hatte also das Einschlafsignal Laufen ausgetauscht gegen das Signal Wippen. Es wirkte! Im Nu war er im Land der Träume.

Einführen neuer Schlafsignale


Möchtet ihr, dass eurer Kind den Mittagschlaf im Kinderwagen oder in seinem Bettchen macht, dann könnt ihr die Wirkung von Schlafsignalen dafür ausnutzen. Wichtig ist, dass euer Baby wirklich, wirklich müde ist. Nicht nur normal müde, sondern richtig bettschwer. Am besten funktioniert das Einführen also nach einem Schwimmkurs, oder auch nach einem Pekip-Kurs. Diese sind so körperlich anstrengend für Babys, dass sie danach unweigerlich einschlafen und auch kaum den Elan aufbringen, sich wegen ein neues Rituals zu beschweren.
 
Ist der Kurs also vorbei, dann zieht euer Kind an, stillt es, legt es in den Kinderwagen oder das Bettchen und singt ein Lied. Es kann sein, dass euer Baby dann meckert, denn Umstellungen mag es einfach nicht. Sobald es schreit, nehmt es unbedingt hoch und gebt ihm seine gewohnte Schlafumgebung. Versucht es beim nächsten Mal wieder - eine Einführung neuer Schlafsignale dauert einfach Zeit. Aber irgendwann wird es klappen (nicht bei allen Kindern... aber bei den meisten). Und wenn ihr es geschafft habt, dass das Hinlegen und Schlafen nach dem Pekip-Kurs als Schlafsignal etabliert wurde, dann könnt ihr das Kind nun an jedem anderen kursfreien Tag zum Mittagschlaf auch ins Bettchen oder den Wagen legen. Denn solange alle Schlafsignale da sind (stillen, Wagen, Lied...) wird es einschlafen - der Kurs war in diesem Fall ja nur Mittel zum Zweck Bettschwere, wurde aber nicht als Schlafsignal eingeführt.

Für alle, die eigentlich möchten, dass ihr Kind im Bett einschläft, aber deren Weg vom Pekip-Kurs nach Hause zu weit ist: Führt erst einmal den Kinderwagen als Schlafsignal ein, aber achtet darauf, nicht zu fahren, wenn das Baby einschläft. Denn dann würde das Ruckeln als weiteres Schlafsignal eingeführt werden. Dieses Ruckeln gibt es im Bett aber nicht! Sobald euer Baby zuverlässig im stehenden Wagen einschläft, könnt ihr zuhause versuchen, das Baby zum Mittagschlaf auch ins Bettchen zu legen. Wichtig ist, dass die Schlafsignale dabei gleich sind und die Schlafumgebung ähnlich. Habt ihr z. B. ein Mobile im Kinderwagen hängen, sollte dieses auch über dem Bettchen hängen, denn vermutlich hat sich der Anblick dieses Mobiles als unbewusstes Schlafsignal beim Baby etabliert.

© Snowqueen
 

Schwangerschaftsmythen - was ist wirklich dran?

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Mythen rund um die Zeugung, Schwangerschaft und Geburt

 
Seit Jahrhunderten ranken zahlreiche Mythen rund ums Thema Kinder kriegen. Schon bevor neues Leben überhaupt entstanden ist, gibt es ganze Kataloge mit Handlungsanweisungen, um Erfolg bei der Zeugung zu haben. Auch für die Beeinflussung des Geschlechts gibt es unzählige Vorschläge - von der Stellung hin zu heißen Bädern. Ich habe für diesen Artikel Mythen rund um die Schwangerschaft gesammelt und in aktuelle Forschungsergebnisse geschaut, was wirklich an ihnen dran ist.
 
 

Mythen rund um die Zeugung


Familie mit Neugeborenem Je länger man die Pille genommen hat, desto langwieriger wird es, schwanger zu werden


Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Eine Studie belegte: 80 % der Frauen, die nicht mehr verhüteten, waren nach einem Jahr schwanger. Und zwar völlig unabhängig davon, womit sie verhütet haben. Einige Untersuchungen zeigen sogar, dass das Absetzen der Pille in den ersten Monaten fruchtbarer macht.

Man sollte nur alle drei Tage Sex haben, damit die Spermaqualität steigt


Das ist mittlerweile vollkommen überholt - ideal wäre täglicher Sex, da die Spermaqualität bereits nach einem Tag abnimmt. Außerdem führt regelmäßiger und häufiger Sex dazu, dass sich das Immunsystem der Frau an den Fremdkörper Spermium gewöhnt.
 

Heiße Bäder und enge Unterhosen steigern die Chance auf ein Mädchen

 
Es ist richtig, dass männliche Samenzellen wärmeempfindlicher sind - wirklich schaden kann Wärme jedoch nur den gerade heranreifenden Zellen. Diese brauchen jedoch etwa 3 Monate zum reifen - wird also im März heiß gebadet, hat das Auswirkungen auf die im Juni reifen Samenzellen.

Bestimmte Stellungen sind besser für die Befruchtung geeignet, als andere


Die Spermien suchen sich ihren Weg - der ist bei der einen Stellung möglicherweise etwas kürzer, als bei anderen. Studien gibt es zu diesem Thema bisher nicht, ebenso wenig zu der Frage, ob es sinnvoll ist, das Becken nach dem Sex hoch zu lagern.

Stress verhindert Schwangerschaften


Auch dafür gibt es keinerlei Belege - Stress als alleiniges Merkmal beeinflusst die Befruchtung nicht. Geht er allerdings mit ungesunden Begleiterscheinungen wie erhöhter Alkohol- oder Nikotinkonsum einher, kann sich das durchaus auswirken.

Das Geschlecht beeinflussen

 
Zahlreiche Mythen ranken sich darum, ob man das Geschlecht des Kindes beeinflussen kann - von Socken über Mondphasen hin zur Stellung während der Zeugung.  Das Geheimnis warum sich Mythen rund um das Geschlecht so hartnäckig halten liegt darin begründet, dass die Trefferwahrscheinlichkeit exorbitant hoch ist - sie liegt immer bei 50/50. Die Hälfte aller Frauen kann also bei jedem einzelnen Mythos sagen: "Ja! Bei mir hat es gestimmt!" - das sind gefühlt ganz schön viele.

Was wirklich stimmt


Studien haben nachgewiesen, dass in Zeiten von Krisen, Hunger und Krieg mehr Mädchen geboren werden. Herrschen ökonomisch gute Bedingungen, kommen etwas mehr Jungen zur Welt. Auch der Einfluss der Ernährung wurde nachgewiesen - ernähren sich Frauen zum Zeitpunkt der Empfängnis vor allem energiereich und mit viel Zucker, bekommen sie überdurchschnittlich häufig Jungen. Beides hängt auch unmittelbar miteinander zusammen - lebt man in Wohlstand, ist die Ernährung gehaltvoller, als in Zeiten des Mangels.

Das Ganze hat auch evulotionsbiologischen Sinn - in schlechten Zeiten haben Frauen eine größere Chance, sich fortzupflanzen, als schlecht ernährte Männer im Konkurrenzkampf - um die familiären Gene zu erhalten, sind Töchter also erfolgsversprechender. Außerdem ist es für den Körper anstrengender, einen Jungen auszutragen - die Energiereserven sind in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten deutlich höher. Wie genau der Körper aktiv beeinflussen könnte, ob eine Junge oder ein Mädchen geboren wird, darüber wird noch spekuliert. Möglicherweise haben das nahrungsbedingt beeinflusste Scheidenmilieu oder die Zusammensetzung des Blutes einen Einfluss darauf, welche Spermien überleben.
 
Kinderfüße und Erwachsenenfüße unter einer DeckeMöglicherweise hängt die Geschlechterverteilung auch vom Stress ab. Krisenzeiten verursachen solchen - während der chinesischen Hungersnot und nach der Wende in Ostdeutschland wurden signifikant weniger Jungen geboren. Normalerweise beträgt das Geschlechterverhältnis 106 Jungen zu 100 Mädchen.
 
Ein Mythos rankt sich auch um den Zeitpunkt der Zeugung. Männliche Spermien sind angeblich schneller, weibliche Spermien ausdauernder, so dass Sex nahe am Eisprung die Zeugung eines Jungen begünstigt. Findet der Geschlechtsverkehr einige Tage vor dem Eisprung statt, sind die widerstandsfähigeren weiblichen Samen im Vorteil. Erfahrungen bei der Besamung von Hirschen oder Schafen haben gezeigt, dass der Befruchtungszeitpunkt die Geschlechtshäufigkeit tatsächlich beeinflusst - bei Rindern hingegen zeigte sich ein solcher Effekt nicht. Neuere Untersuchungen mit Menschen belegten jedoch genau das Gegenteil - sie zeigte, dass die Häufigkeit der Jungen stieg, je weiter der Sex vor dem Eisprung stattfand. Dieses Ergebnis war statistisch signifikant, aber nicht gravierend - statt etwa 50/50 verschob sich das Verhältnis auf 45/55.

Frauen spüren sofort nach der Zeugung, dass es geklappt hat

 
Solche Berichte liest man immer wieder - nach dem Sex liegt das Paar sich glücklich in den Armen und sie ist vollkommen sicher, dass es geklappt hat. Da ist der Wunsch nach einer selbsterfüllenden Prophezeiung wohl der Auslöser. Biologisch ist es vollkommen unmöglich, dass der Körper "spürt", dass es geklappt hat. Es dauert einige Stunden, bis die Samenzelle den Weg zur Eizelle findet und beide miteinander verschmelzen. Und selbst, wenn das erfolgreich abgeschlossen wurde, wandert der Embryo nach der Befruchtung noch tagelang durch die Gebärmutter und nistet sich erst fünf bis sechs Tage nach der Empfängnis ein. Erst dann beginnt die Produktion des Schwangerschaftshormons HCG, das dem Körper signalisiert: "Ich bin schwanger!" Es ist also vollkommen unmöglich, zum Zeitpunkt der Zeugung zu wissen, dass es geklappt hat.
 

Mythen rund um die Schwangerschaft


Es gibt allerlei Regeln, an die sich Schwangere vermeintlich halten sollten, um nicht das Leben des Ungeborenen zu gefährden. So sollen sie nichts über den Kopf heben, da sich sonst die Nabelschnur um den Hals des Kindes wickelt. Auch unter Wäscheleinen hindurch habe angeblich den selben Effekt.

Das Geschlecht vorhersagen


Jahrtausende lang wussten Schwangere bis zur Geburt nicht, welches Geschlecht ihr Kind hat. Was lag näher, als sich die Zeit der Ungewissheit mit Spekulationen zu vertreiben? So entstanden unzählige Mythen darum, wie sich aufgrund des Zustandes der werdenden Mutter auf das kindliche Geschlecht Rückschlüsse ziehen lassen. Lust auf Süßes? Dann wird es sicher ein Mädchen! Heißhunger auf Herzhaftes, dann muss es wohl ein Junge sein.... Was ist tatsächlich dran?
 
Schwangere Frau

An der Form des Bauches das Geschlecht erkennen

 
Der Volksmund sagt, dass ein spitzer, nach vorne wachsender Bauch typisch für männliche Babys ist. Töchter hingegen würden dafür sorgen, dass sich die zusätzlichen Kilos eher rundherum verteilen. Auch das ist vollkommener Unsinn - die Form des Bauches ist meist abhängig vom Bau der Frau und dem Zustand des Bindegewebes und der Muskeln, der Fruchtwassermenge und der Größe des Kindes. Bei der ersten Schwangerschaft ist meist noch alles frisch und straff, so dass der Bauch nach vorne wächst - bekommt die Frau einen Sohn und später eine Tochter, kann sie den Mythos bestätigen, weil das Bauchwachstum bei der zweiten Schwangerschaft ganz anders aussehen kann.
 

Die Übelkeit als Indikator für das Geschlecht des Babys

 
Das lustige an diesem Mythos ist, dass er in zwei verschiedenen Varianten existiert. Sind Schwangere stark übelkeitsgeplagt, wird ihnen am häufigsten ein Mädchen prognostiziert - es gibt aber auch viele, die sagen, dass bei starker Übelkeit ein Junge zu erwarten ist.
 
 Zwar wissen die Wissenschaftler noch immer nicht, was genau die Übelkeit verursacht - aber so viel ist sicher: von der Übelkeit lässt sich kein Rückschluss auf das Geschlecht ziehen. Es wird vermutet, dass es mit der Höhe des HCG-Spiegels zusammenhängt und tatsächlich haben Frauen, die Mädchen erwarten, in der Regel auch einen höheren Spiegel dieses Hormons haben. Allerdings ist auch unzähligen Jungs-Müttern furchtbar schlecht und Frauen, die ein Mädchen erwarten verspüren oft nicht das geringste Unwohlsein.

Allerdings beobachten Forscher des schwedischen Karolinska-Institutes bei einer Untersuchung mit einer Million Frauen, dass tatsächlich diejenigen, die über Übelkeit klagten im Vergleich häufiger Jungen zur Welt brachten. Eine Studie der Universität Baltimore ergab: von 66 Frauen, die unter Hyperemesis litten, bekamen 44 ein Mädchen.

Mädchen nehmen Schönheit, Jungs geben Schönheit

Ob nun durch das vermehrte Erbrechen oder aus anderen Gründen - Schwangere, die Mädchen erwarten sollen vermeintlich deutlich schlechter aussehen, als Jungenmütter. Diesen wird strahlende Schönheit nachgesagt. Auch das ist ein Mythos - es gibt blühende Mädchenmütter ebenso häufig, wie stark strapazierte Jungs-Schwangere. Auch hier gilt wieder: die enorm hohe Trefferwahrscheinlichkeit von 50 % machen diesen Mythos unsterblich.
 

Schwangere müssen für zwei Essen

 
Das ist im Grunde richtig - so lange man beachtet, dass der/die "Zweite" einen deutlich geringeren Kalorienbedarf hat. In den ersten drei Monaten wird keine zusätzliche Energie vom Fötus benötigt, erst ab dem vierten Schwangerschaftsmonat sollte eine Frau 255 kcal mehr zu sich nehmen, als zuvor. Eine dauerhaft zu hohe Kalorienzufuhr erhöht das Risiko für eine Schwangerschaftsdiabetes.
 
Was tatsächlich stimmt: Der Nährstoffbedarf einer Schwangeren verdoppelt sich teilweise - Eisen wird nun mindestens doppelt so viel wie sonst benötigt, auch an Zink und den Vitaminen B6 und B12 ist der Bedarf deutlich erhöht. Daher ist es besonders wichtig, auf eine ausgewogene und gesunder Ernährung zu achten. Ist das wegen der Übelkeit oder einseitiger Gelüste nicht möglich, sollte ein Vitaminpräparat eingenommen werden. Zwar holt sich ein Baby, was es braucht, aber das geht dann stark zu Lasten der Mutter (bspw. beim Calcium).

Schwangere leiden unter seltsamen Gelüsten


Herzhafte WürsteTypisch für die Schwangerschaft sind spezielle Gelüste nach Süßem, Herzhaftem oder ungewöhnlichen Kombinationen. Häufig wird behauptet, die Lust auf Herzhaftes spreche dafür, dass die Frau ein Jungen erwartet - Wissenschaftler gehen vielmehr davon aus, dass der Speichel der Frauen durch das Hormon Östrogen süßer als gewöhnlich schmeckt und daher die Lust auf Süßes durch ihn gestillt wird und die Frau eher salzige Nahrung bevorzugt.

 

Haare färben ist während der Schwangerschaft nicht erlaubt


Wer wirklich sicher gehen will, lässt das Haare färben in der Schwangerschaft. Es ist unbestritten, dass Haarfarbe jede Menge Chemikalien enthält, die über die Kopfhaut auch in den mütterlichen Körper gelangen kann. Allerdings haben Studien zu diesem Thema keine Gefährdung für das Baby ergeben.

 

Intensiv cremen schützt vor Schwangerschaftsstreifen

 
Viele werdende Mütter fürchten die unschönen Dehnungsstreifen an Bauch, Beinen und Busen. Es gibt unzählige Produkte, die versprechen, dass das regelmäßige Eincremen mit ihnen solche verhindert. Leider konnte das noch nicht eine einzige Studie wirklich belegen.
 

Jede Schwangerschaft kostet einen Zahn

 
Das war früher tatsächlich so - allerdings war da der Zustand der Mundhygiene sehr viel bedenklicher, als heutzutage. Die Schwangerschaftshormone lockern das Zahnfleisch, weswegen viele Schwangere stark mit Zahnfleischbluten kämpfen. Häufiges Erbrechen bei Hyperemesis greift auch den Zahnschmelz an. Aber sonst auch gut gepflegte Zähne werden in der Schwangerschaft keinen Schaden nehmen. Sie sollten jedoch besonders intensiv gepflegt werden, weil Bakterien im Mund auch vorzeitige Wehen auslösen können und die Hormone die Zusammensetzung des Speichels beeinflussen, so dass Karies begünstigt werden kann. Wichtig ist es, genug Calcium zu sich zu nehmen, da dieses sonst für das Baby aus den Zähnen gelöst wird.

Schwanger macht vergesslich


Das ist einer der wenigen Mythen, für den sich in verschiedenen Studien Belege finden ließen. Ein Erklärungsansatz ist, dass der veränderte Hormonspiegel dafür verantwortlich ist, ein anderer, dass Frauen sich einfach mehr sorgen und schwangerschaftsbedingt nicht so gut schlafen, so dass sich das auf die Gedächtnisleistung auswirkt. Eine Untersuchung ließ vermuten, dass Frauen, die Mädchen erwarten, häufiger betroffen sind. Allerdings gibt es auch Untersuchungen, wonach eine Schwangerschaft keinen Einfluss auf die kognitiven Leistungen hat.

Leidet die Mutter unter Sodbrennen, hat das Baby lange Haare


Leidet die Schwangere unter starkem Sodbrennen, hat das Kind lange Haare. Das ist natürlich kompletter Unsinn - selbst wenn die Haare lang genug wären um so etwas zu verursachen, müssten sie ja erst mal aus der Fruchtblase heraus und in die Speiseröhre hinein kommen. In der Schwangerschaft werden vermehrt muskelentspannende Hormone augeschüttet - diese lockern leider auch den Magenschließmuskel, weswegen die Magensäure aufsteigen und das lästige Sodbrennen verursachen kann.

Schwangerschaften machen große Füße


Fuß im SandEs ist tatsächlich belegt, dass zum Ende der Schwangerschaft die Füße wachsen - durchschnittlich waren sie dann 1,8 mm länger und 2 mm breiter - das entspricht etwa einer Viertelschuhgröße. Das liegt daran, dass Schwangere sehr viel Wasser einlagern - die Schwerkraft tut ihr übriges. Normalerweise schrumpft der Fuß bis etwa sechs Wochen nach der Geburt wieder auf seine ursprüngliche Größe - manchmal bleibt er jedoch auch größer. Das kann aber ebenso gut am Alter liegen - unser Fußgewölbe flacht sich im Laufe der Jahre durch den Druck des Körpers und die nachlassende Spannkraft des Gewebes ab.
 

Mythen rund um die Geburt

 

Wenn die Fruchtblase platzt, muss man sich sofort hinlegen

 
Diese Empfehlung entstand aus der Angst vor einem Nabelschnurvorfall. Dabei liegt eine Schlinge der Nabelschnur vor zwischen dem Geburtskanal und dem Kopf des Babys. Platzt die Fruchtblase (schwallartig), kann das dazu führen, dass diese Schlinge abgeklemmt wird und die Versorgung des Kindes beeinträchtig - bis hin zu dessen Tod. Nabelschnurvorfälle sind extrem selten - und leider nicht dadurch zu verhindern, dass man sich sofort hinlegt. Die paar Sekunden, die man benötigt, um den Blasensprung überhaupt zu realisieren, reichen schon aus, dass es zu diesem Vorfall kommt. Sich danach hinzulegen nützt leider gar nichts.
 

Das erste Kind lässt meist auf sich warten

 
Eine Schwangerschaft dauert ab dem Zeitpunkt der Zeugung etwa 38 Wochen - dass das nur ein rein rechnerischer Termin ist, belegt die Tatsache, dass nur etwa 4 % aller Kinder tatsächlich am errechneten Geburtstermin zur Welt kommen. Da - außer bei künstlichen Befruchtungen - das Zeugungsdatum ohnehin nicht genau bekannt ist, stimmt der errechnete Termin ohnehin in fast allen Fällen nicht genau. Frauen mit langen Zyklen sind viel schneller mit der Geburt überfällig, als Frauen, bei denen der 28-Tage-Standard-Zyklus zugrunde gelegt wird.

Mädchen lassen eher auf sich warten (weil sie sich noch hübsch machen wollen)


Meine erstes ICSI-Kind kam überpünktlich bei 40+0 - nach der Naegele-Regel, mit der Frauenärzte rechnen wäre sie zu diesem Zeitpunkt jedoch schon 10 Tage überfällig gewesen. Ganz sicher hätte ich mir dann anhören dürfen "sie will sich noch putzen". Dafür gibt es jedoch keine Belege - die Dauer von Schwangerschaften ist nicht vom Geschlecht abhängig.
 

Vollmond

Bei Vollmond werden mehr Kinder geboren

 
Mein Sohn wurde bei Vollmond geboren und die Hebammen im Kreißsaal meinten stöhnend, sie seien drauf vorbereitet, dass die Nacht außergewöhnlich betriebsam würde. Allerdings belegen umfangreiche statistische Auswertungen, dass dem nicht so ist. Möglicherweise fällt es gebärenden Frauen eher auf, wenn der Mond nachts so hell scheint, so dass diese öfter von ihren Geburten berichten, als die bei Neumond gebärenden. Eine statistische Häufung ist an Montagen und Dienstagen zu verzeichnen - das liegt daran, dass geplante Kaiserschnitte selten am Wochenende durchgeführt werden.

Sex löst Wehen aus


Lange machte man das im Sperma enthaltene Prostaglandin dafür verantwortlich - tatsächlich sind die enthaltenen Mengen so gering, dass der Mann literweise ejakulieren müsste, um Wehen auszulösen. Allerdings kann die Kontraktion der Gebärmutter beim Orgasmus der Frau durchaus wehenauslösend wirken. Außerdem führt das intensive Beschäftigen mit den Brustwarzen zu einer Ausschüttung des wehenanregenden Hormons Oxytocin.
 

Mythen rund ums Stillen


Frauen mit kleinen Brüsten haben weniger Milch


Frauen mit kleinen Brüsten haben weniger Fettgewebe darin - die Brustdrüsen sind jedoch genauso groß, wie die großbrüstiger Frauen. Mittlerweile weiß man, dass die Milch nicht in den Brüsten "gelagert" wird, sondern der größte Teil während des Stillens produziert wird. Und die Brust reguliert die produzierte Milchmenge nach der Nachfrage. Häufiges Stillen - auch an kleinen Brüsten - steigert die Milchproduktion.

 Vom Stillen bekommt man Hängebrüste


Das ist etwas, wovon viele Frauen überzeugt sind - aber es trifft nicht zu. Nicht das Stillen hat maßgeblich Einfluss auf die Brustform nach der Schwangerschaft, sondern vielmehr das Alter, der BMI, die Zahl der Schwangerschaften und das Rauchen, wie eine Studie ergab. Die Veränderungen, die wir beobachten, sind meist davon verursacht, dass die Milchdrüsen während des Stillens vergrößern. Nach dem Abstillen verkleinern sie sich und es dauert eine ganze Zeit, bis sich das Fettgewebe wieder seinen Platz zurück erobert.

Durch das Stillen nimmt man wie von selbst ab


Auch wenn viele Frauen begeistert sind, wie die Pfunde durch das Stillen schmelzen - das halte ich persönlich nach jahrelangem Stillen für einen absoluten Mythos. Und tatsächlich ergaben Untersuchungen entweder keinen Unterschied oder nur einen in Bezug auf die Schnelligkeit. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem (schnell) verlorenen Gewicht vielmehr um die ausgeschwemmten Wassereinlagerungen. Was aber durch eine Studie belegt ist - Frauen, die länger als 6 Monate gestillt haben, hatten nach den Wechseljahren weniger Gewicht, als diejenigen, die ihre Kinder kürzer/nicht gestillt haben. 

© Danielle

 
 

 

Quellen

 
 
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/mythen-ueber-die-schwangerschaft-ammenmaerchen-1.75697-3

https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pdf_2013/08_13/EU08_2013_M466_M474.qxd.pdf

http://www.3sat.de/page/?source=/nano/news/41074/index.html

http://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/schwangerschaft-und-stillen-beeinflussen-koerpergewicht-nach-menopause-a-843597.html
 
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/denken-in-der-schwangerschaft-blick-fuers-wesentliche-1.66345

http://www.familienplanung-natuerlich.de/von-a-bis-z/geschlechtsbeeinflussung.php

R. W. Rorie: Effect of timing of artificial insemination on sex ratio. In: Theriogenology. Band 52, Nummer 8, Dezember 1999, S. 1273–1280

P. W. Zarutskie, C. H. Muller, M. Magone, M. R. Soules: The clinical relevance of sex selection techniques. In: Fertility and sterility. Band 52, Nummer 6, Dezember 1989, S. 891–905


Warum man Kinder immer trösten sollte

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weinendes Kind Kinder brauchen bei Kummer Trost und Zuwendung

 
Dass Schreien lassen die Lungen gar nicht stärkt oder Stillen und Füttern nach Zeitplan nicht kindgerecht ist und dass man durch Tragen Babys nicht verwöhnt, hat sich erfreulicherweise mittlerweile herumgesprochen. Leider gibt es jedoch noch ein kleines, sehr hartnäckiges Überbleibsel aus der Erziehung unserer Eltern und Großeltern, das immer noch weit verbreitet ist: Der Unwille, Kindern Trost zu spenden.
 
Immer wieder hört man, wie bitterlich weinenden Kindern (oft leicht genervt) entgegnet wird:
 
  • "Nun stell dich nicht so an!"
  • "Hab dich nicht so!"
  • "Hör doch endlich mal auf zu weinen!"
  • "Immer dieses Gejammere!"
  • "Was soll das ständige Geschrei!"
  • "Was du immer für einen Aufstand machst!" 

Im Alltag sind auch immer wieder unbewegte Erwachsene zu beobachten, die neben vollkommen aufgelösten Kindern stehen und minutenlang nicht darauf reagieren oder sie sogar einfach stehen lassen. Offenbar fällt es einigen Eltern unheimlich schwer, ihre Kinder zu trösten.
 
Auch für mich ist es manchmal sehr schwierig, in Situationen, in denen ganz eindeutig übertrieben wird, mitfühlend Trost zu spenden - vor allem, wenn ein Konflikt vorherging und ich gerade in ärgerlicher Grundstimmung bin. Auch wenn ich es mittlerweile schaffe, solche Sätze wie die obigen bewusst nicht zu sagen, möchte ich dann doch am liebsten weit weg rennen und mein Kind mit seiner für meine Begriffe unangemessenen Trauer allein stehen lassen.
 
 

Warum Eltern manchmal so schlecht trösten können

 
Meine eingeschränkte Fähigkeit, in emotional geladenen Situationen Trost zu spenden, ist ein Relikt meiner eigenen Erziehung. Ganz offenbar ist mein Bauchgefühl leider maßgeblich davon geprägt, wie ich selbst erzogen wurde. Immer wieder entdecke ich Verhaltensweisen, die ich unbewusst von meinen Eltern übernommen habe, weil sie mir jahrelang vorgelebt wurden. Vor wenigen Jahren noch war meine erste gedankliche Reaktion auf ein trotziges Kleinkind: "Das soll sich ruhig ausbocken - wenn man dem Verhalten zu viel Beachtung schenkt, wird es sich immer wieder so benehmen, um seinen Willen durchzusetzen. Bald schon tanzt einem das Kind dann auf der Nase rum". So habe ich tatsächlich gedacht - und so denken heutzutage noch sehr viele.
 
Wir haben auf unserer Seite bereits ausführlich darüber geschrieben, wovon die Erziehung unserer Eltern und Großeltern maßgeblich beeinflusst war und was sie davon wie an uns weitergegeben haben. Bis zum Ende der 80er-Jahre war das Buch "Die (deutsche) Mutter und ihr erstes Kind" mit über 1,2 Mio. verkauften Exemplaren das Standardwerk für die Erziehung von Kindern - geschrieben wurde es von Johanna Haarer in der Zeit des Nationalsozialismus. Aber auch lange Zeit danach stand es in nur leicht abgewandelter Form in vielen elterlichen Bücherregalen und prägte die Erziehung von Kindern nachhaltig.
 
Das Erziehungsziel der Zeit, in der es geschrieben wurde, war ganz eindeutig: Kinder sollen nicht verweichlicht werden - sie sollen stattdessen schnell selbständig und unabhängig sein, um dem Führer selbstlos zu dienen. Sie sollten nicht jammern, nicht weinen, keine Gefühle zeigen, sondern einfach nur tun, was man ihnen sagt und keinerlei Schwäche zeigen. Haarer schreibt in ihrem Buch ganz klar:
"Eine deutsche Mutter kennt keinen  Fehler außer dem einen, ihre Kinder zu verzärteln."
So gibt sie klar vor, wie mit Kindern umzugehen ist, denen es offenkundig an nichts fehlt:
"[....] Fange nur ja nicht an, das Kind aus dem Bett herauszuheben, es zu tragen, zu wiegen, zu fahren oder es auf dem Schoß zu halten, es gar zu stillen. Das Kind begreift unglaublich rasch, daß es nur zu schreien braucht, um eine mitleidige Seele herbeizurufen und Gegenstand solcher Fürsorge zu werden" (Haarer, 1939: 170). 
Auf keinen Fall also soll ein Kind getröstet werden, weil es sonst so lernen würde, dass es seine Wünsche durch unangemessenes Verhalten durchsetzen kann. Diese Annahme basiert auf den Theorien des Behaviorismus, in denen davon ausgegangen wird, dass Belohnungen (hier Trost und Zuwendung) verstärkend auf ein Verhalten wirken. Diese Annahme ist bis heute weit verbreitet - und das, obwohl Studien mittlerweile eindeutig ergeben haben, dass Kinder weniger schreien, wenn man sich ihnen zuverlässig zuwendet. 

Haarer sah das jedoch anders. Auf "eigensinniges Geschrei" solle man laut ihrem Buch wie folgt reagieren:
"Mit ruhiger Bestimmtheit setzt [die Mutter] ihren Willen weiter durch [...]. Auch das schreiende und widerstrebende Kind muss tun, was die Mutter für nötig hält und wird, falls es sich weiterhin ungezogen aufführt, gewissermaßen "kaltgestellt", in einem Raum verbracht, wo es allein sein kann und so lange nicht beachtet, bis es sein Verhalten ändert. Man glaubt gar nicht, wie früh und wie rasch ein Kind solches Vorgehen begreift" (Haarer, 1939: 265). 
Diese Auszeiten - gerne in Form des "stillen Stuhls" oder der "stillen Treppe" werden ebenfalls heute noch gerne empfohlen. Trost für weinende Kinder ist bei Haarer jedenfalls nicht vorgesehen - selbst bei Schmerzen soll nicht getröstet werden: 
"Nicht einmal aus etwaigen Äußerungen des Schmerzes mache man unnötig viel Wesens, selbstverständlich fällt das Kind, das stehen und gehen lernt, viel, stößt sich des Öfteren und schreit und weint dann" (Haarer, 1939: 266).  
weinendes Kind
Es wurde also im Standard-Erziehungsratgeber viele Jahrzehnte generell davon abgeraten, einem Kind Trost zu spenden, weil es das Kind verwöhne und verziehe. Übrig geblieben ist dieses Gedankengut bis heute in Form von "Nun hab dich nicht so!", "Indianer kennen keinen Schmerz" und "Reiß dich mal zusammen!"

Solche und ähnliche Sätze haben die meisten von uns immer und immer wieder in ihrer Kindheit gehört und verinnerlicht. Manchmal möglicher- und glücklicherweise nicht von den eigenen Eltern, aber im alltäglichen Umfeld sind solche Sätze seit Jahrzehnten gang und gäbe, so dass das Bauchgefühl vieler Eltern dagegen nicht rebelliert.
 
 

Festzulegen, wie sehr ein Kind leidet, macht uns trostunfähig

 
Erfolglose Tröstversuche führen oft dazu, dass wir uns hilflos fühlen. Da uns das nicht selten wütend macht, versuchen wir Situationen, in denen Trost erforderlich ist, kleinzureden, um sie schnellstmöglich zu beenden. Ein nicht unerheblichen Einfluss auf unser Handeln hat dabei unser Umfeld. Uns ist (oft nur ganz) unterbewusst klar, dass es noch immer allgemeine Meinung ist, dass Kinder nicht "verweichlicht" werden sollten. Jeder kennt Kinder, besonders sensibel sind und ihren Gefühlen freien Lauf lassen - leider sind diese oft als "Heulsusen" oder "Weicheier" verschrien. Das möchten wir unseren Kindern ersparen und wirken daher darauf hin, dass sie vor allem in der Öffentlichkeit möglichst nicht ihre Gefühle wie Wut und Trauer ausleben.

Wir haben zudem auch eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sehr ein Kind in einer bestimmten Situation leiden "darf". Fällt es hin und schrammt sich leicht das Knie auf, sind wir durchaus gewillt, es ein bis zwei Minuten zu trösten. Weint es weiter, finden wir immer mehr, dass es jetzt eigentlich langsam gut sein müsste. Wenn unser Kind schmerzhaft auf den Kopf fällt, dann beurteilen wir die Situation als schlimmer - unsere Tröstbereitschaft steigt und damit auch der Zeitraum, den wir unserem Kind zum Traurigsein zu gestehen. Bricht sich das Kind ein Bein, würden wir es wohl den ganzen Tag trösten, ohne dessen überdrüssig zu sein.  
 
Bei Situationen, in denen Kinder Wut oder Trauer empfinden, haben wir also eine festgelegte Skala, nach der wir dann bereit sind, Trost zu spenden. Das Problem dabei ist, dass wir den Kummer unseres Kindes klassifizieren. Nur, wenn wir Dauer und Intensität der Traurigkeit angemessen finden, können wir relativ problemlos trösten. Allerdings liegen zwischen unserer (vermeintlich) sachlichen Einschätzung und dem Empfinden des Kindes manchmal ganze Welten. Für unsere Kinder entlädt sich der komplette Weltschmerz bei für uns vollkommen trivialen Dingen - sei es eine zerbrochene Banane oder der falsche Löffel. Manchmal sind das jedoch einfach nur Auslöser für Kummer und den wahren Grund kennen wir überhaupt nicht. Wie wollen wir denn dann einschätzen, wie schlimm es wirklich ist? Oder gar, dass es gar nicht schlimm ist? Wir ziehen dabei unseren (erwachsenen) Maßstab zur Beurteilung heran - ohne ansatzweise zu wissen, was unser Kind genau empfindet. Und das ist für Kinder verwirrend und enttäuschend.

Besonders gut beobachten lässt sich das automatische Klassifizieren bei Stürzen. Fällt ein Kind irgendwo hin, wird in den meisten Fällen sofort ein Erwachsener rufen: "Nichts passiert! Steh auf!" Auch hierbei handelt es sich um erlerntes Verhalten, das seit Jahrzehnten von Generation zu Generation weiter gegeben und kaum hinterfragt wird. Dabei steht es uns nicht zu, darüber zu urteilen, dass "nichts passiert ist" - denn es ist etwas passiert. Wie schlimm es letztendlich ist, kann nur unser Kind einschätzen. Wir sollten uns dieses Automatismus unbedingt bewusst werden. Es hilft unserem Kind überhaupt nicht, wenn wir ihm sagen, es sei doch alles nicht so schlimm oder es solle sich nicht so haben - in dem Moment ist es für das Kind aber schlimm - ganz schlimm - genau deswegen weint es ja. 
 
 

Trösten als Möglichkeit, Aufmerksamkeit zu bekommen

 
Manche Eltern sagen: Mein Kind übertreibt aber wirklich ständig. Es jammert rum und ich habe irgendwann einfach keine Lust mehr, darauf einzugehen, weil es immer Lappalien sind. Offenbar scheint das Nichtreagieren jedoch das Problem auch nicht zu beseitigen - man muss Kinder schon sehr dauerhaft vorsätzlich frustrieren, um sie zum Resignieren zu bringen. Warum also sind manche Kinder so offenkundig übertrieben wehleidig? Ich habe die Motivation dahinter durch meine Tochter erkannt. Auch sie ist eine kleine Übertreiberin, was körperliche Verletzungen angeht. Bei der kleinsten Schramme macht sie einiges Brimborium und ergeht sich gerne in Selbstmitleid. Nun könnte man diese Situationen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten:
 
Die verbreitetste Reaktion auf so ein "kindisches" Verhalten ist: "Nun stell dich doch nicht so an, da ist doch gar nichts. Das kann doch überhaupt nicht weh tun!" - das war ehrlicherweise auch mein erster Impuls, als ich erkannte, dass sie ziemlich übertrieb. Ich hatte ja schon erklärt, warum wir auf Gejammere so reagieren (insbesondere bei größeren Kindern) - es ist gesellschaftlich einfach nicht akzeptiert, dass Kinder traurig sind. Noch immer wird Weinen und Leiden als ein Ausdruck von Schwäche gesehen. Dazu kommt, dass viele Erwachsene oft nicht in der Lage sind, Trost zu spenden und empathisch Zuzuhören - wie denn auch, sie haben es ja auch gar nicht gelernt, weil sie in aller Regel selbst nicht getröstet wurden. Das was unsere Generation gelernt hat ist kurz gesagt: "Hab dich doch nicht so" und "Heul doch!" Also ignorieren wir den Schmerz, weil wir nicht wissen, wie viel Trost richtig ist und hoffen einfach diffus, dass das Kind "härter im Nehmen" wird und aufhört zu übertreiben.
 
Knie mit PflasterEin anderer Blickwinkel auf diese Situation wäre, das Jammern als Signal zu sehen, dass sich der Aufmerksamkeitsspeicher des Kindes offenbar dem Ende neigt und ihm eine Extraportion davon sehr gut täte. Auf diesen Gedanken kam ich, als ich bemerkte, wie unterschiedlich mein Kind auf Verletzungen reagierte. Manchmal zog sie sich im Spiel eine größere Verletzung zu und war so abgelenkt, dass sie diese nicht mal erwähnte und manchmal kam sie zu mir, um mir eine mikroskopisch kleine aufgekratzte Stelle zu zeigen. Sie weiß genau, dass ich ihren Schmerz ernst nehme und genießt meine Zuwendung, die tröstenden Worte und das liebevoll auf den Minikratzer geklebte Pflaster in vollen Zügen. Auch die winzigste Blessur ernst zu nehmen hat dazu geführt, dass sie ein zuverlässigen Weg hat, ihren Wunsch nach Aufmerksamkeit auszudrücken. Dieser Weg ist für mich deutlich angenehmer, als lautes, wütendes und unangemessenes Verhalten, mit dem unter Umständen sonst das Aufmerksamkeitsbedürfnis geäußert wird. Und ist ihr Speicher voll, werden auch größere Blessuren ignoriert - von "Verweichlichung" durch zuverlässiges Trösten ist also keine Spur erkennbar.
 
Natürlich wollen Kinder mit übermäßigem Gejammere unserer Aufmerksamkeit erregen! Nur spricht rein gar nichts dagegen, ihnen diese einfach zu geben - auch wenn ihnen offenkundig rein gar nichts fehlt. Das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit verschwindet ja nicht dadurch, dass wir es ignorieren, sondern nur, wenn wir es erfüllen. Und das können wir in solchen Situationen mit einem Kuss, einem Streicheln oder einem liebevollen Trösten ganz einfach tun.
 
 

Warum Kinder unseren Trost benötigen


Zuverlässige Zuwendung durch Trösten ist zudem dringend erforderlich, damit unsere Kinder zu psychisch gesunden Erwachsenen heranzureifen. Babys kommen mit einem extrem unreifen Nervensystem auf die Welt. Ihre Fähigkeit, Gefühle zu regulieren, ist zunächst nur sehr schwach ausgebildet und entwickelt sich erst im Laufe der ersten Lebensjahre. Angst, Wut, Stress - all das kann unser Kind zunächst nur mit unserer Hilfe überwinden - erst nach und nach erlernt es Strategien, um unangenehme Zustände selbst zu regulieren.

Was passiert eigentlich in solchen Stresssituationen im Körper? Ist ein Kind aufgeregt, wird zunächst  Adrenalin ausgeschüttet, wodurch sich Blutdruck und die Herzfrequenz erhöhen. Die Atmung ist beschleunigt und die Muskeln angespannt - der Körper befindet sich in Alarmbereitschaft. Hilft einem Kind niemand dabei, sich zu beruhigen, produziert der Hypothalamus im Gehirn größere Mengen des Hormons Corticoliberin. Dieses setzt in der Hypophyse vermehrt Adrenocorticotropin frei, das in der Nebennierenrinde die Produktion von Cortisol anregt. Befinden sich davon über längere Zeit größere Mengen im Körper, wirkt dieses toxisch auf den Körper. 

Werden Kinder nicht ausreichend getröstet, kann das dazu führen, dass Kinder ihr ganzes Leben daran zu knabbern haben, sagt der Psychologe Ulrich Tiber Egle: „Es kommt zu ungünstigen Veränderungen im Gehirn, die das Stressempfinden lebenslang beeinflussen“. Fehlender Trost wirkt sich auch nachhaltig auf die Eltern-Kind-Bindung aus. Ist diese geschwächt, wird weniger Oxytocin ausgeschüttet. Dieses Hormon dient u. A. als Andockstelle für das stressbedingt ausgeschüttete Cortisol und "bindet" es sozusagen. Ist im Körper weniger Oxytocin vorhanden, ist der Cortisolspiegel dadurch dauerhaft höher. Die Folge davon kann ein sehr überempfindliches Stressreaktionssystem sein, was häufig zu Alkoholmissbrauch, Depressionen, Angststörungen und psychosomatischen Erkrankungen führt.

Oxytocin aktiviert darüber hinaus den Vagusnerv - unser körpereigenes Stressbewältigungssystem. Dieser reguliert die durch Stress ausgelöste Unordnung im Körper. Der Vagusnerv wird durch Trost stimuliert - er "lernt" quasi, wie man arbeitet, indem er immer wieder - zunächst von außen unterstützt - stimuliert wird. Im Laufe der Zeit kann er seine Arbeit dann immer besser auch ohne fremde Hilfe erledigen. Das Kind ist also zunehmend besser in der Lage, sich selbst zu beruhigen. Ein gut trainierter Vagusnerv führt zu mehr Ausgeglichenheit, besserem Denkvermögen  mit erhöhter Aufmerksamkeit, besserer Kommunikationsfähigkeit und sogar zu einem fitteren Immunsystem.
 
trauriges Kind mit TeddyGehirnscans von Kindern, bei denen über längere Zeit Kummer und Sorgen nicht weggetröstet wurden, zeigten, dass ihr Hippocampus schrumpft - dieser ist u. A. für das Langzeitgedächtnis zuständig. Das geschieht übrigens auch bei bestimmten Formen von Depressionen und schweren Traumata. 

Trösten und Mitfühlen sind wesentliche Faktoren des menschlichen Zusammenlebens. Trost signalisiert: Ich sehe, dass es dir schlecht geht - ich möchte dir dabei helfen, deine Trauer zu bewältigen. Kinder, die in ihrem Kummer liebevoll angenommen und getröstet werden, wachsen mit dem Gefühl emotionaler Sicherheit auf und sind viel offener für die Bedürfnisse anderer.

Wenn jedoch nicht auf ihre Trauer eingegangen wird und diese immer wieder ignoriert oder kleingeredet wird, werden Kinder lernen, ihre Gefühle zu unterdrücken, weil sie sie als nicht gewollt klassifizieren. Entsprechend werden sie auf die Gefühlsregungen anderer dieses Denken übernehmen und ihnen ebenso gegenübertreten - z. B. mit "Du bist ja vielleicht eine Heulsuse!" Leben Eltern Mitgefühl und Einfühlungsvermögen nicht vor, dann fällt es Kindern extrem schwer, diese Eigenschaften auszubilden.

Bestrafungen hingegen wirken sich zusätzlich negativ auf die Entwicklung der Empathiefähigkeit aus. Daher ist es sinnvoll, wenn man Kinder darauf aufmerksam macht, was ihr Verhalten bei anderen auslöst. "Schau, Ben weint, weil es ihm weh getan hat, als du ihn gehauen hast". Ältere Kinder kann man fragen: "Wie würdest du dich fühlen, wenn jemand dir so weh tut?" Mit dieser Technik der Induktion vermittelt man Kindern Mitgefühl und das Gefühl für Verantwortlichkeit. Strafen hingegen rufen beim Übeltäter nur Ärger und Wut hervor - es entwickelt kein Verständnis vom Leid des anderen. Außerdem handelt das Kind künftig nicht aus Einsicht (Ich haue lieber nicht, weil Max das weh tun könnte), sondern zur Vermeidung von Bestrafung (Ich haue nicht, weil ich sonst Ärger bekomme) - das jedoch nur dann, wenn die Gefahr besteht, ertappt zu werden. Zuverlässig getröstete Kinder sind besser in der Lage, anderen ebenfalls Trost zu spenden

Wir sollten uns daher zu eigen machen, jeden Kummer ernst zu nehmen und uns vornehmen, in solchen Situationen zu versuchen, immer so empathisch wie möglich zu sein und so viel Trost zu spenden, wie erforderlich ist - ohne Wertungen vorzunehmen. Dazu gehört auch, bei Stürzen und Verletzungen zu fragen, wie es dem Kind geht, statt ihm unsere Einschätzung vorab mitzuteilen.
 
 

"Richtig" Trost spenden

 

"Ist doch nicht schlimm!?"

 
Trost ist nicht gleich Trost - hört man mal aufmerksam hin, wird man bemerken, dass viele unbewusst dazu neigen, Kummer wegzureden. Sie wenden sich zwar ihrem Kind liebevoll zu, sagen dann jedoch Sätze wie:
 
  • "Ist doch überhaupt nicht schlimm!"
  • "Es gibt doch keinen Grund zu weinen!"
  • "Ist doch nichts passiert!"

Doch! Das Kind weint und ist unglücklich - es braucht gerade niemanden, der ihm sagt, dass die Situation nicht schlimm ist. Meist meinen wir eigentlich, dass es für uns nicht so schlimm ist - der herunter gefallene, in tausend Teile zersprungene Teller macht uns nichts aus - unser Kind ist jedoch offensichtlich untröstlich und erschrocken.
 
Daher ist es sinnvoller, beim Trösten die Situation zu Beschreiben. Für das Kind ist es sehr tröstlich, wenn es merkt, dass wir seinen Kummer erkennen und ernst nehmen. Statt "Ist doch nicht schlimm!" ist es besser zu sagen: "Oh, der Teller ist herunter gefallen! Du hast dich erschreckt und bist jetzt ganz traurig deswegen". Das bewertet die Situation nicht und dass es für uns nicht schlimm ist, erkennt das Kind an unserer ruhigen und besonnenen Reaktion.
 

Trösten begleitet Weinen


Trost sollte nicht dazu dienen, das Weinen zu beenden, er sollte vielmehr das Weinen begleiten. Um Traurigkeit zu überwinden, braucht es die liebevolle, zugewandte Nähe eines nahestehenden Menschen. Das Gefühl muss verarbeitet und ausgelebt werden und dazu sind Zeit und Zuwendung notwendig. Nur jemand, der sich wirklich angenommen fühlt, kann Trauer durchleben und gestärkt aus ihr hervorgehen. Wir müssen dabei nicht reden, wir müssen nicht beschwichtigen, keine Lösungen finden, wir müssen im Grunde gar nichts tun, außer zu signalisieren: "Ich bin hier und für dich da!" Ganz besonders tröstend ist Körperkontakt - ein Kind in die Arme zu nehmen und Haut an Haut kuscheln wirkt stark beruhigend. Auch monotones Streicheln oder Massieren beruhigt Kinder zusätzlich.

Auch wenn es verlockend ist und meistens gut funktioniert: Ablenken hilft unseren Kindern langfristig gesehen nicht. Denn es nimmt ihnen die Chance, ihre eigene Stressregulation aufzubauen. Außerdem signalisiert es ganz unterbewusst, dass wir den Kummer in dieser Situation nicht für angemessen halten - wie soll das Kind sich und seine Traurigkeit ernst genommen fühlen, wenn plötzlich ein vollkommen anderes Thema angesprochen wird? 
 

Trost bei Schmerzen


Cover Pusten, Trösten, Pflaster draufEtwas anders sieht es aus, wenn Kinder sich weh getan haben - manchen Kindern tut nach tröstenden Worten Ablenkung sehr gut, weil sie sich sonst sehr stark auf den Schmerz konzentrieren. Studien haben gezeigt, dass Schmerzen durch Ablenkung schneller vergehen. Wichtig ist dabei ist jedoch auch wieder, den Schmerz nicht zu bagatellisieren. "Beiß die Zähne zusammen!" ist also auch hier völlig fehl am Platz. Ein "Wollen wir ein Buch vorlesen, wenn es besser geworden ist?" gibt den Kindern ihr eigenes Tempo und ermöglicht ihnen, selbst zu entscheiden, ob es "es wieder gut" ist. Es gibt aber auch Kinder, die ihre Schmerzen gerne verarbeiten wollen, also genau rekapitulieren wollen, was genau geschehen ist und bei denen die Aufmerksamkeit eher dazu führt, dass der Schmerz abklingt.

Kleine Trostrituale helfen oft, dass Kinder sich schneller beruhigen. Trostverse oder auf die Wunde pusten mögen viele Kinder. Wenn es sich um Abschürfungen handelt, sollte man jedoch auf das Pusten verzichten - das fördert die Verbreitung von Bakterien. Viele Kinder tröstet es, wenn ihre Eltern ihnen etwas vorsingen. Im Kühlschrank sollte immer ein Kühlpad liegen - allein das Ritual, diesen auf eine Wunde zu legen, beruhigt viele Kinder. Sie haben damit das Gefühl, aktiv etwas gegen den Schmerz tun zu können.

Was ich immer wieder beobachte ist die Gabe von Trostsüßigkeiten. In der Hoffnung, das Kind abzulenken, werden Gummibärchen oder anderes Naschwerk angeboten. Auch dieses Ablenken führt dazu, dass das Kind nicht lernt, seine Trauer zu bewältigen, sondern sie zu unterdrücken, um die "Belohnung" zu erhalten. Außerdem ist die Verknüpfung "Mir geht es nicht gut" mit "Ich esse dann etwas Süßes" fatal, weil die Gefahr besteht, dass dieses Verhalten beibehalten wird und damit über kurz oder lang Kummerspeck droht. Außerdem kann Tröstnaschwerk natürlich die Tendenz zur Überdramatisierung erhöhen.

Ebenso kritisch sehe ich die Gabe von Globuli, da sie im Grunde genauso funktionieren, wie Trostgummibären. Für unsere Kinder ist es wichtig, zu lernen, mit der Trauer umzugehen - und nicht, dass für jedes Problem ein Mittelchen im Medizinschrank steht. Kinder wachsen an ihrer Traurigkeit und Entwickeln ganz von allein Bewältigungsstrategien aus sich heraus. Sind diese stabil ausgebildet, ist die Gefahr, später zu Alkohol oder Drogen zu greifen um Kummer und Sorgen zu ertränken, deutlich geringer.
 
© Danielle
  
 

 

Quellen







 

#RegrettingMotherhood - Wenn Frauen das Muttersein bereuen

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Vor kurzem bekam ein eine E-Mail eines Mitarbeiters von Radio Regenbogen. Er fragte mich, ob ich für die Morgenshow am Mittwoch kurz etwas zum Thema zum Thema #Regretting Motherhood sagen könnte.

Ich habe die sehr emotionale Debatte intensiv verfolgt und möchte meine Gedanken zu dem Thema gerne für Euch zusammenfassen.
 
 

Der Ausgangspunkt: Die Studie

 
Auslöser für die Diskussion war ein Artikel vom 5. April 2015 in der Süddeutschen Zeitung mit der etwas reißerischen Überschrift "Unglückliche Eltern - Sie wollen ihr Leben zurück". Im Artikel erfuhr man, dass die israelische Wissenschaftlerin Orna Donath für eine Studie 23 Frauen fand, die das Muttersein fast ausschließlich als Bürde empfinden. Und zwar so sehr, dass sie mit ihrem jetzigen Wissenstand nochmal vor die Wahl gestellt, definitiv entscheiden würden, kein(e) Kind(er) zu bekommen. Zwar würden diese Mütter ihre Kinder lieben und auch nicht bereuen, dass sie da sind - dennoch möchten sie einfach keine Mutter sein. Als Gründe für die Reue wurden vor allem Sorgen, die hohe Verantwortung und Konflikte zwischen Familienleben, Beruf und den persönlichen Bedürfnissen genannt.
 

Wie kommt es zu diesem seltenen Phänomen?


Die Natur sichert das Überleben der Menschen durch den Mutterinstinkt. Die Kombination aus dem Kindchenschema - große Augen, großer Kopf, runde Wangen - und einem Feuerwerk aus Hormonen und Pheromonen nach der Geburt stellen üblicherweise sicher, dass Mütter sich sofort in ihr Neugeborenes verlieben und sich zuverlässig um dessen Wohlbefinden kümmern.
 
Wie bei allen anderen Dingen in der Natur kann es auch hier zu Unregelmäßigkeiten im System kommen. Gar nicht wenige Mütter erleben diese überwältigenden Gefühle der Liebe nach der Geburt nicht - ihnen wird das Kind auf die Brust gelegt, sie schauen es an und denke: "Oh je - und nun?" In den meisten Fällen stellt sich bei ihnen die Mutterliebe etwas später, aber dann doch umfassend ein. Die wenigsten sprechen darüber, wenn es bei ihnen anders läuft - schließlich kennen sie nur euphorische Berichte und fragen sich, was bei ihnen schief gegangen ist. Es fällt schon schwer, vor sich selbst zuzugeben, dass die bedingungslose Liebe nicht sofort da war, sondern erst wachsen musste. Diese Eltern haben oft Angst, dass sie ihr Kind nicht genügend lieben können. Was müssen erst die Eltern empfinden, die warten und warten und bei denen sich diese innige Liebe und Verbundenheit einfach nicht einstellen will? Ihnen fällt es in der Regel dann sehr schwer, eine intensive Bindung zum Kind aufzubauen. Das passiert zwar sehr, sehr selten - aber es passiert. Diese Frauen bereuen oft ihre Mutterschafft, weil sie denken, dass sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Sie haben das Gefühl zu versagen und kämpfen ständig mit Sorgen und Ängsten.

Woran es liegt, dass sich einfach keine Muttergefühle einstellen wollen, darüber wird spekuliert, Forschungen dazu gibt es bisher nicht. Häufig steckt eine nicht erkannte und damit unbehandelte Depression dahinter - der Hormonumschwung im Wochenbett führt bei 60 bis 80 % aller Frauen zu einer kleinen Verstimmung, dem sogenannten Babyblues - auch Heultage genannt. Etwa 10 bis 20 % entwickeln eine ausgeprägtere Depression, die sich oft prägend auf die Mutter-Kind-Beziehung auswirkt.
 
Die ersten Wochen und Monate im Leben eines Babys sind enorm wichtig für die Entwicklung einer sicheren und stabilen Bindung. Das geschieht vor allem dadurch, dass auf die Signale des Kindes zuverlässig reagiert wird. Das fällt Frauen mit einer Wochenbettdepression extrem schwer, weil sie sich schnell überfordert fühlen und sehr mit sich selbst beschäftigt sind. So entsteht ein Kreislauf aus unzufriedenem Kind und einer immer angestrengteren Mutter. Wird diese Erkrankung nicht behandelt, kann das dazu führen, dass sich keine innige Mutter-Kind-Beziehung entwickelt und die Mutter im Ergebnis wirklich bereut, ein Kind bekommen zu haben. Das ist zumindest ein Erklärungsansatz.
 
Unabhängig davon, ob man es erklären kann oder nicht - dieses Gefühl ist einfach da und verschwindet in den meisten Fällen nicht mehr. Mütter, die so empfinden, schämen sich dieses Gefühls zutiefst und sprechen darüber nie, da bezüglich solcher Empfindungen völliges Unverständnis (vor allem bei Müttern) herrscht.
 

Die Reaktion auf #RegrettingMotherhood im Internet


Der Artikel über die Frauen, die ihre Mutterschaft bereuen, verbreitete sich in Windeseile im Internet, er wurde getwittert, geteilt und geliked. Innerhalb weniger Tage erschienen auf Elternblogs zahlreiche - zum Teil sehr kontroverse Artikel - die intensiv kommentiert und diskutiert wurden. Der Hashtag #RegrettingMotherhood spaltete Deutschlands Elternschaft und wird auch offline intensiv diskutiert.

Dabei ist man mittlerweile größtenteils vom ursprünglichen Thema abgekommen. Die schonungslose Offenheit der Mütter, die es bereuen, Kinder bekommen zu haben, hat dazu geführt, dass einige Mütter sich ein Herz fassten und einfach ein Tabu brachen, indem sie sagten: "Ich bin nicht glücklich mit meinem Mutterdasein". Dabei sagte jedoch keine der Diskutierenden tatsächlich: "Ich hätte lieber keine Kinder bekommen sollen". Nach den ersten zaghaften Andeutungen, dass man auch mal an die Zeit vor den Kindern zurück denken würde und sich etwas von der Unbeschwertheit zurückwünschen würde, brachen die Dämme und viele Eltern schrieben darüber, wie sie die Elternschaft überschätzt hätten, wie sie sie häufig überfordere und wie das Umfeld dazu beiträgt, dass man sich ständig unzulänglich fühlt.

Das führte dann zu Reaktionen wie "Das weiß man doch wohl vorher!", "Warum kann man seine Bedürfnisse nicht einfach mal für eine gewisse Zeit zurückstellen?" und "Wie kann man so etwas öffentlich schreiben, wo es später die Kinder lesen können?" Es ist parallel also eine Diskussion über das Bild der Mutter in der Gesellschaft entbrannt und es wird  nunmehr im Grunde vielmehr darüber diskutiert, ob man als Eltern überhaupt unzufrieden sein darf.
 

Warum Eltern manchmal unzufrieden sind

 

Falsche Erwartungen in Bezug auf die Elternschaft


Werdende Mütter kann man im Grunde in zwei Kategorien einteilen - solche, die über Erfahrungen mit Kindern verfügen und solche, die in ihrem bisherigen Leben kaum Kontakt zu Kindern hatten. Durch den Trend von der Großfamilie zur Kleinfamilie gibt es zunehmend mehr Frauen, die in Laufe ihres Lebens kaum Berührungspunkte mit Kindern haben. Das Konstrukt der Familie erleben sie nur oberflächlich im Umfeld oder in den Medien.

So gibt es tatsächlich nicht wenige Mütter, die wirklich nicht wissen, worauf genau sie sich da einlassen, wenn sie beschließen: "Ich bekomme ein Kind". Denn durch das in der Gesellschaft hoch gehaltene Bild der überglücklichen Mutter ahnen sie nicht ansatzweise, was sie erwartet. Durch das Tabu über die Anstrengungen der Elternschaft zu sprechen, können sie es ja auch gar nicht.

Man braucht sich nur in jede x-beliebige Krabbelgruppe oder irgendeinen PEKIP-Kurs setzen - dort trifft man nur auf gutschlafende, gutessende, immerzufriedene Babys. Man hat den Eindruck, bei allen anderen Eltern sei das Kinderhaben weder aufwändig noch problematisch. Das führt dazu, dass eine harmonisch funktionierende Familie als "Normalzustand" klassifiziert wird und man sich bei Abweichungen von der Norm automatisch unzulänglich fühlt. Und natürlich unglücklich und überfordert.

Die Erkenntnis, dass die unkomplizierten Kinder durchaus seltener als angenommen sind und es einen gewisser Totschweigfaktor bezüglich des Schlaf- oder Trotzverhaltens besteht, kommt häufig recht spät. Wer bis dahin versucht, im Bilderbuchmutti-Kampf mitzuhalten, wird recht schnell und frustriert an seine Grenzen kommen.

Frauen, die im näheren Umfeld bereits Erfahrungen mit Babys und Kindern sammeln konnten, wissen in der Regel, dass Babys anstrengend und fordernd sein können. Die Anstrengung überrascht sie daher in der Regel nicht, weil sie schon darauf eingestellt sind. Sie haben durchschaut, dass im Grunde alle Eltern die selben Probleme haben - der eine möglicherweise ausgeprägter, als der andere. Sie verfügen generell über über viel mehr Gelassenheit.

"Das weiß man doch vorher" trifft also nicht auf jede Mutter zu. Bei der Diskussion sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass Menschen vollkommen unterschiedliche Erfahrungshorizonte haben. Viele konnten es überhaupt nicht wissen - und die sollten auch vorwurfsfrei überrascht oder überfordert sein dürfen.

 

Der Mythos der ewigen Glücksseligkeit durch die Mutterschaft


Es herrscht die allgemeine Auffassung, dass Mütter grundsätzlich glücklich sein müssten. Schließlich erfüllen sie mit ihrer Elternschaft die von der Natur für sie vorhergesehene Aufgabe. Das setzt Eltern extrem unter Druck. Auch wenn es ihnen nicht bewusst ist - sobald ihr Kind gezeugt wird, treten sie in einen Wettstreit. Das beginnt mit den Vermessungen im Mutterleib, wo durch die heute mögliche technische Dauerüberwachung jede kleine Abweichung nach oben und unten kritisch beäugt werden kann.

Bei der Geburt und in den folgenden Wochen wird wieder vermessen und gewogen und verglichen. Was kann das Kind, was sollte es können, erfüllt es die Anforderungen? Das Kinderhaben ist zu einem riesigen überwachten Projekt geworden, bei dem Eltern eine große Verantwortung haben, es "richtig" zu machen. Und zum Richtigmachen gehört dazu, dass man entspannt und fröhlich dabei ist.

Das Glücklichsein hat oft auch eine Schutzfunktion. Durch den Projektstatus sind Eltern zunehmend umfassender informiert - leider oft auch sehr unterschiedlich. "Er schläft nicht allein? Versuche mal 'Jedes Kind kann schlafen lernen", "Lass das Kind bloß nicht schreien, damit zerstört man das Urvertrauen, nimm es mit in dein Bett", "Auf keinen Fall! Das kriegst du da doch nie wieder raus!"... eine unendliche Vielfalt an Wegen, Handlungsmöglichkeiten und Alternativen erschlägt uns nahezu - jeder meint, es genau oder besser zu wissen. 

Sobald man auch nur andeutet, dass man ein Problem mit seinem Kind hat, wird man mit einer Flut an Ratschlägen überschüttet, die man kaum sortieren kann. Natürlich will man das Beste für das Kind - nur was ist das Beste? Um das zu umgehen, vermeiden viele Eltern einfach, über Probleme zu sprechen. Wodurch sie dann bei den anderen wieder den Eindruck erwecken, bei ihnen liefe alles prima...

Es ist also wenig verwunderlich, dass Eltern daran verzweifeln, das Bild der glücklichen, unkomplizierten Familie nur mit sehr viel Anstrengung aufrecht erhalten zu können. Die wenigsten schaffen es, das Umfeld und den Wettkampf zu ignorieren. Wären wir alle ein bisschen offener und würden wir etwas toleranter in Bezug auf andere Lebens- und Erziehungsansätze sein, würde das die Lage deutlich entspannen und das Bild der Elternschaft in der Gesellschaft etwas realistischer gestalten.
 

Das unterschiedliche Maß der Bereitschaft zurück zu stecken


Einer der am heißesten diskutierten Aspekte ist der Wunsch nach mehr Freiheit. Es sei egoistisch, die langen Partynächte oder weiten Urlaubsreisen zu vermissen, heißt es da. Kinder bringen Verantwortung mit sich - da müssen man eben mal zurückstecken. Dabei wird recht schnell aus den Augen verloren, dass Menschen sehr unterschiedlich intensive Bedürfnisse haben. Natürlich fällt es jemandem, der schon als Jugendlicher keine Diskotheken mochte, ganz leicht zu sagen: "Da gehen meine Kinder vor!" Für jemanden, der leidenschaftlich gerne tanzt und für den Ausgehen am besten zur Entspannung beiträgt, für den bedeutet die allabendliche Babyphoneüberwachung eine viel größere Entbehrung.

Das Elternsein bringt für alle Eltern kleinere und größere Verluste an Lebensqualität mit sich - wie stark diese für jemanden ins Gewicht fallen, kann niemand anderes beurteilen. Der eine kann die Problematik des Schlafmangels nicht nachvollziehen, weil er sonst auch wenig schläft und häufig aufwacht, ein Baby schränkt ihn diesbezüglich nicht ein. Ein anderer braucht unbedingt eine bestimmte Zahl an Stunden ununterbrochenen Schlafs, damit er den Tag einigermaßen übersteht - für ihn können Schlechtschläferkinder tatsächlich die Hölle sein und es ist nachvollziehbar, wenn derjenige beim fünften Aufwachen in der Nacht kurz denkt "Das nervt!".

Für das seelische Wohlbefinden braucht jeder Mensch andere Dinge - dass er diese vermisst, das ist vollkommen nachvollziehbar. Warum sollte derjenige das nicht bedauern und darüber sprechen? Warum sollten wir darüber urteilen? Vielmehr ist es doch ein Glück, wenn wir es ohne weiteres schaffen, unsere Bedürfnisse zurückzustecken. Aber das kann nicht von jedem erwartet werden.

 

Der Einfluss der familiären Unterstützung


Man darf auch nicht vergessen, dass unsere Lebensumstände sehr unterschiedlich sind. Während bei dem einen die eigenen Eltern im selben Haus oder Ort leben, haben andere Familien keinerlei Unterstützung. Nun ist es für denjenigen, dessen Kinder auch mal liebevoll von Eltern oder Tanten betreut werden, damit die eine oder andere Stunde Freizeit abfällt, ein Einfaches zu sagen: "Ist doch alles ganz entspannt, warum sollte man Muttersein bereuen?"Leider fehlt vielen Unterstützung und sie müssen sich rund um die Uhr um Haushalt und Kinder kümmern. Dass man da die fehlende freie Zeit für sich schneller mal bedauert, ist nachvollziehbar.
 
Vor allem Alleinerziehende sind besonders belastet. Sie tragen in besonderem Maße Verantwortung und haben häufig besonders wenig Rückhalt in Netzwerken. Da sie für alles allein zuständig sind, fehlt ihnen die Zeit, Kontakte zu pflegen, wodurch eine höhere Gefahr besteht, dass sie sozial vereinsamen. Zudem können sie häufig - wenn überhaupt - nur auf die Hilfe der halben Familie zurück greifen.

Die Freude am Muttersein


Es gibt tatsächlich Frauen, die sind einfach geborene Mütter. Nichts füllt sie so sehr aus, wie Kinder zu haben und wirklich alles fällt ihnen leicht. Sie tragen hingebungsvoll ihre Kinder, schlafen jahrelang mit ihnen im Familienbett und lieben es stundenlang mit ihnen zu spielen. Ehrlich gesagt - ich kenne genau eine Mutter, die so ist und bestaune und bewundere sie sehr. Ihr käme es nie in den Sinn zu sagen, dass sie etwas bereut oder vermisst - stattdessen wünscht sie sich fünf Kinder und geht vollkommen in ihrer Mutterschaft auf.

Viele Frauen stellen jedoch überrascht fest, dass sie das Mutterdasein doch nicht so ausfüllt, wie sie es erwartet haben - zumindest nicht über längere Zeit. Auch hier ist es wieder problematisch, dass sie sich als sonderlichen Exoten empfinden, bei dem irgendein natürlicher Mechanismus nicht funktioniert. Befeuert wird das schlechte Gefühl von Debatten über Fremdbetreuung, bei denen zumindest ein Teil der Mütter die Ansicht vertritt, ein Kind unter drei Jahren solle keinesfalls von jemand anderem als ihrer Mutter betreut werden. So bleiben nicht wenige Mütter länger der Arbeit fern, als sie es gerne würden. Paart sich das mit einer gewissen Isolation, weil man kaum Kontakte zu anderen Müttern knüpfen kann, hat das natürlich Einfluss auf das Wohlbefinden der Mutter und es ist nicht weiter erstaunlich, wenn diese sich gelegentlich sagt: "Ohne Kind ginge es mir im Moment besser".

 

Die Angst vor der Verantwortung

 
Wer kennt das nicht? Da verlässt man das Krankenhaus, in dem man gerade noch lauter Ansprechpartner bei allen Fragen hatte... und sitzt plötzlich allein und ziemlich ahnungslos daheim. Plötzlich ist da dieser Stein im Magen und man fragt sich ganz zweifelnd, wie man diese Verantwortung tragen soll. Hat man dann noch ein Schreibaby, ist die Verzweiflung groß - man fühlt sich hilflos und einsam.
 
Zwar hört man immer wieder von anderen "Da wächst man rein" und das tut man auch bis zu einem gewissen Grad - aber viele begleitet dieses ängstliche und hilflose Gefühl lange Zeit. Sich permanent zu fragen, ob alles, was man tut gut und richtig ist, sich vor Entscheidungen zu fürchten, weil Sachverhalte so unglaublich komplex sein können - all das zermürbt einige Mütter.
 


 

Was die Diskussion uns zeigt

 
Die #RegrettingMotherhood-Debatte ist im Grunde eine sich in den Schwanz beißende Katze und macht deutlich, was genau unser Problem ist: Die Erwartungshaltung. Dadurch, dass kaum einer sich traut, darüber zu reden, entsteht in der Gesellschaft ein Bild der umfassend glücksseligen Mutter. Sobald Frauen bemerken, dass sie dieses Bild nicht erfüllen können, weil sie eben nicht restlos glücklich und zufrieden sind und der Erfüllung ihrer Bedürfnisse nachtrauern, ziehen sie sich zurück.
 
Da vermeintlich nur bei ihnen die Freude am Mutterdasein eingeschränkt ist, halten sie das für ihr eigenes Versagen und schämen sich. Sie versuchen jedoch, sich ihre Verunsicherung und ihre Unzufriedenheit nicht anmerken zu lassen, damit sie das Klischee "glückliche Mutter" erfüllen.
 
Umso befreiender ist es nun für Müttern, im Rahmen der Diskussion zu lesen, dass es vielen anderen Müttern genauso geht, wie ihnen. Dass sie erschöpft sind, manchmal keine Lust mehr auf den ganzen Kinderkram haben und einfach nur gerne ein Buch lesend am Strand sitzen möchten. Am besten auf einer ganz einsamen Insel. Tatsächlich würden sie nach ein paar Stunden ganz sicher wieder gerne zurück zu ihren Kindern - denn keiner bereut die Mutterschaft wirklich, nur weil er sich ein paar Dinge wünscht oder welche vermisst.
 
Die Diskussion, die hier in den Social-Media-Kanälen und Blogs geführt wird, hätte eigentlich treffender #DisillusionedByMotherhood heißen müssen - sie hat mit dem sehr seltenen Umstand, dass Mütter tatsächlich keine Mütter sein wollen oder können wenig zu tun - ist aber wegen der breiten Masse an Betroffenen ebenso wichtig. Mütter, die tatsächlich bereuen, dass sie Kinder bekommen haben, können sich von der aktuellen Debatte nur missverstanden fühlen. Daher trägt die Diskussion leider nur dazu bei, dass sich das Tabu festigt.

Ich hoffe von Herzen, dass die Frauen, die ihre Mutterschaft bereuen Unterstützung und Hilfe haben, um diesen schwierigen Weg zu beschreiten. Sie haben es sich nicht ausgesucht und sie können ihre Situation nicht ändern - obwohl sie sich das sicher von Herzen wünschen. Daher wünsche ich mir als Ergebnis von #RegrettingMotherhood vor allem generell mehr Toleranz und ein offeneres Ohr für Themen, die man auf den ersten Blick vielleicht nicht unbedingt nachvollziehen kann. Und wir alle können daran arbeiten, ein realeres Bild vom Elternsein zu schaffen. Lasst uns darüber reden, wenn etwas nicht gut läuft oder wir mal am Ende unserer Kräfte sind und nicht so tun, als wäre alles eitel Sonnenschein.
 
© Danielle
 

Über Belohnungssysteme, Tokensysteme und Verstärkerpläne

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Vor einiger Zeit machte mich Gabriele von Motherbook auf einen Artikel in der faz aufmerksam, in dem ein paar Lehrer ihre Geheimtipps gegen respektlose und laute Schüler verrieten. Allen voran ging es dort um Belohnungssysteme (auch als Verstärkerpläne oder Tokensysteme bezeichnet). Ich wurde gebeten, zu diesem Artikel und den darin enthaltenen Erziehungsmaßnahmen Stellung zu nehmen. Da ich diese sowohl als Mutter als auch als Sonderpädagogin einschätzen kann, ist mein Artikel zugleich an Eltern und an Pädagogen gerichtet.

Belohnungssysteme begleiten uns tagtäglich auf Schritt und Tritt in unserer Gesellschaft. Sie sind uns deshalb vertraut und fühlen sich nicht falsch an. Sie funktionieren augenscheinlich wunderbar - Kinder wie Erwachsene lassen sich von der in Aussicht gestellten Belohnung motivieren, sich zusammenzureißen und Dinge zu machen, auf die sie sonst womöglich keine Lust gehabt hätten. Sind Verstärkerpläne also eine gute Antwort auf alle Erziehungsprobleme?
 

Was sind Belohnungssysteme?

 
Ein Belohnungssystem, auch Token-System oder Verstärkerplan genannt, ist ein Verfahren aus der Verhaltenstherapie, bei dem eine Person für ein bestimmtes erwünschtes Verhalten belohnt wird.
 
Da die Belohnung im Alltag meist nicht unmittelbar zur Verfügung steht, wird zur Überbrückung der Zeit zwischen positivem Verhalten und Belohnung eine Art Tauschwert ausgegeben, die sogenannten Token (übersetzt vielleicht in etwa: Münzen). Es müssen keine Münzen sein, als Token eignet sich alles, was sich sammeln lässt: Aufkleber, Sternchen, Murmeln, Smileys etc. Diese werden meist auf einen Verstärker-Plan geklebt oder - bspw. bei Murmeln - in einem Glas gut sichtbar aufbewahrt. 

Hat eine Person eine vorher festgelegte Anzahl von Token erarbeitet, kann sie diese gegen eine Belohnung eintauschen. Diese Belohnung (primärer Verstärker) muss immer individuell abgestimmt sein auf die Person, die das erwünschte Verhalten zeigen soll, sonst wirkt sie nicht verstärkend. Das könnten z. B. Lieblingssüßigkeiten sein oder Aktivitäten, die die Person besonders schätzt oder auch ein Spielzeug, das sie sich schon lange wünscht. Belohnungssysteme beruhen immer auf dem Prinzip der operanten Konditionierung und wurden zunächst in geschlossenen Institutionen wie psychiatrischen Kliniken angewendet.
 

Welche Arten von Belohnungssystemen gibt es?


Verstärkung positiven Verhaltens


Ein Kind soll ein negatives Verhalten ablegen und sich stattdessen ein positives Verhalten aneignen. Bei einem System mit positiver Verstärkung würden alle Vorkommnisse des negativen Verhaltens ignoriert werden. Das erwünschte Verhalten würde von den Erwachsenen durch Lob und ein kleines Token honoriert werden. Das Kind würde also z. B. ein Sternchenaufkleber bekommen, den es in seinen Verstärkerplan kleben kann. Hat es eine bestimmte Anzahl der Aufkleber gesammelt, darf es diese Eintauschen z. B. gegen einen Besuch im Zoo. Wichtig dabei ist, dass die Belohnung von dem Kind nicht anderweitig erhalten werden kann. Wird also als Belohnung ein Überraschungsei in Aussicht gestellt und das Kind erhält sowieso bei jedem Einkauf ein solches Ei, wird diese Belohnung ihre Wirkung verfehlen.

Bestrafung negativen Verhaltens (Verstärker-Entzugs-System)


Wütendes KindEin Kind soll negatives Verhalten ablegen und sich an dessen Stelle ein positives Verhalten aneignen. Dazu bekommt es zunächst eine bestimmte Anzahl von Token (z. B. 10 Murmeln) zugeteilt. Immer, wenn es das negative Verhalten zeigt, wird ihm ein Token abgezogen. Sind am Ende des vorher festgelegten Zeitraumes alle Token weg, wird dem Kind ein Privileg entzogen. Es darf z. B. nicht mit auf einen Familienausflug, oder es darf an diesem Tag nicht zu seinem geliebten Schwimmunterricht gehen.

Ist noch mindestens ein Token vorhanden, darf es teilnehmen. Die Idee dahinter ist, dass sich das Kind anstrengen wird, das unerwünschte Verhalten nicht zu zeigen, um sein Privileg nicht entzogen zu bekommen. Das entzogenen Privileg muss aber, wie die Belohnung bei der positiven Verstärkung, individuell auf das Kind abgestimmt sein, sonst verfehlt es seine Wirkung bzw. spornt vielleicht sogar noch an, negatives Verhalten zu zeigen. Möchte das Kind beispielsweise gar nicht mit auf den Familienausflug, könnte es sein, dass es absichtlich unerwünschtes Verhalten zeigt, um dieses "Privileg" entzogen zu bekommen.

Verstärkung positiven Verhaltens bei gleichzeitiger Bestrafung negativen Verhaltens


Ein Kind soll negatives Verhalten ablegen und sich an dessen Stelle ein positives Verhalten aneignen. Es erhält für gezeigtes erwünschtes Verhalten Token, die es sammeln kann. Zeigt es unerwünschtes Verhalten, werden ihm die selbst erarbeiteten Token wieder entzogen. Hintergrund dieses Systems ist eine Versuchsreihe mit Ratten im Labor: drückten diese den falschen Knopf, erhielten sie ein Futter, welches ihnen leichte Übelkeit brachte, drückten sie den richtigen Knopf, erhielten sie ein echtes Leckerli. Diese Ratten lernten schneller, den falschen Knopf zu meiden und den richtigen zu drücken, als ihre Versuchskollegen. So soll auch das Kind schneller begreifen, dass erwünschtes Verhalten schneller zur Belohnung führt, wenn zwischendurch kein unerwünschtes Verhalten gezeigt wird.

 

Belohnungssysteme im privaten Bereich


In welchen Situationen können Tokensysteme eingesetzt werden?


Tokensysteme funktionieren nur dann, wenn das Kind zumindest ansatzweise in der Lage ist, das gewünschte Verhalten zu zeigen. So können Tokensysteme also für alles eingesetzt werden, das dem Reifestand des Kindes entspricht und durch Wiederholung und positive Rückmeldung eingeschliffen werden soll. Denkbar wäre z. B. der Einsatz eines Tokensystems für Situationen wie das Nachhausekommen: Zieht sich das Kind selbständig die Schuhe aus und stellt sie auf den richtigen Platz, hängt es seine Jacke auf, zieht es seine Hausschuhe an und geht dann Händewaschen, dann könnte es im Anschluss einen Aufkleber auf seinen Belohnungsplan kleben. Die Eltern könnten auch kleinschrittiger vorgehen und z. B. ein Sternchen nur für das Aufhängen der Jacke geben, wenn das der besondere Streitpunkt zwischen ihnen und dem Kind war.

Ebenso für einen Verstärkerplan geeignet ist der Toilettengang: Geht das Kind auf die Toilette, putzt sich ab, spült und säubert mit der Bürste und wäscht sich hinterher die Hände mit Seife, dann würde es dafür einen Token erhalten. Manche Eltern wollen den Toilettengang an sich durch ein Verstärkersystem forcieren. Ist das Kind schlicht "zu faul", auf Toilette zu gehen und macht lieber in die Windel, dann könnte ein Verstärkerplan den Anreiz geben, die Faulheit zu überwinden. Das klappt aber nur dann, wenn das Kind seine Blase und seinen Darm tatsächlich schon unter Kontrolle hat!

Denkbar wäre ein Verstärkersystem auch beim leidigen Thema Aufräumen. Soll das Kind abends das Spielzeug im Kinderzimmer wieder wegräumen und tut das ohne Murren, dann könnte es durch ein Sternchen auf dem Verstärkerplan belohnt werden. Das gleiche gilt für das Anziehen der Sachen am Morgen - zieht das Kind sich morgens selbständig an, könnte es dafür einen Aufkleber auf seinen Plan kleben.

 

In welchen Situationen können Tokensysteme nicht eingesetzt werden?

 
Wollen Eltern ein Kind durch ein Belohnungssystem mehr oder minder überreden, aufs Töpfchen zu gehen, obwohl dies noch nicht dem Reifegrad des Kindes entspricht, kann das nicht funktionieren und wird zu Frustrationen führen. Beim Kind, weil es das Gefühl hat, zu versagen und körperlich nicht in der Lage ist, dies zu ändern. Bei den Eltern, weil sie sich Erfolg versprochen haben und nun vielleicht sauer auf das Kind werden, dass es nicht "funktioniert" (ja, das Kind), obwohl doch eine Belohnung in Aussicht gestellt wurde.
 

Der wichtigste Punkt bei Einführung eines Tokensystems ist also, ob das Kind das gewünschte Verhalten zumindest ansatzweise beherrscht. Zieht es sich in eine Ecke zurück, um dort in Ruhe in die Windel machen zu können, kann man als Eltern davon ausgehen, dass es seine Darmentleerung soweit unter Kontrolle hat und ein Verstärkersystem wirken könnte.
 
Der zweitwichtigste Punkt für ein gelingendes Einführen eines Tokensystems ist aber auch, dass das Kind aktiv damit einverstanden ist, sich durch Belohnungen zur Änderung seines Verhaltens manipulieren zu lassen. Macht es sein großes Geschäft z. B. noch in die Windel, weil es Angst hat, das auf der Toilette zu tun (Stichwort: etwas von sich selbst loslassen können), wird es vermutlich auch durch ein Belohnungssystem nicht davon überzeugt werden, seine Angst zu überwinden. Dann sollten die Eltern davon absehen, einen Verstärkerplan einzuführen.

Ebenso wenig sinnvoll ist es, ein Tokensystem einzuführen, wenn ein Kind haut, kneift oder beißt, auch, wenn es grundsätzlich in der Lage ist, Konflikte auch ohne Gewalt zu lösen. Kinder hauen, kneifen und beißen jedoch meist im Affekt. Da die Impulskontrolle bei ihnen noch lange nicht ausgereift ist, kann auch ein Verstärkersystem nur wenig ausrichten. Das Kind wird trotzdem im Affekt zuhauen, einfach, weil das eine Kurzschlussreaktion des Gehirns ist - und sich hinterher darüber ärgern, dass es nun einen negativen Punkt auf dem Verstärker-Entzugs-Plan hat.

Denn das ist das zweite Problem an der Nutzung von Tokensystemen bei impulsivem Hauen, Kneifen und Beißen: Man kann als Elternteil oder als Erzieher/in im Normalfall nicht sehen, wann ein Kind nicht zugebissen hat, obwohl es den Impuls dazu hatte. Wenn man das möchte, muss man das Kind schon sehr, sehr genau beobachten und in brenzligen Situationen erkennen, wann der Impuls unterdrückt wurde. Das mögen Profis können, aber die Mehrzahl der Eltern eher nicht. Deshalb würden also Eltern normalerweise auf ein Verstärker-Entzugs-Programm zurückgreifen, dem Kind also immer dann einen Punkt abziehen, wenn es gebissen oder gehauen hat. Das wiederum bringt aber den Fokus der Erziehung zu sehr auf das negative Verhalten und ein Kreislauf aus impulsivem Verhalten, Bestrafung, Frust und Rachegefühlen würde beginnen.

Das wäre für mich persönlich ein Ausschlusskriterium für die Nutzung eines solchen Verstärker-Entzug-Plans, denn letzten Endes läuft dieser immer auf eine Strafe hinaus. Doch Strafen lösen bei Kindern vor allem eins aus: Trotz. Kinder, die bestraft werden, entwickeln einen inneren Zorn, den sie entweder an Schwächeren auslassen oder später dann an ihren Eltern. Dieser innere Zorn lässt eine emotionale Lücke zwischen den Eltern und dem Kind entstehen, die nur noch schwer zu schließen ist. Je öfter ein Kind bestraft wird, desto weiter entfernt es sich emotional von seinen Eltern. Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber wenn ich alt und gebrechlich bin, wäre es mir sehr lieb, wenn meine Kinder von sich aus regelmäßig Kontakt zu mir halten würden und zwar nicht aus Pflichtgefühl, sondern gern. Deshalb wähle ich meine Erziehungsmethoden mit Bedacht und achte darauf, dass sie die Würde des Kindes nicht verletzen.

 

Welche positiven Aspekte gibt es?


Manche Kinder registrieren positives Feedback nicht oder nur unzureichend im Alltag (sie hören das Lob also nicht) und haben deshalb eher das Gefühl, alles falsch zu machen bzw. nur unzureichend in den Augen der Eltern zu sein. Für diese Kinder sind Token eine gute Sache, weil sie ganz klar den Moment hervorheben, in dem sie sich "richtig" verhalten haben. Außerdem sind Token zählbar, d. h. das Kind kann am Ende eines Tages nachvollziehen, wie oft es von seinen Eltern gelobt worden ist. Das kann sich positiv auf das Selbstwertgefühl des Kindes auswirken.

Ein Tokensystem kann sich auch positiv auf den Blick der Eltern auswirken, wenn diese am Ende des Tages genau sehen können, wie oft ihr Kind eine bestimmte Sache am Tag gut gemacht hat. So können auch Eltern besser nachvollziehen, wie stark sich ihr Kind eigentlich anstrengt. So könnte das Belohnungsssystem auch für die Eltern eine Hilfe darstellen, aus einer Spirale des negativen Denkens ("Mein Kind ist so unordentlich - nie räumt es auf. Immer muss ich aufräumen!") auszubrechen.

Tokensysteme machen gewünschtes Verhalten transparent. Das bedeutet, Kinder können durch die Token klar nachvollziehen, welches Verhalten genau von den Eltern als positiv bewertet wird, und welches nicht. Diese Art der Transparenz ("Wenn ich die Hände nach dem Nachhausekommen wasche, bekomme ich ein Sternchen, wasche ich sie nicht, bekomme ich keins.") gibt Kindern einen klaren Weg vor und bietet ihnen somit Verhaltenssicherheit ("Meine Elter möchten, dass ich mir die Hände wasche, nachdem wir nach Hause gekommen sind.") Diese Erkenntnis mag banal klingen, ist sie aber nicht. Oft genug sagen Eltern ihren Kindern nämlich, was sie nicht tun sollen, vergessen aber zu erklären, was das Kind stattdessen tun soll. ("Hör auf, mit dem Sand zu werfen, du triffst dabei deine Schwester!" versus "Wirf den Sand dorthin, wo niemand sitzt, damit du keine anderen Kinder aus Versehen triffst!")

Welche negativen Aspekte gibt es?


Ein Belohnungssystem ist eine Methode, die nur oberflächlich an sichtbarem Verhalten ansetzt, aber die Gründe für dieses Verhalten komplett ignoriert. Das ist im Falle von Händewaschen oder Zimmer aufräumen nicht problematisch, denn dahinter stehen meist keine tieferliegenden Probleme. Kinder räumen einfach ungern auf und sie haben eben besseres zu tun, als sich ständig die Hände zu waschen.

Leider werden Belohnungssysteme aus Unwissenheit im Alltag auch für andere Schwerpunkte eingesetzt. Kinder erhalten z. B. dann einen Punkt, wenn sie "lieb" sind, ihre Geschwister nicht ärgern, nachts nicht einpullern oder ihr Essen brav aufessen. Das finde ich schlimm, denn es signalisiert den Kindern: "Ich interessiere mich nicht dafür, warum du deine Schwester ärgerst, ich möchte nur, dass du damit aufhörst. Mir ist wichtig, dass du funktionierst, aber ich mache mir nicht die Mühe, herauszufinden, was dich dazu veranlasst, das störende Verhalten zu zeigen".

Ich finde es bemerkenswert, dass viele Eltern hier noch kein Problembewusstsein entwickelt haben. Während Schlaflernprogramme bei Babys mittlerweile bei so gut wie allen verpönt sind, werden Verhaltenlernprogramme wie Tokensysteme jedoch eher positiv beurteilt. Dabei ist das doch eigentlich das Gleiche - bei dem einen wird den Babys antrainiert, nachts ein in den Augen der Erwachsenen störendes Verhalten (Schreien) abzustellen, bei dem anderen wird Kindern antrainiert, tagsüber ein in den Augen der Erwachsenen störendes Verhalten (ärgern, einpullern, lautes Brüllen, Wutanfälle) abzustellen. Beide Male werden die echten Bedürfnisse des Kindes ignoriert, damit der Erwachsene schnell seine Ruhe hat.

Der größte negative Aspekt von Tokensystemen ist ihre Wirkung auf die neuronalen Bahnen im Gehirn. Wird einem Kind beigebracht, dass seine Aktionen immer von den Eltern durchgesetzte, positive oder negative Konsequenzen haben, bilden sich in seinem Gehirn relativ kurze, wenig verschachtelte Nervenbahnen. Ich nenne sie hier mal der Einfachheit halber "Wenn-Dann"-Nervenbahnen.

Diese "Wenn-Dann"-Nervenbahnen sind aufgrund ihrer wenig komplexen Natur recht bald im Gehirn aufgebaut, d.h. ein Kind reagiert verblüffend schnell auf diese elterliche Taktik: "Wenn du nicht aufhörst, mit Sand zu werfen, gehen wir gleich nach Hause!" (direkter Entzug von Privilegien), oder auch auf: "Wenn du jetzt leise bist, gehen wir gleich ein Eis essen" (Belohnung). Das fühlt sich natürlich erst einmal fantastisch an für die Eltern, die sich freuen, ihre elterliche Kompetenz unter Beweis gestellt zu haben. Ich kann daher gut verstehen, dass viele, viele Eltern darauf zurückgreifen und ja, auch mir sind schon mehr als einmal solche Sätze über die Lippen gekommen, wenn ich nicht die Kraft hatte, mich mit dem eigentlichen Problem des Kindes auseinanderzusetzen.
 
Schmutziges Kind isst Eis
Leider werden die Wenn-Dann-Nervenbahnen im Gehirn nicht richtig aktiviert, sobald keine strafende Autorität im Hintergrund steht und mit einer Konsequenz droht. Sprich: Ein Kind, das gelernt hat, dem anderen die Schippe nicht wegzunehmen, weil es sonst nach Hause muss oder einen negativen Punkt am Verstärkerplan bekommt, wird an anderer Stelle einem anderen Kind trotzdem den Roller wegnehmen, wenn seine Eltern nicht dabei sind! Ein Kind wiederum, das keine kurzen Wenn-Dann-Nervenbahnen ausgebildet hat, sondern lange, verschachtelte Nervenbahnen, die sich aus echtem Verständnis für die Situation des anderen Kindes entwickelten, würde auch ohne Autorität im Hintergrund das unerwünschte Verhalten unterlassen. Es würde dem anderen Kind den Roller nicht wegnehmen, weil es wüsste, wie traurig dieses sich dann fühlt. Dazu muss es aber viele, viele Male diese Situation durchgemacht haben, sowohl als Wegnehmer, als auch als Weggenommen-Bekommener, um Verständnis für beide Seiten zu entwickeln und es muss auch schon ein bestimmtes Alter (etwa ab 4) haben, um überhaupt die Perspektive des anderen Kindes einnehmen zu können.

Am allerbesten gelingt den Kindern das übrigens, wenn wir Erwachsenen uns aus den Kinderkämpfen heraushalten. Das Einfühlen in die Situation eines anderen hat nämlich als Voraussetzung, dass das Kind die Gefühle des anderen selbst schon einmal erlebt hat und weiß, was ihm selbst in dieser Situation als Trost geholfen hat. Greifen wir Erwachsenen andauernd schlichtend ein, werden aber diese Situationen, in denen Kinder über sich und ihre Gefühle klar werden, verkürzt, so dass sie gar nicht lernen können, wie doof es sich anfühlt, wenn ein anderer einem den geliebten Roller entreißt.

Durch das Eingreifen des Erwachsenen ist ja der entwendete Roller in Windeseile schon wieder beim originalen Besitzerkind - dieses kann in der kurzen Zeit gar nicht richtig traurig werden. Es lernt deshalb auch nur ansatzweise, sich in die Gefühlswelt eines anderen Kindes hineinzufühlen, dem etwas weggenommen wurde. Das heißt übrigens nicht, dass wir Erwachsene unser Kind, wenn es etwas weggenommen bekommt, nicht trösten sollen. Trösten ist für Kinder sehr wichtig!

Ein weiterer negativer Punkt ist die subjektive Wirkung auf das Kind. Wenden Eltern die Methode des Tokensystems zu oft an, könnte beim Kind die Botschaft ankommen: "Du bist nicht okay, so wie du bist. Es gibt so vieles, das wir an dir ändern wollen." Ganz sicher wird das nicht passieren, wenn die Eltern einmalig einen Verstärkerplan einsetzen, um beispielsweise die morgendliche Anzieh-Routine einzuschleifen. Werden Tokensysteme jedoch für viele verschiedene "Baustellen" beim Kind angewandt, könnte es eben doch sein, dass das Kind die bedingungslose Liebe der Eltern in Frage stellt. Auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift.

Wie geht es ohne Tokensystem?


Ich bin persönlich kein großer Fan von Tokensystemen innerhalb einer Familie - das konntet ihr vielleicht bis hier her schon herauslesen. Ich verdamme sie aber auch nicht - sie sind einfach eine Methode, die mir selbst nicht liegt. Ich sehe jedoch durchaus, dass sie, im richtigen Kontext angewendet, bestimmte Streitpunkte zwischen Eltern und Kind in kurzer Zeit auflösen können. Davon profitieren alle - eine win-win-Situation also.

Mir wird oft die Frage gestellt, wie man es denn ohne Verstärkersystem schafft, seine Kinder dazu zu bringen, z. B. regelmäßig aufzuräumen ohne dass man jedes Mal erst schimpfen muss. Das ist eine gute Frage - und ich habe darauf keine befriedigende Antwort. Meine Kinder räumen nicht regelmäßig auf, sie werfen ihre Jacke manchmal nach dem Nachhause-Kommen auf den Boden, sie vergessen häufig, nach dem Toilettengang zu spülen und leeren ab und zu gedankenverloren den Buddelsand aus ihren Schuhen in unserem Flur. Damit habe ich vielleicht in den Augen mancher Eltern versagt, aber so richtig doll stresst mich das nicht. Ich bin mir ganz sicher, dass meine Kinder die Kompetenzen des Spülens, des Aufräumens und des Jacke-Aufhängens auch ohne meine Nörgelei erwerben werden. Dann nämlich, wenn es für sie wichtig ist. Das mag erst dann sein, wenn sie ihre eigene Wohnung haben oder vielleicht sogar erst, wenn sie eigene Kinder bekommen. Doch irgendwann werden sie es können. Mir ist bewusst, dass sie ihre Nachlässigkeit nicht böse meinen, deshalb kommt es deswegen bei uns nur selten zum Streit. Ich war selber einmal klein und weiß, dass alles andere in dem Moment wichtiger ist - diesen kindlichen Blick habe ich mir bewahrt.

Habe ich einen schlechten Tag und mich stört das Chaos doch zu sehr, dann rede ich gewaltfrei mit meinen Töchtern und bitte sie, aufzuräumen. Das passiert dann - oder manchmal auch nicht. Wichtigster Teil der Bitte in der Gewaltfreien Kommunikation ist ja, dass der andere auch "nein" sagen darf. Ab und zu frage ich auch augenzwinkernd in die Runde, ob ich Cinderella bin und meine Töchter Drisella und Anastasia. Diesen Wink verstehen meine fast Fünfjährigen nun schon, und dann trollen sie sich zu mir, um mit mir gemeinsam aufzuräumen. 

Insgesamt versuche ich, ihnen einfach ein gutes Beispiel zu sein. Ich bin selber keine ausgesprochene Putzfee - ich kann Aufräumen nicht leiden. Eine Freundin, bei der es immer wunderbar sauber ist, gab mir den Tipp, jeden Tag nur 15 Minuten intensiv aufzuräumen - mehr nicht. Das mache ich seit einer Weile und ich muss sagen, es klappt wunderbar. 15 Minuten sind nicht viel, so dass ich mich vor dieser Zeit nicht drücken muss. Es bleibt aufgrund der Zeitknappheit auch so manches liegen. Das räume ich dann am nächtsen Tag weg. Aber peu à peu wird es bei uns aufgeräumter. Meine Kinder sehen, dass Aufräumen nicht weh tut und dafür nur wenig Zeit von wirklich wichtigen Lebensinhalten, wie Spielen, verloren geht.

Was das Anziehen angeht - da gibt es ein paar Tricks, die helfen, dass sich ein Kind morgens auch ohne Verstärkerplan anzieht - dazu in Kürze mehr in einem gesonderten Artikel.
 

Belohnungssysteme in der Schule/im Kindergarten


In welchen Situationen können Token-Systeme eingesetzt werden?


Auch in der Schule sollten Tokensysteme nur für Verhalten eingesetzt werden, das einen unproblematischen Hintergrund hat und einfach eingeschliffen werden soll. Es ist zum Beispiel möglich, dass Schüler_innen ein Token erhalten, wenn sie die Pause dazu nutzen, die Materialien der letzten Stunde in ihrer Schultasche zu verstauen und die neuen Materialien ordentlich auf ihren Tisch zu legen. Auch, wenn der/die Lehrer_in Hausaufgaben vergibt, könnte er/sie den Schüler_innen, die diese angefertigt haben, ein Token dafür geben. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, dass Schüler, die 5x hintereinander die Hausaufgaben gemacht haben, einen "Hausaufgaben-Gutschein" erhalten, den sie solange aufheben können, bis sie irgendwann einmal vergessen haben, die Hausaufgaben zu machen. In dem Fall könnten sie dann den "Hausaufgaben-Gutschein" einlösen. Die vergessene Hausaufgabe wird ihnen dann nicht als negativ angekreidet. Kinder, die am Ende des Monats noch alle Hausaufgaben-Gutscheine haben, ohne einen eingelöst haben zu müssen, könnten diese dann beispielsweise gegen eine Fleiß-Note 1 eintauschen.


Klassenzimmer

Kinder, die an ADHS leiden, können durch ein Belohnungssystem dazu gebracht werden, störendes unruhiges Verhalten größtmöglich einzuschränken. Da das Verhalten keinen anderen Hintergrund als die gehirnbiologische Störung hat, ist eine Anwendung in diesem Fall okay, denn meist wollen die Kinder selbst lernen, gesellschaftskonformer zu agieren. Der Erwachsene muss jedoch im Hinterkopf behalten, dass das "Zusammenreißen" für diese Kinder eine enorme Kraftanstrengung bedeutet, weil ihr Körper sie immer wieder betrügt. Gerade bei diesen Kindern ist es deshalb wichtig, sehr kleinschrittig vorzugehen. Hat der/die Schüler_in oder das Kindergartenkind sich beispielsweise für 5 Minuten auf eine Aufgabe konzentriert, sollte es schon ein Token erhalten.

Sinnvoll ist auch, Kindern mit ADHS permanente nonverbale Rückmeldung mittels Ampelkarten zu geben. Dabei hält der Erwachsene drei Karten (grün, gelb, rot) in der Hand, während er seinen Unterricht gibt. Er hat das betreffende Kind dabei immer im Blick und legt diesem je nach Verhalten die grüne, gelbe oder rote Karte auf den Tisch, wobei vor einer roten Karte immer erst eine gelbe Karte kommen muss. Diese Rückmeldung per Karten kann, wenn nötig, im Sekundentakt geschehen (wenn sich das Verhalten so schnell ändert). Meist ist es jedoch so, dass die grüne Karte auf dem Tisch liegt. Nach ein paar Minuten wird das Kind unruhiger und lauter, also tauscht der Lehrer ohne ein Wort die grüne gegen die gelbe Karte aus. Das reicht meist schon, damit das Kind merkt, dass es lauter geworden ist - es wird wieder ruhiger, daher legt der Lehrer sofort wieder die grüne Karte auf den Tisch. Die rote Karte signalisiert inakzeptables Verhalten.

Man kann mit dem Kind absprechen, ob es, wenn die rote Karte auf dem Tisch lag, eine Pause im Nebenraum möchte. Ich möchte betonen, dass diese Pause nicht als Strafe zu verstehen ist und dem Kind auch niemals so vermittelt werden sollte. Das Kind soll selbst entschieden können, ob es in der Lage ist, sein Verhalten wieder anzupassen, oder ob es von der Anstrengung so geschafft ist, dass es in einem anderen Raum erst einmal durchatmen möchte. Diese Pause als Strafe einzuführen, ist der absolut falsche Weg und ich möchte nicht, dass irgendjemand, der diesen Text liest, mich falsch versteht und diese Methode so strafend durchführt.

Es gibt Kinder, die bei allen Aufgaben erst einmal ewig brauchen, um anzufangen. Sie können sich im Kindergarten während der Freiarbeit nicht schnell entscheiden, welche Aufgabe sie sich nehmen wollen oder sitzen in der Schule vor Arbeitsblättern erst einmal lange, ohne zu beginnen. Manchmal dauert dieses Zögern auch die gesamte Stunde. Dieses Phänomen nennt sich "Schwellenangst" - die Kinder haben Schwierigkeiten, den ersten Schritt zu tun. Ist dieser erst einmal geschafft, arbeiten sie meist gut und problemlos weiter. Auch Erwachsene leiden manchmal darunter - diese sind dann meist Weltmeister im Prokrastinieren. ;-)

Es ist möglich, Kinder mit Schwellenangst dazu zu motivieren, zügig zu beginnen, indem man ein Verstärkerplan einführt. Immer, wenn es innerhalb von 5 Minuten mit dem Arbeitsblatt beginnt, würde es dann ein Token erhalten. Ich würde jedoch zunächst als Lehrer_in/Erzieher_in Hilfestellung geben, indem ich mich neben das Kind setze und es ermuntere, zu beginnen bzw. ihm die erste Aufgabenstellung vorlese und leise bespreche, wie das Kind vorgehen könnte. Als hilfreich hat sich auch erwiesen, das Arbeitsblatt des Kindes so zu knicken, dass zunächst nur eine einzige Aufgabe zu sehen ist und nicht das gesamte Blatt. Letzteres macht den Kindern mit Schwellenangst nämlich ebenso viel Angst, wie ein leeres Blatt einem Autor mit Schreibblockade.

Wie beim Einsatz der Verstärkersysteme in der Familie gilt auch in der Schule: Die Methode kann für jegliches Verhalten eingesetzt werden, dass durch Routine eingeschliffen werden soll, nicht aber für Verhalten, das einen triftigen Grund im Hintergrund hat.

In welchen Situationen können Token-Systeme nicht eingesetzt werden?


Wie man dem Artikel der Frankfurter Allgemeinen entnehmen kann (und vielen anderen Publikationen auch), werden Belohnungssysteme in der Schule oder im Kindergarten leider vor allem als "positive" Disziplinierungsmethode bei lautem oder respektlosem Verhalten angewandt. Bei allem Verständnis für die Not der Kollegen blutet mir jedoch bei solchen Schilderungen regelmäßig das Herz, einfach, weil Kinder zum Funktionieren gebracht werden sollen, ohne dass sich jemand die Mühe macht, hinter ihr Verhalten zu schauen.

Was geht in einem Kind vor, das nicht auf den/die Lehrer_in oder Erzieher_in hört? Hat es sich morgens mit den Eltern gestritten? Spielt die beste Freundin nun plötzlich mit einer anderen? Gibt es Existenznöte, hat es genug zu Essen? Es gibt immer einen Grund für auffälliges Verhalten. Natürlich kann ein/e Lehrer_in/ Erzieher_in nicht alle Probleme seiner/ihrer Schützlinge lösen. Das soll er/sie auch nicht. Aber zuhören, das kann er/sie. Das Zuhören, es ist so wichtig.

Ein Kind, das mit Problemen in den Kindergarten/die Schule kommt, hat keine Kapazität für Lernen übrig. Es ist in Gedanken damit beschäftigt, über das eigentliche Problem nachzudenken bzw. sich traurig zu fühlen. Erst, wenn ihm jemand zuhört, kann es das Problem im Kopf beiseite schieben, und sich für das Lernen öffnen. So anstrengend das ist, die Aufgabe eines Lehrers/eines Erziehers besteht in meinen Augen nicht nur in Wissensvermittlung, Erziehung und Bewertung - manchmal müssen wir einen Schritt weiter gehen und den uns anvertrauten Kindern zeigen, dass wir ihnen eine zuverlässige Stütze sind, wenn das die anderen Menschen in ihrem Leben nicht können.

Belohnungssysteme sollten daher nicht angewandt werden, wenn ein/e Schüler_in im Unterricht stört, wenn er/sie absichtlich laut oder aggressiv ist, wenn er/sie sich respektlos Erwachsen gegenüber benimmt, wenn er/sie andere Kinder drangsaliert oder anderweitig auffälliges Verhalten zeigt. In solchen Fällen ist die Anwendung kontraproduktiv.

Ein wenig anders gelagert ist der Fall, wenn ein/ Lehrer_in eine Klasse übernimmt und diese so vom alten Lehrer demotiviert wurde, dass sie dem neuen Lehrer gar nicht erst die Chance geben, zu zeigen, wie spannend der Unterricht sein kann. Wenn die Klasse also von Anfang an laut und wild ist, ohne jemals zugehört zu haben, dann kann man als Interimlösung kurzzeitig ein Tokensystem einführen und "leises" Verhalten belohnen. Man muss es als Lehrer_in in dieser kurzen Zeit jedoch schaffen, die Schüler_innen zu überzeugen, dass der Unterricht eben doch interessant ist und dass es sich lohnt, zuzuhören. Ein Tokensystem ist und bleibt eine methodische Krücke, auf die man sich nur im Notfall dann stützen sollte, wenn einem auf pädagogischer Ebene nichts anderes mehr einfällt. Sie ist im Prinzip eine professionelle Bankrotterklärung - das sollte man immer im Hinterkopf behalten.

Welche positiven Aspekte gibt es?


Belohnungssysteme zeigen Kindern auf, welches Verhalten in ihrem Land als gesellschaftlich adäquat angesehen ist. Sie sind quasi ein Verhaltens-Kompass, der die Navigation in großen Gruppen ohne anzuecken möglich macht. Sie machen erwünschtes Verhalten in Gruppen transparent und bieten somit Verhaltenssicherheit, auch, wenn die Regeln in der Kleinfamilie anders lauten. ("Zuhause müssen wir nicht sitzen bleiben, bis alle aufgegessen haben, in der Kita schon.")

Durch Belohnungen können Kinder dazu gebracht werden, sich dazu zu überwinden, auch ungeliebte Aufgaben zu machen (Tafel wischen, Ordnung halten etc.).

Haben die Kinder es geschafft, genügend Token zu sammeln, um die Belohnung zu erhalten, merken sie, dass es sich lohnt, durchzuhalten und beharrlich auf ein Ziel hinzuarbeiten. So verstärkt sich möglicherweise ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit und positive Verhaltensmuster (Beharrlichkeit, Durchhaltevermögen, Anstrengung wagen) können sich etablieren. Dies ist aber nicht ausschließlich nur durch Tokensysteme zu erreichen, sondern eigentlich durch alle Aktivitäten, bei denen ein Kind ein Erfolgserlebnis hat (z. B. wenn es mehrere Tage übt, auf einen Baum zu klettern und es am Ende schafft).
 
Verstärkerpläne sind ein hilfreiches Druckmittel für Lehrer_innen und Erzierher_innen, um Kinder zumindest kurzzeitig dazu zu bringen, das zu tun, was sie wollen. Beachtet werden muss aber, dass diese Verhaltensänderung immer nur von kurzer Dauer ist, wenn der Grund für das Verhalten nicht gefunden und beseitigt wird.

Welche negativen Aspekte gibt es?


Werden Verstärker zu oft oder an unnützer Stelle gegeben, kann es sein, dass die intrinsische Motivation der Kinder gegen rein extrinsische Motivation ausgetauscht wird. Es kann sein, dass Aufgaben dann nicht mehr aus eigenem Antrieb gemacht werden, sondern nur noch für Belohnungen. Diese Kinder (und Erwachsenen) stellen dann immer die Frage: "Und was bekomme ich dafür?" bzw. "Und was bringt mir das ein?" - kein besonders sympathischer Charakterzug.  Da sich Belohnungen leicht abnutzen, müssen diese immer größer oder teurer werden, um den gleichen Grad an Motivation hervorzurufen.

In Gruppen angewandt können Belohnungssysteme die Konkurrenz und Eifersucht unter Kindern anfachen. Das mag bis zu einem gewissen Grad vorteilhaft für den Erwachsenen sein (z. B. wenn sich Kinder darin übertrumpfen wollen, wer am besten aufräumt), aber es stört die harmonische Beziehung und das soziale Miteinander der Kinder und fördert eine Ellenbogengesellschaft.

Sie erzeugen Druck. In Schule oder Kindergarten werden die Verstärkerpläne ja meist für die gesamte Gruppe der Kinder eingeführt. Zu sehen, wie scheinbar mühelos die anderen lachende Smileys sammeln, während man selbst oft weinende Smileys in den Plan kleben muss, kann Kinder furchtbar stressen, so dass eher das Gegenteil erreicht wird. Erhält ein Kind zu schnell zu viele negative Punkte auf dem Plan, oder hat es gegen Ende der vereinbarten Zeit noch lange nicht genug positive Token gesammelt, kann sich der Eifer, es schaffen zu wollen, umkehren in eine "Mir-doch-egal"-Mentalität.
 
KlassenzimmerDann kann es sein, dass das Kind extra stört, weil es lieber bewusst verlieren möchte, als sich angestrengt und zusammengerissen zu haben und das Ziel trotzdem nicht zu erreichen. Auch Kinder, die eigentlich vom Lehrpersonal als unproblematisch eingestuft werden, können durch Tokensysteme unter Druck geraten. So traute sich die Tochter einer Freundin von mir nicht mehr, in die Schule einen Apfel mitzunehmen. Der Grund war, dass die Lehrerin eine Lärmampel nutzte und jedem Kind, das zu laut war (Ampel springt auf Rot), ein Token wegnahm. Das Mädchen meiner Freundin wurde dadurch so eingeschüchtert, dass sie sich kaum noch traute irgendeinen Laut von sich zu geben - sie wollte nicht in den Apfel beißen, um nur nicht die Lärmampel zu aktivieren!
 

Wie geht es ohne Tokensysteme in Schule und Kindergarten?

 
Als ich vor vielen Jahren im Schuldienst anfing, fiel mir auf, dass es Lehrer_innen gab, die es scheinbar mühelos schafften, dass alle Klassen bei ihnen leise und aufmerksam dem Unterricht folgten. Ich fragte nach dem Geheimnis, doch kein/e der Kolleginnen und Kollegen konnte mir so recht sagen, was sie konkret dafür taten. Also musste ich durch mühevolle Beobachtung und Selbstversuche herausfiltern, was eine/n gute/n Lehrer_in (Erzieher_in) ausmacht:

Der wichtigste Punkt ist, eine gute, tragfähige Beziehung zu euren Schützlingen aufzubauen. Ihr müsst die Schüler_innen nicht lieben - ihr seid nicht die Eltern - aber mögen solltet ihr sie. Diese Sympathie darf nicht vorgespielt sein. Schüler_innen merken sofort, wenn ihr euch nicht authentisch verhaltet. Nehmt euch Zeit, die euch anvertrauten Kinder kennen zu lernen; ihre Träume, Wünsche, Vorlieben, Ängste. Ihr werdet sehen, dass man als Lehrer_in seine Kinder mit all ihren Eigenheiten schnell ins Herz schließen kann. Wenn ihr ihnen zuhört und euch für sie interessiert, werden sie sich für euch und euer Fach interessieren. Das passiert nicht von Heute auf Morgen - also legt die Erwartungshaltung ab, dass das Ganze schnell geht. Der Aufbau einer Beziehung braucht Zeit und Geduld. Verwechselt aber nicht Beziehung mit Freundschaft. Ihr sollt nicht der beste Freund der Kinder werden, denn auf dieser Ebene verliert ihr zu viel Respekt. Schüler_innen verachten meist Erwachsene, die sich ihnen anbiedern und nutzen den Drang des Lehrers, geliebt werden zu wollen, aus. So soll es nicht sein.

Ebenso wichtig ist es, dass ihr wirklich für euer Fach brennt. Wenn ihr liebt, was ihr tut und die Kinder mitreißen könnt, werden sie das Fach ebenso lieben, auch, wenn es eigentlich gar nicht zu ihren Interessensgebieten zählte. Ich selbst zum Beispiel habe in der 10. Klasse eine fantastische Englischlehrerin bekommen. Bis dahin fand ich das Fach super langweilig und stand zwischen 3 und 4. Nach einem Schuljahr hatte ich mich auf die Note 1 verbessert. Englisch wurde mein Hauptfach im Abitur, ich bin danach als Au Pair nach London gegangen und bin dann selbst Englischlehrerin geworden - alles wegen dieser einen mitreißenden Frau! Ich kann das an meine Schüler_innen weitergeben. In meinem Unterricht kommt niemand auf die Idee zu stören, einfach, weil ich selbst mit vollem Spaß und Einsatz dabei bin. Das ist das Geheimnis guter Lehrer_innen.

Zu guter Letzt gibt es natürlich noch kleine methodische Kniffe, die Unterrichtsstörungen vermeiden. Der Unterricht muss immer "im Fluss" sein - es darf bei den Schüler_innen keinen Leerlauf geben. Sind sie nicht sinnvoll beschäftigt, fangen sie an, sich selbst zu beschäftigen. Das wird dann meist laut. Wichtig ist also, den Unterricht so zu planen, dass es keine großen Unterbrechungen gibt. Das Tafelbild sollte schon vorbereitet sein, damit ihr nicht minutenlang mit dem Rücken zur Klasse anschreiben müsst. Alle Arbeitsblätter sollten griffbreit auf eurem Tisch liegen und bereits gelocht sein. Müssen die Schüler_innen selbst lochen, entsteht Unruhe. Dann muss der Sitznachbar gefragt werden, ob er einen Locher hat oder die Schüler_innen entscheiden, dass das Blatt auch ohne Löcher einfach in den Hefter gelegt werden kann (wo es dann natürlich abhanden kommt).
 
Es bedarf keinem ausgeklügelten Methoden-Feuerwerk - oft ist weniger sogar mehr. Die Methode muss sich immer dem Inhalt unterordnen, nicht anders herum. Auch eine Stunde, die größtenteils aus Frontalunterricht besteht, kann eine gute Stunde sein, wenn der Inhalt am besten frontal vermittelt werden sollte.

Beachtet ihr diese drei Punkte, dann werdet ihr keine Tokensysteme in eurem Unterricht brauchen, das verspreche ich euch. Das Problem ist, dass diese Art des Lehrer-Seins anstrengend ist, zumindest, bis man eine echte Beziehung zu seinen Schüler_innen aufgebaut hat. Dann bleibt nur noch die akribische Vorbereitung der Stunden, die aufwendig ist. Doch auch in diesem Punkt ist die Zeit euer Freund. Nach einigen Jahren beherrscht man alle Inhalte und Handgriffe im Schlaf und die Arbeit ist einfach nur bereichernd.
 

Zusammenfassung: Worauf muss bei der Nutzung von Token-Systemen geachtet werden?


Möchtet ihr nach Abwägung aller Pro und Kontras nun in eurer Familie, Kindergartengruppe oder Schulklasse ein Tokensystem einführen, dann solltet ihr folgende Punkte zwingend beachten:

  • Ein Kind muss grundsätzlich in der Lage sein, das erwünschte Verhalten zumindest ansatzweise zeigen zu können.
  • Nur wenn ein Kind aktiv dazu bereit ist, sich durch Belohnung beeinflussen zu lassen, kann es durch ein Token-System dazu gebracht werden, sein Verhalten zu ändern.
  • Token-Systeme sollten nur für Verhalten angewendet werden, das keinen problematischen Grund hat.
  • Es sollte immer nur eine"Baustelle" mithilfe eines Verstärkerplans angegangen werden. Zu viele Ziele/Veränderungen sind für ein Kind nicht realisierbar. Es wird dadurch demotiviert werden.
  • Sowohl Token als auch Zeitraum und Belohnung müssen individuell auf das Kind abgestimmt sein. Am besten ist es, mit ihm gemeinsam alle drei Punkte zu besprechen und festzulegen. Zu lange Zeiträume (z. B. eine Unterrichtsstunde lang leise sein) schaden dem System - dieses Ziel ist schlicht unmöglich zu erreichen.
  • Der primäre Verstärker, gegen den die Token am Ende eingetauscht werden (z. B. ein Zoobesuch), darf dem Kind während des Zeitraums, in dem das Tokensystem angewendet wird, nicht auf anderem Wege "zugänglich" sein. (Zoobesuch nur als Belohnung für gutes Verhalten, nicht aber einfach so als Wochenendausflug mit der Familie)
  • Eltern, Lehrer_Innen und Erzieher_Innen müssen das gewünschte Verhalten, für das es ein Token gibt, sehr genau beschreiben. ("Ich lasse mir abends 5 Minuten lang die Zähne von Mama oder Papa putzen.") Zu vage Zielsetzungen ("Ich bin lieb zu meiner Schwester.") geben keine Verhaltenssicherheit und lassen zu viel Spielraum in der Interpretation. Somit bekommt der Erwachsene zu viel Macht bei der Auswertung des Verhaltens: Beispiel: Das Kind hat sich den ganzen Tag angestrengt und mit seiner Schwester gespielt. Am Abend kommt es zwischen beiden zum Streit und es haut die Schwester. Der Erwachsene ist darüber so sauer, dass das Kind deshalb keinen Token für den Tag erhält.
  • Eltern, Lehrer_Innen und Erzieher_Innen sollten das gewünschte Verhalten, für das es ein Token gibt, positiv beschreiben. ("Ich räume vor dem Schlafengehen alle Spielzeuge auf, die auf dem Boden liegen" statt "Ich bin nicht mehr so unordentlich").
  • Der Token-Sammel-Zeitraum muss dem Alter angepasst kurz und für das Kind schaffbar sein. (z. B. 5 Sternchen für eine Süßigkeit, 10 Sternchen für einen Zoobesuch)
  • Eltern, Lehrer_Innen und Erzieher_Innen sollten das Kind vor der jeweiligen Situation freundlich an das gewünschte Verhalten erinnern ("Denk dran, gleich fängt die Aufräumzeit an. Da kannst du dir einen Stern für deinen Plan erarbeiten.").
  • Ein Token muss sofort vergeben werden, sobald das Kind das gewünschte Verhalten gezeigt hat, sonst verpufft die Wirkung.
  • Wurde das erwünsche Verhalten vom Kind dauerhaft angenommen, müssen die Belohnungen dafür ausschleichen. Es ist nicht Sinn und Zweck der Sache, ein Kind für immer und ewig für banale Tätigkeiten zu "bezahlen".

© Snowqueen

 

Literatur


Kohn, Alfie: Punished by Rewards. The Trouble with Gold Stars, Incentive Plans, A's, Praise and Other Bribes, 1999

https://incom.org/projekt/1043

http://de.wikipedia.org/wiki/Token-System

http://schulpsychologie.lsr-noe.gv.at/downloads/wenn_lob_allein_nicht_reicht.pdf


"Der Mythos des verwöhnten Kindes" - Alfie Kohn

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Cover "Der Mythos des verwöhnten Kindes" Alfie KohnRegelmäßigen Lesern unseres Blogs ist sicher nicht entgangen, dass eines der für mich prägendsten Bücher überhaupt  "Liebe und Eigenständigkeit"* von Alfie Kohn war. Das Buch ist meines Erachtens eines der wichtigsten, das je über Kinder geschrieben wurde. Es enthält so viele wichtige und interessante Gedanken  und Perspektiven, die wunderbar zum Nach- und Umdenken anregen und meine Erziehung nachhaltig zum Positiven beeinflusst haben.
 
Ich war natürlich sehr erfreut, als ich erfuhr, dass der Beltz-Verlag Kohns Buch "The myth of the spoiled child" aktuell in deutscher Sprache unter dem Titel "Der Mythos des verwöhnten Kindes - Erziehungslügen unter die Lupe genommen"* heraus gebracht hat. Wir haben freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt bekommen. Ich möchte in diesem Artikel die Inhalte der acht Kapitel, für Euch kurz zusammenfassen.
 

Kapitel 1 - Von nachgiebigen Eltern, verwöhnten Kindern und anderen altbekannten Buhmännern


Im ersten Kapitel des Buches geht es um die ewige "Früher war alles besser"-Litanei. Kohn zeigt, dass seit Jahrzehnten, ja sogar seit Jahrhunderten das Verhalten von Kindern immer gleichbleibend beklagt wird. Früher habe es mehr Grenzen gegeben, früher haben Kinder viel besser gehorcht... nur schaut man zurück, stellt man fest, dass auch früher nur beklagt wurde, wie besser alles früher war. Es gibt keine Belege dafür, dass dies tatsächlich zutrifft.

Kohn geht anschließend auf die permissive Erziehung ein. Diese ist nach Baumrind gekennzeichnet von einem hohen Maß an einer Berücksichtigung der kindlichen Bedürfnisse und einem geringen Grad an Autorität. Diese Form der Erziehung wird dafür verantwortlich gemacht, dass Kinder sich heutzutage (vermeintlich) schlechter benehmen, weil sie kaum Grenzen erfahren. Allerdings gibt es keinen einzigen Beweis dafür, dass die permissive Erziehung die am weitesten verbreitete ist. In Umfragen geben gerade mal 37 % der Eltern an, so erziehen - 55 % würden ihre Erziehung eher als streng bezeichnen. Ebenso wenig ist empirisch belegbar, dass heutzutage ein höherer Grad an Narzissmus bei Kindern herrsche, als früher. Dabei wird Narzissmus vielmehr von mangelnder elterlicher Empathie und Gefühlskälte - also durch den autoritären Erziehungsstil - gefördert.

Es gibt außerdem Untersuchungen, wonach Kinder, die durch Ungehorsam, Streitsüchtigkeit, und Gemeinheit auffallen, nicht verwöhnendend erzogen werden, sondern eher mit kontrollierende Erziehung groß werden. Eine solche Erziehung mittels Strafen und Bestechung führt außerdem dazu, dass Kinder nicht über die Stufe reinen Selbstinteresses hinaus wachsen.
 

Kapitel 2 - Der Dauerbrenner: Kinder sollen tun, was ihnen gesagt wird


In Artikeln oder Büchern über Erziehung herrscht ein Leitmotiv - nämlich wie man Kinder dazu bekommt, das zu tun, was man ihnen sagt. Im Grunde betrachtet die Mehrheit der Eltern genau das als Aufgabe und setzt zu diesem Zwecke starre Grenzen, die sie konsequent überwachen. Dabei gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass sich Strenge langfristig auf die Aggressivität, die Ängstlichkeit und die Hilfsbereitschaft von Kindern auswirkt.

Daher betrachtet es Kohn als nutzbringender, eine Erziehung zu praktizieren, die auf bedingungsloser Liebe, einer hohen Entscheidungsfreiheit und Bedürfnisorientierung basiert und bei der Fehlverhalten nicht bestraft, sondern als Möglichkeit gesehen wird, Probleme zu lösen und Werte zu vermitteln. Dabei sollten stets die Motive des kindlichen Verhaltens hinterfragt werden, um es zu verstehen. Auch die Wissenschaft belegt, dass diese Art der Erziehung Kinder glücklicher und kompromissbereiter macht - sie fördert außerdem Empathie und Großzügigkeit.

Es wird darüber hinaus der Frage nachgegangen, warum allgemein davon ausgegangen wird, dass die heutige Erziehung zu nachgiebig sei. Das liegt unter anderem daran, dass häufig nicht ausreichend differenziert wird. Die Menschen verwenden bspw. die Bezeichnung "Verwöhnen" für mehrere Sachverhalte - einerseits für das Überschütten von materiellen Dingen, andererseits für (zu) viel Aufmerksamkeit und Zuwendung - beiden Sachverhalten liegen jedoch vollkommen unterschiedliche Erziehungsmodelle zugrunde. 

Kind lächelt

Außerdem erwarten Erwachsene von Kindern Respekt - verhalten sich jedoch selbst nicht respektvoll den Kindern gegenüber. Ahmen diese dann nach, wie man mit ihnen umgeht, wird das sofort als Indiz für das Versagen der Erziehung gesehen. Nach wie vor erwarten die meisten Erwachsenen nämlich bedingungslosen Respekt - meinen aber eigentlich Unterwürfigkeit.  Kein Wunder, dass ihnen Kinder, die als gleichwertige Gesprächspartner aufwachsen, respektlos vorkommen.

Darüber hinaus ordnen viele Erwachsene Erziehungsstile in Schubladen ein - entweder man erzieht autoritär, traditionell (gerne als autoritativ bezeichnet) oder vollkommen ohne Grenzen. Da naturgemäß die traditionelle Erziehung als ideal betrachtet wird, wird davon ausgegangen, dass andere Erziehungsweisen automatisch dazu führen müssen, dass Kinder lügen, stehlen, schlagen und bösartig sind, wenn man ihnen - anders als bei der vermeintlich idealen traditionellen Erziehung - keine Grenzen setzt und Strafen androht.

Äußern Kinder Bedürfnisse, wird das als manipulativ empfunden, versuchen Eltern diese zu erfüllen, gelten sie sofort als zu nachgiebig. Nachgiebigkeit wird deshalb als etwas schlechtes betrachtet, weil davon ausgegangen wird, dass sich Kinder, die man sich selbst überlässt, nicht so entwickeln, wie es erstrebenswert wäre. Tief in unserer Gesellschaft ist der Anspruch verwurzelt, dass Kinder den Mund halten sollen und tun, was man ihnen sagt.

Dabei wollen Kinder vielmehr ihr Leben mitbestimmen und mit Respekt behandelt werden. Die - ohne jede Grundlage (siehe dazu auch unsere kritische Analyse des Buches "Warum Kinder zu Tyrannen werden" von Michael Winterhoff) - gern verbreitete Angst vor verzogenen und verwöhnten Kindern führt dazu, dass Eltern gegen ihr Bauchgefühl handeln oder ihnen dieses schon vollkommen abhanden gekommen ist. So lassen sie Kinder vorsätzlich nach Ratgebern schreien, obwohl ihnen das in der Seele weh tut. Kohn schreibt: 
"Wir müssen uns fragen, wie viele Kinder nicht bekommen haben, was sie brauchen, weil ihre Eltern befürchten mussten, als zu wenig durchsetzungsfähig zu gelten" (S. 65).

Kapitel 3 - Mythos Helikopter-Erziehung und Überfürsorge


Ein weiterer Vorwurf, dem Eltern sich heutzutage verstärkt ausgesetzt sehen, ist der, dass sich Eltern zu sehr in das Leben ihrer Kinder einmischen. Da werden in der Öffentlichkeit Eltern belächelt, die ins Büro des Direktors ihrer Kinder stampfen, um die Leistungen ihrer Gymnasiasten zu diskutieren. Dabei werde so getan, als handle es sich um ein weit verbreitetes Phänomen. Es gibt jedoch nur sehr wenige wissenschaftliche Untersuchungen dazu und die, die es gibt, werden gerne aus dem Zusammenhang gerissen und falsch interpretiert. Kohn führt in diesem Kapitel mehrere Beispiele dafür an.

In unserer Gesellschaft herrscht eine Streben nach schneller Selbständigkeit und Unabhängigkeit - daher wird eine enge Bindung und lange Zuwendung kritisch gesehen. Fürsorglichkeit wird teils belächelt. Die extremste Form der Überfürsorge ist das Helikoptern, bei dem das elterliche Eingreifen exzessiv und dem Entwicklungsstadium des Kindes unangemessen ist. Die Frage dabei ist, wer das beurteilen will. Das Maß an benötigter Fürsorge variiert von Kind zu Kind.

Auch in Bezug auf Helikoptereltern wird ein Blick in die Forschung geworfen und festgestellt, dass sie weder häufig ist noch dass sie negativen Auswirkungen hat, wenn die Eltern den Kindern zuliebe handeln und nicht aus eigenem Interesse. Ein Teil der helikopternden Eltern nutzt nämlich die Kinder, um ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen. Daher lohnt sich ein Blick auf die Motivation, bevor Eltern pauschal be-/verurteilt werden.

Betrachtet man die Studien näher, stellt man fest, dass die Überbehütung kein Erscheinungsbild der selbstbestimmten, autonomen Erziehung ist, sondern vielmehr eine Ausprägung der kontrollierenden Erziehung. Statt mit Autorität wird hier subtil mit Schuldgefühlen und bedingter Liebe gearbeitet - positive Zuwendung gibt es nur, wenn das Kind das gewünschte Verhalten zeigt, schlechtes Verhalten wird bestraft. Das Kind wird auf Schritt und Tritt überwacht - dabei ist nicht Fürsorge das Hauptmotiv, sondern Kontrolle mit dem Ziel, dass das Kind tut, was man ihm sagt.
 

Kapitel 4 - Wofür soll Scheitern gut sein


Dieses Kapitel zeigt, wie die Furcht vor zu viel Nachgiebigkeit allmählich von der Erziehung auf die Bildung und die Freizeitgestaltung übergeht. Es wird mittlerweile als feststehende Tatsache betrachtet, dass Kinder die Erfahrung des Scheiterns machen sollten, um auf "das wirkliche Leben" vorbereitet zu werden. Daher schade es, wenn wir unsere Kinder ständig vor Unannehmlichkeiten beschützen wollen.

Es wird in der traditionellen Erziehung davon ausgegangen, dass Menschen nur dann ihr Bestes geben, wenn sie für ihre Leistung eine Belohnung erhalten.  Daher, so der Umkehrschluss, wird die Motivation sinken, wenn eine solche nicht in Aussicht gestellt wird. Dabei wird jedoch die Kraft der intrinsischen Motivation unterschätzt - diese treibt uns von innen heraus an - wir tun Dinge, weil wir es selbst wollen. Studien haben schon längst eindrucksvoll gezeigt, dass Menschen Dinge umso weniger gern tun, je mehr man sie dafür belohnt.


Die Annahme, wonach Kinder durch Scheitern in der Kindheit auf die Härte der Realität im Erwachsenenleben vorbereitet werden, entbehrt jeder Grundlage. Den Umgang mit negativen Erlebnissen verkraftet man nicht dadurch besser, dass man zielgerichtet über Jahre frustriert wird. Kindern hilft viel mehr in einen stabilen Familiengefüge aufzuwachsen und Unterstützung und Respekt zu erfahren. Das gibt Ihnen genug Selbstvertrauen, um mit kritischen Situationen umzugehen.

Unabhängig davon bietet das Leben eine Fülle an Situationen, in denen Kinder scheitern, es ist nicht notwendig, solche künstlich herbei zu führen. Außerdem haben Studien gezeigt, dass nicht das Scheitern uns für das Scheitern stark macht, sondern Erfolg. Gibt man Kindern bspw. eine unlösbare Aufgabe, an der sie zwangsläufig scheitern und danach eine deutliche einfachere, sind sie vom Scheitern bei der ersten so paralysiert, dass sie die zweite kaum lösen können. Sind sie hingegen beim ersten Mal erfolgreich, gehen sie mit Elan weitere Aufgaben an. Ständige Frustration führt also vielmehr zu einer Spirale aus Resignation, als zu einer Abhärtung. Häufiges Scheitern verursacht in aller Regel auch ein schlechtes Selbstbild. Kinder strengen sich dann häufig absichtlich weniger an, damit sie ihr (erwartetes) Scheitern vor sich selbst erklären können (self-handicaping).

Das vorsätzliche Scheiternlassen sendet zudem auch eine klare Botschaft an unsere Kinder - nämlich, dass Mama oder Papa hätten helfen können, es aber nicht getan haben. Wie sich das für sie anfühlt, kann man sich vorstellen.

 

Kapitel 5 - "Nur unter dieser Bedingung..." - Vom Unsinn von Strafen, Noten und Wettbewerb


Im fünften Kapitel geht es zunächst um die weit verbreitete Haltung "Wer nichts leistet soll nichts bekommen". Die Allgemeinheit fühlt sich ganz offensichtlich verpflichtet, aus moralischen Gründen gute Leistungen zu belohnen und schlechten Leistungen diesen Lohn zu versagen. Nach einem kurzen Exkurs zum Loben (worüber Kohn ausführlich in seinem Buch "Liebe und Eigenständigkeit" schrieb) wird auf das Wettbewerbsmodell unserer Gesellschaft eingegangen. Bei sportlichen Aktivitäten und in der Schule geht es vor allem darum, miteinander zu wetteifern und besser als andere zu sein. Dabei gibt es empirische Belege dafür, dass viel bessere Leistungen vollbracht werden, wenn man miteinander statt gegeneinander arbeitet.

Ständiger Wettbewerb führt dazu, dass sich unsere Kinder immer wieder unzulänglich fühlen, da naturgemäß einem Gewinner zahlreiche Verlierer gegenüber stehen. Und die Verlierer sind natürlich oft frustriert. Im vorherigen Kapitel wurde bereits belegt, dass Frustration keine Motivation erzeugt. Auch Schulnoten fungieren als Belohnung - mit dem Effekt, dass sie extrinsische Motivation fördern. Kinder, die keine Noten bekommen, lernen nicht für Zensuren, sondern um des Lernens willen - dass das auch tatsächlich funktioniert, zeigen alternative Schulen eindeutig.
 
 

Kapitel 6 - Der Angriff auf das Selbstwertgefühl


Um das Selbstwertgefühl und die Frage, ob junge Menschen ein viel zu übersteigertes haben, geht es im sechsten Kapitel. Der  Grundgedanke der traditionellen Erziehung in Bezug darauf ist, dass das Maß an Zufriedenheit, das Kinder haben dürfen, einem bestimmten Maß an Leistungen gegenüber stehen muss. Entsprechend sind auch Lobe, Sticker oder gute Noten nur dann zu vergeben, wenn strenge Bedingungen erfüllt werden. Kinder sollen sich also vornehmlich dafür wertvoll fühlen, was sie tun, nicht dafür, was sie sind. Wenn Menschen ein hohes Selbstwertgefühl haben, ohne dass sie entsprechende Leistungen vollbracht haben, führt das vermeintlich dazu, dass sie faul sind und sich nicht mehr anstrengen. Diese Einschätzung der menschlichen Natur ist jedoch falsch - das ist eindeutig belegt.

Für das Selbstwertgefühl ist es auch maßgeblich, ob es an Bedingungen geknüpft ist. Ein bedingtes Selbstwertgefühl entsteht dann, wenn ein Kind nur wertgeschätzt wird, wenn es bestimmte Bedingungen erfüllt. Vor allem eine Erziehung mit hoher Kontrolle, Strafen und Loben kann dazu führen, dass Kinder sich nicht bedingungslos angenommen fühlen. Dabei brauchen Kinder für eine gesunde Entwicklung die Gewissheit, dass ihre "Liebenswürdigkeit" nicht von ihrem Verhalten abhängt.
 

Kapitel 7 - Warum Selbstdisziplin überschätzt wird


Es ist eine relativ unkritisch hinterfragte Annahme, dass Selbstdisziplin eine erstrebenswerte Eigenschaft sei. Immer wieder wird bemängelt, dass unseren Kinder diese fehlen würde. Als Beispiel für die Bedeutung der Selbstdisziplin wird oft die "Marshmallow-Studie" angeführt. Diese soll ergeben haben, dass Kinder, die es schaffen, den angebotenen Marshmallow nicht sofort zu essen und dafür später einen zweiten zu bekommen, im späteren Leben erfolgreicher waren.

Dabei ging es in dieser Studie gar nicht um die (individuelle) Selbstkontrolle der Kinder, sondern es wurde untersucht, wie sich verschiedene Situationen auf die Fähigkeit zu Warten auswirken. Dabei wurde festgestellt, dass das Umfeld einen viel stärkeren Einfluss darauf hatte, als der Charakter der Kinder. Und die Untersuchung ergab auch nicht, dass die Kinder, die anfangs warten konnten, im späteren Leben über mehr Selbstkontrolle oder Willenskraft verfügen. Das ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Studienergebnisse aus dem Zusammenhang gerissen und in einem völlig anderen Kontext instrumentalisiert wiedergegeben werden.

Unabhängig davon kann man sich die Frage stellen, ob es überhaupt immer erstrebenswert ist, zu warten und ob die Fähigkeit nicht auch maßgeblich von den Vorerfahrungen geprägt sind. Außerdem ist bei der Selbstkontrolle zwischen der durch äußeren Einfluss entstandenen und der innerlich motivierten (einsichtigen) zu unterscheiden. Ein hohes Maß an Selbstkontrolle, das durch die Anwendung von Strafen und Belohnung erzielt wird, geht häufig auch mit geringer Spontanität und einem blassen Gefühlsleben einher.

Auch Durchhaltevermögen wird immer wieder als erstrebenswerte Fähigkeit betrachtet. Dabei kann dieses recht schnell in Verbissenheit ausarten und kontraproduktiv sein. Nicht alles ist es wert, über längere Zeiträume getan zu werden. An einer Sache festzuhalten hindert uns daran, uns weiter zu entwickeln oder die Sache aus einer anderen Perspektive zu betrachten, die vielleicht auf einem anderen, effizienteren Weg zum Erfolg geführt hätte. Tun Menschen etwas mit Freude, brauchen sie keine Selbstdisziplin - ihre intrinsische Motivation beflügelt sie dabei wie von allein.   

 

Kapitel 8 - Erziehung zur sanften Rebellion


Diejenigen, die beklagen, dass unsere Kinder durch zu nachgiebige Erziehung faul, selbstsüchtig und anspruchsvoll geworden sind, haben immer die selben Lösungsvorschläge: strengere Grenzen, mehr Konsequenzen, Anhalten zu früher Selbständigkeit. Es herrscht außerdem die Ansicht, dass Kinder sich ein positives Selbstwertgefühl durch Leistungen erarbeiten müssen und sich Lobe verdienen müssen. Kurz gesagt: Kinder sollen sich gut benehmen und hart arbeiten und sich den Ansprüchen der wirklichen Welt anpassen. Sie sollen Regeln befolgen und einfach tun, was man ihnen sagt.

Alfie Kohn regt mit seinem Buch an, dass Kinder vielmehr ermuntert werden sollten, sich um die Rechte und Bedürfnisse anderer zu kümmern und den Mut aufzubringen, das, was man ihnen sagt, infrage zu stellen. Wir sollten uns fragen, welche Art Menschen unsere Kinder werden sollen. Wollen wir Kinder erziehen, die sich ihrer Umwelt anpassen oder Kinder, die die bestehende Ordnung infrage stellen und sich über empörenswerte Dinge empören und Veränderungen in Schule und Gesellschaft einfordern?

Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder selbstbewusst, stark und unabhängig denkend werden, dass sie sich im Leben durchsetzen, sich behaupten und dem Gruppendruck widerstehen... Aber bitte nur so lange, wie sie ihnen selbst nicht so gegenübertreten. Wir müssen unseren Kinder erlauben, uns herauszufordern und aufhören Auseinandersetzungen gewinnen zu wollen und darauf zu bestehen, unseren Willen durchzusetzen, wenn unsere Kinder diese Fähigkeiten erlernen sollen. Gute Entscheidungen zu treffen lernen Kinder vor allem, in dem sie Entscheidungen treffen - und nicht, indem sie Anweisungen befolgen. Dazu müssen wir ihnen viel Verantwortung übertragen und unser Maß an Kontrolle verringern. 
 
 

Meine Meinung zum Buch

 
Dieses Buch ist wirklich wunderbar, denn es entlarvt herrlich unterhaltsam die Denkfehler, auf denen die traditionelle Erziehung basiert. Man hat zwar im Gefühl, dass die Annahmen unzutreffend sind, kann dies aber oft nur schwer in Worte fassen. Endlich sind die diffusen Gedanken, die einen  zu diesem Thema bewegen, klar und strukturiert zusammengefasst. Man versteht, wie die Ansätze der traditionellen Erziehung zustande kommen und wie man ihnen argumentativ entgegen treten kann. Nach diesem Buch ist man emotional sehr gestärkt in Bezug auf den eigenen Weg der autonomen, selbstbestimmten Erziehung. Sofern vorhanden, nimmt es die Angst vor dem Verwöhnen, zeigt, wie wichtig liebevolle Zuwendung ist und wie Selbstbestimmung unsere Kinder stark macht. Kohn Aussagen sind wissenschaftlich fundiert untermauert - allein das Literaturverzeichnis umfasst ganze 30 (!) Seiten.
 
"Der Mythos des verwöhnten Kindes"* ist ein weiteres, sehr wertvollen Puzzleteil in meiner Attachment-Parenting-Bibliothek. Eltern, die AP praktizieren sehen sich ja häufig dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden die Kinder zu nachgiebig erziehen und sie damit zu sehr verwöhnen. Das sei vermeintlich die Ursache für das allgemein zunehmend schlechte Benehmen "heutzutage". In diesem Zusammenhang fand ich eine Passage im letzten Kapitel sehr amüsant:

Man stelle sich vor, eine Schülerin erscheint in der Schule in einem Badeanzug und wird zum Direktor zitiert. Dieser erklärt, dass das Kind so nicht in die Schule kommen könne und fordert es auf, sich umzuziehen. Das Kind erklärt, es ziehe an, was es wolle - der Direktor habe keinen Grund, ihm das zu verbieten. Der Direktor schließt das Mädchen daraufhin von der Teilnahme am Unterricht aus. Das Thema wäre sofort in den Medien - Boulevardmagazine würden die Geschichte gierig verbreiten und der allgemeine Tenor wäre ganz sicher, dass die Kinder heutzutage einfach nicht ordentlich erzogen würden. Sofort wären Grenzenlosigkeit und Nachgiebigkeit in der Erziehung als Ursachen gefunden und ausgiebig kritisiert worden. Dass im ganzen Land mehrere hunderttausend andere Schüler ganz brav und angemessen gekleidet im Unterricht saßen, würde dabei sicher vergessen. Und wie viele davon unglücklich darüber sind, immer angepasst sein zu sollen, auch.

Das Buch ist eine wunderbare Ergänzung zu "Liebe und Eigenständigkeit", das ich auch weiterhin immer noch als allererstes empfehlen würde. Ich habe Stoff und Anregungen für unzählige interessante neue Artikel gefunden (weswegen wir das Buch leider nicht wie sonst verlosen können ;-). Wenn Ihr das Buch erwerben möchtet, unterstützt Ihr unseren Blog, wenn ihr das über diesen Link* macht.
 
 
© Danielle


*Dieser Artikel enthält Affiliate-Links - besucht jemand über einen solchen Link die Amazon-Seite und kauft dort ein, erhalten wir für alle verkauften Produkte eine kleine Provision :-). Diesen Betrag nutzen wir beispielsweise um unsere Webseite zu hosten und zu pflegen.

Zuletzt aktualisiert am 12.05.2015

Der große Elternkongress 2015 - Neue Wege in der Erziehung gehen

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Erinnert ihr Euch an die Rezension des Buches "Kleine Gefühlskunde für Eltern" von Vivian Dittmar? Die Autorin des Buches hat uns vor kurzem geschrieben, dass sie am 22. August in Solothurn (Schweiz) beim großen Eltern-Kongress 2015 einen Vortrag zu diesem Thema halten wird. Für unsere Leser hat sie sich etwas besonderes ausgedacht - die ersten zehn, die Lust haben, den Kongress zu besuchen und sich über diesen Link anmelden, bekommen ihr Buch "Kleine Gefühlskunde für Eltern" geschenkt.

Auf dem Kongress erwarten Euch zahlreiche interessante Vorträge - hier ein kleiner Auszug aus dem Programm:


 

Kinder brauchen Eltern mit Gefühl - Vivian Dittmar

 
Viele Eltern fühlen sich von der Intensität der Gefühle ihrer Kinder überfordert - und auch von den eigenen Gefühlen. Meist fehlt es an einem Verständnis der eigentlichen Funktion von Gefühlen. Dadurch wird es schwierig, Kinder in der Entfaltung ihrer emotionalen und sozialen Kompetenz zu begleiten.

Vivian Dittmar räumt in ihrem Vortrag mit gängigen Vorurteilen über Gefühle auf und lädt uns ein, einen frischen Blick auf die Urkräfte unserer Psyche zu werfen. Dadurch wird klar: wir müssen vor Gefühlen keine Angst haben und sie müssen uns auch nicht wütend machen. Erst unsere Gefühle ermöglichen es uns, die Eltern zu sein, die unsere Kinder brauchen.
 
 

Wie man den Kindern wirklich helfen kann! - Bernd Thiemann

 
Eltern zu sein, ist eine der anspruchsvollsten und herausforderndsten Aufgaben auf dieser Welt. Die meisten haben sich das vorher anders vorgestellt, weniger stressig oder nicht so problembehaftet. Sie stellen im Alltag mit ihrem Kind häufig fest, dass sie für viele Dinge nicht vorbereitet wurden, weder Zuhause noch in der Schule.
 
Alle Eltern kennen die Erfahrung, dass in der Erziehung irgendwann Schwierigkeiten auftauchen. Das kostet viel Energie, Eltern fühlen sich überfordert: Stress, Druck und Frust überwiegen, wo Entspannung, Klarheit und Ruhe nötig wären. Der Vortrag „Eltern gehen neue Wege“ erklärt und erläutert die Ursachen dieser Probleme in ihrer Grundstruktur. Er gibt neue Impulse, beantwortet wesentliche Fragen rund um Erziehung und bietet praktikable Lösungen, die im Alltag wirklich funktionieren und sofort umsetzbar sind.


 

ADHS Fluch oder Segen? - Eine völlig neue Betrachtungsweise und ein anderer, unkomplizierter Umgang mit Kindern, die die Welt aufmischen - Dr. Käte Niederkircher

 
Eltern, Kinder, Erzieher und Lehrer geraten immer mehr unter Druck und in die Hilflosigkeit mit unerklärlichen Verhaltensweisen von Kindern, die doch völlig normal sein müssten. Und sie müssen tagtäglich dafür Wege im Umgang mit ihnen finden, die sie nicht haben. Zugleich spüren sie, in meinem Kind muss es doch noch etwas anderes geben als den unaufmerksamen, zappelnden Wüterich. Die Frage ist nun, wie findet man es? Was ist es, was diese Kinder Anders Denken, anders Handeln und anders Sein läßt? Wie können wir als die Erwachsenen anders denken, anders handeln und anders sein, um völlig neu und liebevoll effektiv mit diesen Kindern umzugehen?

Diese und weitere spannende Aspekte rund um das Thema ADHS werden in diesem Vortrag beantwortet und aufgezeigt.
 
Folgende Referenten werden durch den Tag begleiten:
 
 
Frühbucher zahlen zur Zeit noch 135 EUR  (statt des späteren Normalpreises von 245 EUR). Es gibt übrigens eine Zufriedenheitsgarantie - verlässt man innerhalb der ersten 60 Minuten den Kongress, weil man nicht zufrieden ist, bekommt man die Teilnehmergebühr zurück.
 
Wer Interesse an einer Teilnahme hat, kann sich hier anmelden - die ersten zehn bekommen Vivian Dittmars Buch "Kleine Gefühlskunde für Eltern" geschenkt.

 
Zuletzt aktualisiert am 15.05.2015

Übersicht der Pflegeprodukte mit hormonell wirksamen Inhaltsstoffen

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Hormonell wirksame Chemikalien in Cremes, Shampoos, Lotions und in Feuchttüchern für Babys und Kinder

 
Vor ein paar Tagen fragte mich meine liebe Freundin Laetizia in unserem Forum, welche Sonnencreme für Kinder die beste sei - ich hätte doch im letzten Jahr darüber geschrieben. Sie wollte außerdem wissen, ob ich die gut getesteten Sonnenschutzprodukte auch mit Toxfox auf ihre Unbedenklichkeit prüfen könne. Toxfox? Davon hatte ich bis dahin noch nie gehört.

Es handelt sich dabei um eine App des BUND, mit der man alle Kosmetik- und Körperpflegeprodukte auf hormonell wirksame Chemikalien prüfen kann. Entweder über die Suche oder indem man den Strichcode auf der Verpackung scannt. Ich prüfte alle im Artikel aufgeführten Sonnencremes speziell für Kinder und Babys und war ziemlich überrascht, dass offenbar auch Produkte von Eucerin, Nivea und Bübchen solche problematischen Inhaltsstoffe enthielten.

Ich fragte mich, wie das denn bei anderen Pflegeprodukten speziell für Kinder aussieht und durchforstete das Internet nach einer Übersicht aller belasteten Produkte. Und wurde nicht fündig. Also beschloss ich, selbst eine solche Übersicht zu erstellen, damit jeder die Möglichkeit hat, die im eigenen Haushalt verwendeten Kosmetika möglichst unkompliziert zu überprüfen.
 

Sind Parabene als Konservierungsstoff gefährlich?


Die meisten bei Toxfox als kritisch eingestuften Pflegeprodukte für Kinder enthalten Parabene. Auf der Toxfox-Internetseite des BUND heißt es, dass diese den Produkten als Konservierungsmittel zugesetzt werden, um die Keimentwicklung zu verhindern. Sie sind deshalb bei den Herstellern so beliebt, weil sie vergleichsweise billig sind. Zwar sind Parabene nicht akut giftig, sie würden jedoch auf die hormonellen Prozesse des Körpers eingreifen. Vor allem Kinder und Jugendliche reagieren empfindlich darauf.

Viele Parabene hätten eine östrogene Wirkung, Propyl- und Butylparaben wirken außerdem anti-androgyn, hemmen also die Bildung männlicher Hormone. Einige Parabene sollen sich schon in geringer Konzentration schädigend auf das Fortpflanzungssystem auswirken. Studien hätten außerdem Hinweise darauf ergeben, dass die Verwendung von parabenhaltigen Produkten zu verfrühter Pubertät bei Mädchen, Störungen der Nervenentwicklung, Krankheiten der Geschlechtsorgane sowie Brustkrebs und Schilddrüsenkrebs führen kann.

Bei meinen Recherchen verwirrte mich, dass es auch Nahrungsmittel gibt, denen Parabene zugesetzt werden. Bei Ökotest las ich dann, dass eigentlich nur die langkettigen Parabene problematisch seien, da sie hormonell wirken. Die kurzkettigen Methyl- und Ethylparabene hingegen seien unbedenklich. Das sagt auch das Bundesinstitut für Risikoforschung - aufgrund toxikologischer Daten sei belegt, dass kurzkettige Parabene bis zu einer Konzentration von 0,4 % ungefährlich seien - für alle Bevölkerungsgruppen. Da das auch die maximal zulässige Konzentration in Kosmetikprodukten sei, kann man also bedenkenlos zugreifen. 

Längerkettige Parabene wie Propyl- und Butylparaben hingegen können nicht abschließend bewertet werden, weil noch Daten fehlen. Dass Brustkrebs im Zusammenhang mit Parabenen stünden, dafür gäbe es jedoch keine Belege. Zwar sei unstreitig, dass Parabene hormonell wirken, aber ab welcher Konzentration das wirklich Schaden anrichte, sei nicht ausreichend untersucht. Für einzelne Parabene sind Grenzwerte festgelegt worden, bis zu denen das Produkt (vermeintlich) unbedenklich sei. 
Pflegeprodukte von HIPP
nicht auf der Liste: HIPP
 
Der BUND wendet ein, dass der Parabengehalt für ein einzelnes Produkt möglicherweise unproblematisch sei - allerdings verwenden wir im Alltag mehrere Kosmetikprodukte - von der Zahncreme über das Shampoo hin zur Creme. Kritisch sei vor allem die "Cocktailwirkung" - treffen mehrere Parabene aufeinander, verstärken sie sich (angeblich)gegenseitig in ihrer Wirkung.
 
Wir nehmen Parabene hauptsächlich über Kosmetikprodukte auf, aber auch in Arzneimitteln und Tabakprodukten können sie Bestandteil sein. Sogar Lebensmittel dürfen Methyl- und Ethylparaben und ihre Natriumalze enthalten. Man erkennt sie an der Kennzeichnung E214, E215, E218 und E219. Sie werden vor allem bei Nahrungsmitteln in Gelee, Pasteten und Knabbererzeugnissen auf Kartoffel- oder Getreidebasis, überzogenen Nüssen und Süßigkeiten verwendet.
 
Bei Toxfox wird nicht differenziert unterschieden - es ist zwar aufgeführt, welches Paraben enthalten ist, aber eine Differenzierung bezüglich langkettiger und kurzkettiger Parabene wird nicht vorgenommen.  Daher habe ich in meiner Liste die (vermeintlich) problematischen Inhaltstoffe ergänzt. Die Produkte, die langkettige Parabene enthalten, habe ich rot gekennzeichnet.
 
 

Am sichersten sind Produkte ohne Parabene

 
Zusammenfassend lässt sich sagen:
 
Die Wirkung von Parabenen ist nicht ausreichend belegt.
 
Kurzkettige Parabene sind möglicherweise unbedenklich.

Langkettige Parabene sind vermutlich gesundheitsgefährdend.

Verschiedene Parabene in mehreren Produkten sind ziemlich wahrscheinlich problematisch.

Keine Parabene sind zweifellos das Beste.
 
Wichtig ist außerdem noch zu wissen:

Die allermeisten Produkte enthalten keine Parabene. Wenn in meiner Liste "Babylove Pflegender Waschbalsam" von DM steht, dann heißt das, dass aus der Produktreihe dieses eine Produkt problematische Inhaltsstoffe enthält. Es gibt aber auch etwa 50 weitere Produkte von Babylove, die parabenfrei sind. Daher muss man wirklich immer genau auf die Produktbezeichnung schauen und kann nicht pauschal sagen, dass bestimmte Marken generell schlecht sind.

Produkte, die keine Parabene enthalten, sind jedoch normalerweise durch andere Inhaltsstoffe haltbar gemacht und vor der Verkeimung geschützt - häufig wird Methylisothiazolinon verwendet. Dieses hat wiederum ein fünf mal höheres Allergiepotential, als Parabene.

Je weniger ein Produkt mit Luft und Keimen (an den Fingern) in Berührung kommt, desto weniger Konservierungsmittel muss es enthalten. Creme-Tuben sind damit in der Regel weniger konserviert, als Creme-Dosen.

Eine weitere hilfreiche Seite, um Produkte in Bezug auf bedenkliche Stoffe zu überprüfen, ist Codecheck - dort kann man die Zusammensetzung von (fast) allen Babypflegeprodukten überprüfen. Es gibt auch eine Suche für alternative Produkte, die bestimmte Inhaltsstoffe nicht enthalten (sehr praktisch wenn irgendwelche Allergien oder Unverträglichkeiten bestehen) Vielen Dank an Stef für diesen Hinweis!
 
 

Übersicht der Pflegeprodukte für Kinder und Babys, die Parabene enthalten


Dose PenatencremeEin kurzer Hinweis vorab: Die Übersicht enthält alle Produkte, die laut aktueller Toxfox-Version hormonell wirksame Inhaltsstoffe haben. Penaten produziert nach eigenen Angaben seit 2014 sämtliche Produkte (außer der Wundschutzcreme) ohne Parabene. Auch Beauty Baby (Müller) gibt auf seiner Homepage an, dass alle Produkte Parabenfrei sind. Bei Toxfox sind die Produkte jedoch noch hinterlegt - ich habe sie in der Auflistung entsprechend mit [eckigen Klammern] gekennzeichnet.

Die Zahlen hinter den Produkten stehen für folgende Chemikalien:

  • (1) Methylparaben
  • (2) Propylparaben
  • (3) Ethylparaben
  • (4) Butylparaben
  • (5) Ethylhexyl Methoxycinnamate
  • (6) 4-Methylbenzylidene Camphor 
 

Shampoo


Aline´s Kinder Shampoo 1 2
Beauty Kids Shampoo & Shower Himbeere 1 2 3 4
Boots Baby Sensitive Conditioning Shampoo 1 3
Cien (LIDL) Baby Shampoo  1 2 3 4
Gabi Szappanmentes Sampon 1 2 3 4
Kür (Aldi Süd) Kids Shampoo 1 3
Le Petit Marseillais Shampoo Apfel Birne 1 2 3 4
Leo Lausemaus Kindershampoo 1 3
Lilliputz Shampoo für Prinzessinnen 1
Mustela Baby Shampoo 1 2 3 4
ReAm 4 your Baby Babyshampoo mit Kamille 1
Runika Vanilla Kindershampoo Floracell 1 2 3
Vanilla Shampoo Floracell 2 3

Duschbad und Badezusätze


Babylove (DM) Pflegender Waschbalsam 1 2
Babysmile Wash & Care 1 2 3 4
Babytime Waschgel 1 2
[Beauty Baby Waschbalsam 1 2 3 4]
Bübchen Dusch- und WaschcremeBeauty Kids Shampoo & Shower 1 2 3 4
Borsari Petali di sapone 1 2
Bübchen Wasch- und Duschcreme 1 2
Disney Pflege Princess Schaumbad Krone 1 2
Disney´s Mickey Mouse Clubhouse Bath & Showergel 1 3 4
Elcurina Kids Pirat Silbertaler Dusche 1 3
Haba Shampoo & Shower 1 2
Le Petit Marseillais Apfel-Melone extra mild 1 2 3 4
Le Petit Marseillais Aprikose-Vanille extra mild 1 2 3 4
Lepetit Marseillais Himbeer-Johannisbeere extra mild 1 2 3 4
Lilliputz Waschschaum für Kinder und Drachen 1
Lilliputz Dusche für Prinzessinnen Erdbeere 1 2 3 4
Lilliputz Shampoo & Dusche für Piraten mit Panthenol 1
Mazuri Kids Olive Oil Detangling Moisturing 1 2
Mazuri Kids Organics Olive Oil Anti Breakage Treatmen 1 2
Mustela Bebe 2-in-1 Hair and Body Wash 1 2 3 4
Nivea Baby Waschgel 1 2
Pampers Kandoo Schaumseife 1 2 3
Pelsano Med Badeemulsion 1 2
[Penaten Baby Softwash Cremedusche Extrapflege 1 2 3]
[Penaten Baby Softwash Wasch- und Duschcreme 1 2 4]
[Penaten Baby Kopf- bis Fuß Waschgel 1 2 3]
[Penaten Junior Hände und Gesicht 1 2]
Princess Glitter Shower Gel  1
ReAm Quartett Kamillen Pflegebad mit Panthenol 1 3
ReAm Quartett Kids Shower & Shampoo Wildberry 1 2
ReAm 4Your Baby Baby Pflegebad 1
Sanft für Baby Wasch- und Duschcreme 1 2 3
Sanft für´s Baby Wash & Care 1 2 3 4
Sau Bär Malseife blau 1 2 3 4
Schmutznix Das Kinderbad 1 2
Treffina Tub´n Scrub Bade & Duschgel Frosch 1 2

Körperpflege


Baby Naturals Wunschutzcreme 1 2 3 4
Babysmile Pflegelotion mit Olivenöl 1 2 3 4
Babysmile Wind & Wettercreme mit Olivenöl 1 2 3 4
[Beauty Baby Wind- & Wettercreme 1 2 3 4]
Bébé Klorane Laboratoires 1 2
Becollino Baby sensitiv Ultra nourish SOS cream 1 2 3 4
Bennets Baby Bum Creme 1 2
Bübchen Kinder Kosmetik Creme 1 2 3 4
Cien Baby Pflegelotion (LIDL) 1 2 3 4
Duckies Kids mit Jojoba und Vitamin E Feuchtes WC-Papier 1 2 3 4
Dulgon Kids Leicht-Kämm-Spray 1 2 3 4
Fissan Kids Körperlotion Prinzessin Lillifee 1 3
Johnson´s Baby Lotion 1 2
Kindercreme Tick Tack 1
Lasepton Schutz-Creme 1 2
LEYHS Kinder Gesichtscreme 1 2
Penaten WundschutzcremeLilliputz Bodylotion für Prinzessinen 1 2 3 4
Lilliputz Glitzerwaschschaum 1
Lilliputz Styling Creme 1 3
Milette Baby Care Baby Po-Creme 1 2
Milette Baby Care Wunsch & Schutzcreme 1
Milette Baby Milk 1 3
Mustela Baby Reinigungsmilch 1 2
Mustela Bébé Vitamincreme 1 2
Nivea Baby Fresh-Lotion 1 2 3 4
Nivea Baby Pflegecreme Hautsensitiv 1
Nivea Baby Pflege-Creme 1 2
Nivea Baby Sensitive Kopf-bis-Fuß Wasch-Lotion 1
Nivea Baby Wundschutzcreme 1 2
Paisalén Kinderölcreme 2
[Penaten Baby-Lotion 1 2]
[Penaten Baby Sanft-wie-Öl Pflegespray 1]
[Penaten Baby Soothing Naturals Intensive Pflegecreme 1 2]
[Penaten Baby Gesicht und Körper Pflegecreme 1 2]
Penaten Baby Wundschutzcreme 1 2
[Penaten Baby Intensiv Creme Gesicht und Körper 1 2 3]
[Penaten Baby Pflegecreme 1 2 4]
[Penaten Baby Softpflege Lotion 1 2]
[Penaten Baby Softpflege Ölbalsam  1 2]
[Penaten Baby Soothing naturals Lotion 1 2 3]
[Penaten Wundschutzcreme 1 2]
Prinzessin Sternenzauber Body-Butter 1 2 3 4
ReAm 4 Your Baby Babymilk 1 2 3
ReAm 4 Your Baby Babypflegeöl 1
ReAm 4 Your Baby Babyzartcreme 1 2 3 4
ReAm 4 Your Baby Wundschutzcreme 1 2 3 4
ReAm 4 Your Baby Zartcreme 1 2 3 4
Refecto Cil Hautschutzcreme 4
Sanft fürs Baby Gute Nacht Lotion 1 2 3 4
Sanosan Baby Pflegelotion 1 2 3 4
Sanosan Baby Wunschutzcreme 1 2 3 4
Violeta Baby Care Creme 1 2

Feuchttücher


Babysmile Feuchte Tücher 1 2 3 4
Babytime Comfort Feuchttücher sensitiv 1 2 3
Pampers FeuchttücherCherubin lingettes épaisses Feuchttücher 1 2 3 4
Euro Comfort Wipes 1 2
Huggies Natural Care Wipes 1
Huggies Pure Feuchte Baby-Pflegetücher 1
Lanisoh Clean and Condition Baby Wipes 1 4
M-Budget Baby-Feuchttücher Reisepack 1 2 3 4
Milette Baby Care Baby-Feuchttücher 1 2 3 4
Milette Kids Lilibiggs Fresh & Clean 1 2 3 4
Milette Soft Baby-Feuchttücher 1 2 3 4
Nivea Babys Toddies 2 in 1 2 3 4
Pampers Baby Fresh 2
Pampers Feuchttücher Sensitive 1 2 3
Pampers Kandoo 1 2 3
[Penaten Junior Feuchte Toilettentücher 1 2 3]
[Penaten Sensitive Pflegetücher 1 2 3]
[Penaten Baby Lotionspflege 1 2 3]

Sonnenschutz


Alando Sun Sonnenmilch 5
Alba Botanica - Kids Mineral Sunscreen SPF 45 5
Ambre Solaire Kids Sonnenschutzmilch LSF 50 + 1 2 3
Aveeno Baby Continious Protection Lotion Sunscreen 1 2 3
Bübchen Sonnenspray Kids LSF 30 5 6
Daylong Baby SPF 25 Crème 1 2
Daylong  Kids SPF 30 Lotion 5
Daylong Kids SPF 50 Lotion 5
Dermifant Sonnenschutzspray LSF 20 5
Doctor Duve Babies & Kids Sonnencreme SPF 50 1 2 3 5
Daylong SonnencremeEcran Sun Care Kids LSF 50 + 5 6
Eucerin Kids Sun Lotion LSF 50 + 1 3
Eucerin Kinder Intensivschutz Sonnenlotion LSF 25 1 2 5
Ladival für Kinder Sonnenschutzspray 5
Louis Widmer Sonnencreme Kids LSF 25 1 2 3 4
Lovea Disney Kids Bio Sonnenschutz Spray LSF 50 5
Nivea Baby Sonnemilch LSF 50+ 1
Nivea Sun Kids Pure & Sensitive Spray LSF 50 + 5
Nivea Sun Kids Sonnenmilch LSF 25 2
Nivea Sun Kids Sonnenmilch LSF 30 1
Nivea Sun Kids Sonnenmilch LSF 50+ 1
Nivea Sun Kids Spray LSF 20 1 5
Nivea Sun Kids Spray LSF 30 2 6
Nivea Sun Kids Spray LSF 50+ 1 3 5
Nivea Sun Kids Swim & Play Schutz-Lotion LSF 50+ 1 3
Nivea Sun Kids Pflegende Sonnenmilch LSF 50+ 1 3
[Penaten Baby Sonnencreme LSF 40 1 2]
[Penaten Baby Sonnenlotion LSF 40 5]
ReAm Suncare Kinder Sonnencreme LSF 50 1 2 3 4
ReAm Suncare Kinder Sonnenmilch LSF 30 1 2 3 4
Re Am Suncare Sonnencreme Kids 1 3
Sun Look Kids Sun Milk LSF 30 1 3
Sun Look Lilibiggs LSF 25 1 2 3 4 5
Sunsense Toddler Milk SPF 50 1 2

Zahnpflege


All-dent Kids Milchzahn Zahncreme 1
Dentalux for Kids Freche Orange 1
Dentalux for Kids Fruchtbombe 1
Dentalux for Kids Grüner Apfel 1
Eurodent Kinderzahncreme Bubblegum 1
Odol Med 3 Junior Zahnspüllösung 1 2
Perlodent - Benjamin Blümchen Zahncreme 1
Perlodent Wickie auf großer Fahrt 1
Theramed Junior mit Erdbeergeschmack 1
Vademecum Junior 1

© Danielle


 

Quellen


http://de.wikipedia.org/wiki/Parabene

http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/chemie/140930_bund_chemie_toxfox_foxfacts.pdf

http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=12323&gartnr=90&bernr=10

http://www.br.de/radio/bayern1/inhalt/experten-tipps/umweltkommissar/parabene-kosmetik-konservierungsstoffe-umweltkommissar-100.html

http://www.br.de/radio/bayern1/inhalt/experten-tipps/umweltkommissar/parabene-kosmetik-konservierungsstoffe-umweltkommissar-100.html

http://www.bfr.bund.de/cm/343/verwendung_von_parabenen_in_kosmetischen_mitteln.pdf

Stillen und Alkohol - mal ein Glas ist unbedenklich

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Baby an der Brust und trinkt"Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren..."?

Für Schwangere sollte Alkohol absolut tabu sein, denn er hemmt die Entwicklung des Babys und kann - vor allem vor der 9. Schwangerschaftswoche getrunken - zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Ist die Organbildung abgeschlossen richtet er vor allem Schäden im kognitiven Bereich an. Es gibt keine untere tolerierbare Grenze - trinkt man (auch nur einmalig) in der Schwangerschaft Alkohol, vergiftet man sein Kind und setzt es einem unkalkulierbarem Risiko aus. Jährlich werden etwa 10.000 Kinder geboren, die unter alkoholbedingten Beeinträchtigungen leiden.

Wie aber sieht das eigentlich in der Stillzeit aus? So manche Mutter würde gerne wieder mal nach neun disziplinierten Monaten ein Glas Bier, Sekt oder Wein genießen. Und schließlich hört man doch auch immer mal wieder mal von Frauenärzten oder Hebammen, dass ein Glas Sekt sogar die Milchbildung anregen würde. Ich möchte in diesem Artikel der Frage auf den Grund gehen, ob man während der Stillzeit gelegentlich ein Glas Alkohol trinken kann.
 
 

Natürlich am sichersten: absolute Enthaltsamkeit beim Stillen


Ohne wenn und aber:
 
Nichts trinken ist am sichersten.
 
Das ist ganz zweifellos so und nicht diskutierbar. Allerdings ist die absolute Enthaltsamkeit während der Stillzeit nicht so weit verbreitet, wie man es möglicherweise vermuten würde.

Studien zeigen nämlich, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Müttern nach der Geburt den Wunsch hat, auch gelegentlich wieder ein Glas Alkohol zu trinken und dies auch tatsächlich tut. Eine Studie zum Stillverhalten bayrischer Mütter ergab beispielsweise, dass etwa 30 bis 80 % der Mütter in den ersten 9 Monaten nach der Geburt Alkohol tranken - die meisten davon aber eher selten und nur zu besonderen Anlässen. In weiteren Studien aus den USA und Australien lag die Zahl der Alkohol trinkenden Stillmütter zwischen etwa 40 und 50 %.
 
Da also offenbar ein nicht unerheblicher Teil der Mütter nicht vollkommene Enthaltsamkeit lebt, stellt sich die Frage: Ist Alkohol in der Stillzeit tolerierbar? Und wenn ja - in welchem Umfang und unter welchen Umständen?
 
 

Welchen Einfluss hat Alkohol auf die Milchbildung?


"Ein Glas Sekt regt die Milchbildung an!" Auch diese Empfehlung hört man gar nicht selten von Hebammen und Ärzten. Werdende Mütter werden teilweise sogar vom Krankenhaus ermutigt, zum Anstoßen auf die Geburt eine kleine Flasche Sekt mitzubringen. Die Annahme ist so weit verbreitet, dass manche Mütter sogar gezielt für die Milchbildung Sekt trinken.

Ob dem wirklich so ist, untersuchte eine Studie des Monell Chemical Senses Center in Philadelphia. Die Ergebnisse der Untersuchung belegten jedoch, dass das Gegenteil der Fall ist. Stillende Frauen bekamen abwechselnd Orangensaft mit oder ohne Alkohol zu trinken und wurden gebeten, danach Milch abzupumpen. Darüber hinaus wurden auch die auf die Milchbildung Einfluss habenden Hormone Oxytocin und Prolaktin bestimmt. Nach dem Konsum von Alkohol fiel es den Frauen schwerer, den Milchspendereflex auszulösen und sie produzierten auch insgesamt weniger Milch. Der Oxytocin-Spiegel sank signifikant, der Prolaktinspiegel erhöhte sich.

Eine anderere Studie ergab, dass Kinder - vermutlich wegen des Geschmacks - nach dem Alkoholkonsum ihrer Mutter insgesamt weniger Milch trinken. Es bleibt also festzuhalten, dass Alkoholkonsum in der Absicht, die Milchmenge zu steigern, nicht zu empfehlen ist.

 

Was passiert nach dem Trinken von Alkohol?

 
Alkohol geht während der kompletten Passage durch den Verdauungstrakt nach und nach ins Blut über. Deswegen steigt der Alkoholspiegel allmählich und erreicht seinen Höhepunkt erst nach etwa 30 bis 60 Minuten. Im Magen werden bereits 10 bis 30 % des reinen Alkohols resorbiert. Der größte Teil wird dann über den Dünndarm aufgenommen.
 
Wie viel Alkohol genau der Körper aufnimmt, hängt von mehreren Faktoren ab - zum Beispiel vom Geschlecht, von der Trinkgeschwindigkeit, der Tageszeit, der Zusammensetzung des Alkohols, dem Blutzuckerspiegel, der Magenfüllung, der Verweildauer im Magen usw. Sekt passiert wegen der Kohlensäure wesentlich schneller den Magen, daher steigt der Blutalkoholspiegel schneller an, als bspw. bei Wein.
 
Wichtig zu wissen ist: Die Alkoholspiegel im Blut und in der Muttermilch sind identisch. Deswegen nutzt es auch nichts, nach dem Alkoholgenuss Milch abzupumpen - das beschleunigt den Abbau nicht.
 

Wie lange dauert der Abbau von Alkohol?


Bezüglich des Abbaus von Alkohol speziell bei Frauen wurden verschiedene Studien durchgeführt. Bei allen lag die durchschnittliche Abbauzeit zwischen 0,1 und 0,2 g/kg Körpergewicht und Stunde.

Wenn man genau wissen will, wann der Alkohol komplett abgebaut ist, muss man den Alkoholgehalt des Getränks kennen. Zur schnelleren Orientierung habe ich eine Übersicht erstellt, der man entnehmen kann, wie viel g Alkohol die folgenden Getränke enthalten:


Gehalt Alkohol bei Bier und Wein
Alkoholgehalt in g für verschiedene Getränke


Trinkt eine 60 kg schwere Frau ein Bier (200 ml) mit 5 Vol.-%, dann hat sie 8 g reinen Alkohol aufgenommen. Wenn man ganz sicher gehen will, legt man einfach die niedrigste Abbaumenge (0,1 g/kg/Stunde) zugrunde:
 
60 kg x 0,1 g = 6 g/Stunde
 
Um die 8 g aus dem Bier abzubauen, benötigt der Körper also eine Stunde und 20 Minuten.
 
Als einfache Faustregel kann man sich merken: Eine Frau baut pro Stunde
  • 69 - 79 ml Sekt (mit 11 Vol.-%) und
  • 150 bis 174 ml Bier (5 Vol.-%)

ab.


Wie viel Alkohol geht in die Muttermilch über?


Weißwein und RotweinWas passiert eigentlich, wenn die Mutter genüsslich ein Glas Wein trinkt und das Baby plötzlich unerwartet aufwacht und die Brust verlangt?

Abschätzungen auf Basis experimenteller Untersuchungen zeigen, dass die Konzentration des Alkohols im kindlichen Körper bei einer moderaten Menge Alkohol (bis zu 0,25 l) sehr gering ist, denn es geht nur ein Teil des mit der Muttermilch aufgenommenen Alkohols in das Blut des Baby über.

Es wurde berechnet, dass nach dem Genuss eines Glases Wein (250 ml = ca. 32,5 g Alkohol) über einen Zeitraum von 30 Minuten das mütterliche Blutalkoholvolumen bei 0,59 ‰ liegt. Würde sie ihr Baby nach dem Austrinken sofort stillen, wären bei 
  • einem Neugeborenen 0,0034  ‰ (das entspricht 0,0305 g Alkohol)
  • bei einem dreimonatigem Baby 0,0039 ‰ (das entspricht 0,055 g Alkohol)
im Blut nachzuweisen.

Von dem, was die Mutter an reinem Alkohol (32,5 g) verzehrt, kommt im Blut des Neugeborenen also nur ein Bruchteil - gerade mal 0,094 % der Gesamtmenge an. Das entspricht knapp einem Zehntausendstel.
 
Was? Ein Zehntausendstel? Kann das wirklich sein? Ich war völlig verwirrt! Die Zahl stammt aus Seite 21 des Papiers "Alkohol in der Stillzeit - eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der Stillförderung" des Bundesinstitutes für Risikobewertung.
 
In dem Papier steht auch noch etwas anderes Interessantes drin - bekäme ein Neugeborenes Carminativum Hetterich, ein Mittel gegen Blähungen mit einem Alkoholgehalt von 34 Vol.-% (das speziell für Säuglinge zugelassen ist) in der empfohlenen Dosierung, dann würde es damit 0,138 g reinen Alkohol aufnehmen - das ist mehr als viermal so viel, wie nach dem Stillen nach einem Glas Wein. Behandelt man ein dreimonatiges Baby  mit Carminativum Hetterich, wären es mit 0,276 g sogar fünfmal mehr.
 
In dem Dokument steht aber eben auch, dass es sich um "Abschätzungen auf Basis experimenteller Untersuchungen" handelt - Experimente an echten Säuglingen kann man aus ethischen Gründen natürlich nicht vornehmen. Es handelt sich um reine Modellrechnungen - allerdings auf absolut fundierter wissenschaftlicher Basis. Mir ließ das keine Ruhe und ich recherchierte weiter.
 
An anderer Stelle fand ich auch eine schwedische Untersuchung, die besagte, dass von der Mutter konsumierter Alkohol nur zu etwa 2 % im Blut des Kindes ankommt. Daher sagt die schwedische National Food Administration sogar offiziell, dass bis zu zwei Gläser Alkohol in der Woche für Stillmütter unproblematisch sind. Ebenso lauten die amerikanischen, kanadischen und französischen Empfehlungen.
 
Wie viel Alkohol kommt denn nun wirklich beim Baby an? Ich beschloss einfach mal nachzurechnen. Ich hatte oben ja schon geschrieben - Blutalkoholgehalt und Muttermilchalkoholgehalt sind identisch - das ist wissenschaftlich zweifelsfrei belegt.

Die Berechnung des Blutalkoholes erfolgt mit der Widmark-Formel:
 
Promille = aufgenommener Alkohol (siehe Tabelle oben) / (0,6 x Gewicht in kg)
 
Für eine 60-kg-Frau mit einem 250-ml-Glas Wein (13 %) würde das also bedeuten:
 
Promille = 26 g / (0,6 x 60) = 0,72 ‰.
 
Die Angabe "‰" bedeutet, dass dieser Anteil ihres Blutes aus reinem Alkohol besteht. Promille bedeutet "Tausendstel" - also ein Liter Blut enthält dann 0,72 ml Alkohol. Der Alkoholgehalt der Muttermilch wäre exakt genauso hoch. Da dieser in Prozent, also "Hundertstel" angegeben wird, entspricht das 0,072 %. Das sind tatsächlich nur 2,2 % der ursprünglichen Alkoholmenge, die die Mutter zu sich nahm. 

Nun kann man einwenden, dass auch 0,072 % immer noch Alkohol ist, der ins Blut des Kindes gelangt - wie verschwindend wenig das jedoch ist, erkennt man beim Vergleicht mit den Alkoholgehalt verschiedener Nahrungsmittel:


Alkoholgehalt Muttermilch und Lebensmittel
Alkoholgehalt verschiedener Lebensmittel in %

Die Muttermilch enthält nach einem Glas Wein 0,72 % Alkohol - etwa eben so viel hat eine Apfelsaftschorle mit nur einem Viertel Saft. Verzehrt ein Kind eine reife normalgroße Banane mit 100 g, dann hat es mal eben 0,6 g Alkohol konsumiert - um den gleichen "Alkoholpegel" zu erreichen, müsste es 833 ml "weinverseuchte" Muttermilch trinken...

Die aufgenommenen Mengen sind also wirklich extrem gering, so dass nichts dagegen spricht, auch in der Stillzeit mal ein Glas Bier, Sekt oder Wein zu trinken. Idealerweise wartet man dafür natürlich eine längere Stillpause ab - aber selbst wenn das Baby sofort aufwachen und die Brust verlangen würde, wäre keine Auswirkung zu befürchten. Jedenfalls keine schlimmere, als durch eine Fruchtsaftschorle mit 25 % Saft.
 
 

Fazit 

 
BierglasDer von einer stillenden Mutter aufgenommene Alkohol geht nur zu einem Bruchteil in die Muttermilch über. Pro Stunde und kg Körpergewicht wird etwa 0,1 g Alkohol abgebaut. Wird das Kind gestillt, bevor der Alkohol abgebaut ist, nimmt das Kind so geringe Mengen auf, dass ein geringfügiger Alkoholkonsum vertretbar ist.
 
Entsprechend stellt sogar der Deutsche Hebammenverband fest, dass "Muttermilch mit einer Restmenge Alkohol darin immer noch besser für Babys" ist, "als Flaschennahrung". Bis zu 20 g Alkohol an einem Tag (natürlich nicht jeden!) ist demnach nach Ansicht des Verbandes vertretbar - das entspricht einem 0,5l-Glas Bier oder einem 0,2-l-Glas Wein.

Allerdings würde ich persönlich trotz der gesammelten Erkenntnisse während der Stillzeit mindestens im ersten Lebenshalbjahr bzw. bis zum Beikostbeginn keinen Alkohol konsumieren. Schließlich würde man Neugeborenen auch kein Stück Banane oder Apfelschorle anbieten.

Um es abschließend ganz deutlich zu sagen: Mit den Erkenntnissen aus diesem Artikel kann man guten Gewissens gelegentlich (und damit ist etwa ein bis drei mal monatlich gemeint) ein Glas (und damit ist auch tatsächlich nur eins gemeint!) Bier, Wein oder Sekt trinken - er soll bitte nicht als Rechtfertigung dienen, in der Stillzeit regelmäßig Alkohol zu konsumieren
 
Und noch ein sehr wichtiger Hinweis ganz zum Schluss:
 
Niemals (!) darf man nach dem Verzehr von Alkohol zusammen mit dem Kind im Elternbett schlafen - das ist einer der größten Risikofaktoren für SIDS und das Ersticken im elterlichen Bett.
 
© Danielle (mit  wirklich herzlichem Dank an Laetizia ;-)

 

Quellen



 
 
 
 
Bildnachweis 

stillendes Baby: Karin  / pixelio.de 



Warum es "Das gewünschteste Wunschkind aller Zeiten" gibt

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Vor kurzem haben wir eine E-Mail bekommen, die uns sehr bewegt hat. Wir möchten sie hier mit Euch teilen, weil sie so berührend erklärt, warum wir Das gewünschteste Wunschkind aller Zeitenschreiben...
 
Liebe Danielle, liebe Snowqueen,

ich bin kürzlich über einen Link bei Facebook über eure Seite gestolpert. Es ging um einen Artikel zum Thema „Trösten“, der mich zunächst einfach mal nachdenklich gestimmt hat. Es folgte der Artikel über Aggressionen bei Kindern.

Ich habe seit dem viele Stunden, auch oft nachts, gegrübelt, nachgedacht, reflektiert, mich erinnert... Und so vieles rumort in mir. Ich habe mir 3 Bücher zum Thema gekauft ("Dein kompetentes Kind: Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie" von Juul, Jesper; "In Liebe wachsen: Liebevolle Erziehung für glückliche Familien" von González, Carlos, und "Liebe und Eigenständigkeit: Die Kunst bedingungsloser Elternschaft, jenseits von Belohnung und Bestrafung" von Alfie Kohn – besonders die beiden letztgenannten sind für mich eine Offenbarung).


Ich sehe jetzt so vieles anders. Es ist, als hätte mir jemand eine Tür geöffnet zu einem Raum, den ich vorher nie gesehen habe, nur im Inneren gespürt habe, dass er da sein muss, weil der Raum, in dem ich mich mit meinen Kindern aufhalte, sich falsch anfühlt.

Mein Mann ist aktuell beruflich im Ausland und ich somit eine ganze Weile alleinerziehend. Meine Kinder sind 3 Jahre und 1 Jahr alt. Der Kleine ist noch relativ „pflegeleicht“, aber die Große purzelt von einer Trotzphase in die nächste. Dass ich allein mit ihnen bin, war wohl gut so, wenn auch anstrengend - denn erst dadurch bin ich soweit an meine Grenzen von Geduld und Kraft gekommen, dass ich gesagt habe: Stopp! Es MUSS sich etwas ändern. Deshalb habe ich jetzt so viel zu dem Thema gelesen.

Ich sitze manchmal da und weine, weil ich mich in den genannten Fehlern wiedererkenne und denke "Mein Gott, genauso hast du es immer gemacht..." - ich habe immer gedacht, so und nur so funktioniert Erziehung und man müsse das als Eltern durchstehen, dass die Kinder auch mal unglücklich sind über ihre Erziehung und man muss ihnen als Gegner gegenüberstehen, weil man sonst einen Machtkampf verliert, den ich nie führen wollte. Aber Eltern, Großeltern, Freunde, Bekannte... sehen es eher wie dieser Winterhoff: Wenn ich meine Kinder nicht mit klaren Grenzen erziehe und diese immer einhalte, koste was es wolle, dann verziehe ich sie und sie tanzen mir auf der Nase herum. Auch wenn sie heulend vor mir stehen. Auch wenn sie betteln: „Mami, kannst du mich trösten?“

Aber tief in meinem Inneren hat mich das unglücklich gemacht. So oft habe ich in den letzten Monaten zu meinem Mann gesagt: "Ich wollte immer Kinder, aber ich wusste nicht, dass es so schwer ist und so schrecklich, sie erziehen zu müssen. Ich möchte nicht mehr die böse Mama sein." Sollte das Erziehung sein? Dass beide Parteien (Kind & Eltern) unglücklich sind? Aber ich kannte keinen Ausweg.

Erst jetzt begreife ich, dass ich viel mehr auf dieses Innere Bedürfnis danach, MIT meinem Kind gemeinsam und nicht GEGEN es zu agieren, hören sollte. Ich muss doch nicht ihr Gegner sein. Nur weil wir seit der Schulzeit lernen, dass wir alle kleine Konkurrenten und Gegner sind, warum sollte man das in der Familie auch so handhaben? Im Gegenteil, sollten wir diese nicht gerade als sicheren Hafen betrachten, OHNE Parteien und Machtkämpfe?

Es kommt so oft das Argument: "Aber später im Leben gibt es auch Regeln und Grenzen, an die sich deine Tochter halten muss. Wenn sie das nie lernt, hat sie es schwer."

Vielleicht. Nein. Nein! Vielleicht wird es viel eher Zeit, dass sich die Gesellschaft ändert und anpasst. Warum überall Konkurrenzkampf? Können wir nicht viel mehr erreichen, wenn wir von klein auf lernen, zusammen auf ein Ziel hinzuarbeiten, statt jeder für sich? Muss alles immer ein Wettbewerb sein, wer am schnellsten, als erstes, am besten...? Warum denn nicht, „wer gemeinsam ein Problem löst“? Warum muss sich mein Kind von klein auf in gesellschaftliche, schädliche und frustrierende Bahnen zwängen, wenn es auch lernen kann, freier und weiter zu denken und nicht nur "hörig" zu sein? Irgendeiner hat mal festgelegt, dass Kinder den Lehrern nicht widersprechen sollen. Und die Lehrer beschweren sich, dass die Kinder immer respektloser werden und ihnen widersprechen. Sollten sie nicht viel eher froh sein, dass heute nicht mehr 19 von 20 Kindern stumm und brav in der Bank sitzen und alles tun, was man ihnen sagt? Sollten sie nicht froh sein, dass heute vielleicht 15 von 20 Kindern auch mal aufbegehren, Fehler und Lücken feststellen und nutzen, eigene Wege austesten und nicht auf alles hören? Wir erwarten von Erwachsenen, dass sie "selbst denken" und "nicht einfach Befehle annehmen", weil wir dann wieder im System von 1940 landen. Aber von unseren Kindern erwarten wir das... Das erscheint mir so absurd!

Ich fand es als Schulkind immer furchtbar, diesen Druck. Aber ich habe mich angepasst und war begabt genug, an der Spitze zu stehen. Habe nur 1en geschrieben, war immer fleißig und brav und artig. Aber ich habe es gehasst, habe irgendwann eine innere Wut aufgebaut und fühlte mich so leer und hilflos, weil ich ja nicht wusste, wohin damit. So unglücklich und wütend soll meine Tochter nicht werden.

"Mach dir doch nicht so viele Gedanken...", sagte eine Freundin kürzlich, als ich versuchte, mit ihr darüber zu sprechen, was mich bewegt.

Doch. Warum denn nicht? Gerade da!

Ich mache mir doch Gedanken, was ich abends im Fernsehen schaue, wohin ich in den Urlaub fahre, welche Ernährung für mich die beste ist, wie ich Pfunde loswerde, was ich anziehe... Wieso soll ich mir nicht Gedanken um die Erziehung meines Kindes machen? Gerade um die wichtigen Dinge sollte ich mir Gedanken machen (dürfen)!

Kinder können den Alltag anstrengender machen. Ich dachte neulich über all die Dinge nach, die ich jetzt mehr tun muss, als vor den Kindern. Täglich Bausteine wegräumen, mehr Wäsche waschen, Sand aus dem Flur fegen, unter dem Esstisch wischen, Windeln wechseln beim Kleinen, Haare waschen bei der Großen... Die Liste fühlt sich endlos an. Das ist oft ermüdend.


Deshalb tu ich manchmal Dinge, um es mir einfacher zu machen. Weil es bequemer ist, etwas zu verbieten. Und wenn die Große "Warum?" fragt, sage ich "Weil es so ist." Und dann schiebe ich innerlich die Begründung vor, dass das Kind ja auch lernen muss, dass es Dinge manchmal einfach nicht bekommt, ohne dass ich sie begründen muss - im wahren Leben später ist es ja auch so, und darauf muss ich sie vorbereiten. Aber wie oft bin ich selbst frustriert, wenn mir eine Entscheidung nicht begründet wird? Wenn ich gekündigt werde, ohne dass man mir einen Grund nennt, dann bin ich frustriert und unzufrieden. Ich denke, ich habe ein Recht darauf, den Grund zu erfahren. Und genau den hat mein Kind doch auch. Dass ich als Kind Dinge hinnehmen musste "weil sie einfach so sind. Punkt." hat mir offenbar nicht geholfen, jetzt später "im wahren Leben" damit klar zu kommen, dass Dinge manchmal einfach so sind, ohne dass ich den Grund erfahre. Nein, ich bin immer noch genauso frustriert darüber - aber ich weiß nicht, wohin mit meiner Wut, schließlich habe ich gelernt, es still zu ertragen, anstatt sie zuzulassen und rauszulassen, ohne mich dafür zu schämen. Das Gefühl wurde mir also nicht aberzogen, sondern nur dessen Unterdrückung anerzogen. Und das soll von Vorteil sein?

Ich werde in Zukunft öfter in mich hineinhorchen, bevor ich ein Nein ausspreche, ob ich es nicht deshalb tu, weil es mir gerade bequemer ist. Eure Liste, in der ihr aufzeigt, worüber man nachdenken könnte, bevor man „Nein“ sagt, hilft mir dabei sehr. Vielleicht dankt mein Kind es mir auf lange Sicht, wenn sie auch öfter den Grund für ein „Nein“ erfährt. Oder wenn ich ihr zeige, dass sie wütend sein darf, wenn sie den Grund nicht versteht und dass sie es nicht einfach hinnehmen soll, sondern ihre Wut auch benennen darf. Ich würde so gern manchmal sagen "Mensch, jetzt bin ich aber echt sauer, weil..." - aber ich kann es nicht. In solchen Situationen bin ich stumm, gefangen in meiner eigenen Erziehung, und dann weine ich oft weil ich vor lauter unterdrückter Wut so hilflos bin. Und ich richte sie gegen den einzigen Menschen, gegen den es mir nie verboten wurde - mich selbst. Ich verletze mich nicht, aber ich beschimpfe mich innerlich als wertlos, verkehrt und schäme mich dafür.

Ich habe dafür nie meine Erziehung als Ursache gesehen. Aber jetzt, nach all euren Artikeln, Blogeinträgen, Ratschlägen... Ich glaube, ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass die "Wenn-Dann"-"Nein"-"Hab dich nicht so"-Erziehung meiner Eltern an mir bleibende Schäden angerichtet hat, ohne dass sie es wollten oder dass sich einer von uns dessen bewusst ist (war).

Ich wurde immer gekuschelt, habe viel Zeit und Aufmerksamkeit bekommen. Ich hatte eine glückliche Kindheit. Bis zur späten Pubertät. Ich hatte plötzlich so viele Selbstzweifel, entwickelte Selbsthass und Wut. Eine riesengroße Wut, und ich wusste nicht mal, wogegen. Die war einfach in mir. Aber ich habe sie nie geäußert. Ich schreie nicht. Ich streite nicht. Habe ich nie gelernt oder vorgelebt bekommen. Ich war artig, habe "ja" gesagt und gehorcht. Weil ich dafür gelobt wurde. Hatte stets die besten Noten, weil das so schön war.

Und jetzt fühle ich mich deshalb manchmal so hilflos. Wie kann ich meiner Tochter beibringen, ihre Wut zu äußern, rauszulassen, und ihr zeigen, dass es okay ist? Seit ca. 2 Wochen versuche ich jetzt, mir das alles bewusster zu machen. Meistens sage ich ihr jetzt, wie ich mich fühle, und was ich denke, wie sie sich fühlt. Ich sage zu ihr: "Es ist in Ordnung, wenn du wütend bist" oder "Du darfst wütend sein", wenn sie sich auf den Boden wirft und brüllt und heult und mich anspuckt und sagt "Blöde Mami." Ich bin verletzt dadurch, aber ich weiß jetzt, dass ich den Grundstein dafür in der Vergangenheit gelegt habe. Jedes Mal, wenn ich ihr sagte "Blöde Mami sagen ist garstig." oder sie in ihr Zimmer schickte, um sich "auszubocken". Ich habe das Gefühl, ich habe so viel wieder gut zu machen, dass es mich manchmal überrollt und erschlägt.

Ich verfalle ab und an in alte Muster, wenn ich einen Wutausbruch von ihr nicht begleiten kann, weil wir nun mal in die Kita müssen und ich keine halbe Stunde habe (so lang kann ein Wutanfall bei ihr manchmal dauern, bis sie wieder den alltäglichen Dingen nachgehen kann...). Erst heute wollte sie früh nicht ins Auto, und dann rutschte mir ein hilfloses "So, ich fahre jetzt los" raus und ganz panisch kam sie an und saß ruckzuck in ihrem Sitz. Und ich habe mir auf die Lippe gebissen und innerlich eine Ohrfeige verpasst, weil ich das nicht wollte.

Es ist nicht leicht, aus den alten Verhaltensmustern auszubrechen.

Ich möchte der Partner meiner Tochter sein, nicht ihr Gegner. Ihr sicherer Hafen, auf den sie sich verlassen kann, und nicht einer, um den sie Angst haben muss, wenn ich sinngemäß sage "Dann verlasse ich dich jetzt, es sei denn du gehorchst." - wie es mir heute Morgen passiert ist.
 
Ich habe Angst, ich bin aufgewühlt und bewegt. Aber ich bin auch so glücklich, endlich einen Weg zu sehen, der sich richtig anfühlt, der sich natürlich anfühlt und der mir das Gefühl gibt, dass mein Kind so die Chance hat, glücklich zu werden und nicht hörig. Ich fühle mich erleichtert und freier, auch wenn ich jetzt Abends manchmal eine halbe Stunde tröste, beruhige und Wutanfälle mit ihr durchstehe, weil sie nach dem Sandmann keine Gummibärchen essen, Biene Maja schauen oder Klavier klimpern darf (davon wacht ihr Bruder auf). Noch vor kurzem gingen ihre Wutanfälle nur ganz kurz, und mit strengen Worten und Geschimpfe wurde sie ins Bett gebracht. Und ich habe hinterher erschöpft auf der Couch geheult, weil es sich so falsch anfühlt, das Kind jeden Abend schimpfend ins Bett zu bringen.

Jetzt habe ich zwar statt fünf Minuten manchmal eine halbe Stunde Weinen und Wut und "Blöde Mami!"-Rufe, aber ich schicke sie nicht weg, ich tröste sie, kuschele wenn sie es zulässt, streichele sie, höre ihr zu und erkläre ihr, warum die Dinge nicht gehen. Ich biete ihr Alternativen (noch eine Geschichte vorlesen, eine erzählen, Lieder singen... - was eben machbar ist), die sie bisher aber nicht annehmen möchte. Aber ich gebe nicht auf. Ich hoffe so, dass ich damit auf dem richtigen Weg bin.

Allein, dass ihre Wutanfälle länger sind, gibt mir das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein – so paradox es klingt. Sie muss ihre Wut, ihre Angst oder was immer dahinter steckt, nicht mehr unterdrücken, sondern darf sie jetzt solange rauslassen, wie sie braucht. Und wenn sie erstmal ein paar Wochen immer wieder „Blöde Mami!“ zu mir sagt oder nach mir spuckt, dann werde ich sie dafür nicht mehr mit Missachtung strafen, sondern versuchen, rauszufinden, was dahinter steckt. Und bei ihr bleiben. Nie wieder will ich sie wegschicken, denn es hat sich immer schon so verkehrt angefühlt, ihr das Einzige zu verweigern, dass doch immer da sein sollte: Mich.

Neulich haben wir darüber gesprochen, dass sie wütend auf den Papa ist, weil er weg ist und sie sagte, sie habe ihn nicht mehr lieb. Da habe ich ihr erklärt, dass man gleichzeitig jemanden lieb haben und wütend auf ihn sein kann. Und dass ich manchmal auch wütend auf den Papa bin, weil er nicht da ist und ich ihn sehr vermisse, und dass ich ihn trotzdem sehr lieb habe und mich freue, wenn er wieder da ist. Und dass sie dem Papa auch sagen darf, dass sie wütend ist. So habe ich vorher noch nie über Gefühle mit ihr geredet, eben weil in mir drin festsitzt, dass man Wut nicht rauslässt.

Ich danke euch so, für eure Blogeinträge, euren unermüdlichen Erklärungen und das Mut machen, zu dem zu stehen, was man fühlt und nicht nur nach den "alten Mustern" zu handeln. Ich hoffe, dass ich es schaffe, nach und nach mehr von meinen alten Verhaltensmustern abzulegen. Als die Große ein Baby war, habe ich ihr viel mehr Raum für ihre Bedürfnisse zugestanden, wie jetzt bei unserem Kleinen. Sie hochgenommen, gekuschelt, getröstet, nach Bedarf gefüttert, auf meinem Bauch schlafen lassen... Aber so mit einem Jahr, als die ersten Trotzphasen kamen, fing ich "mit der Erziehung" an – ganz klassisch, wie in einem eurer Artikel beschrieben. Das möchte ich bei dem Kleinen von Anfang an ändern. Ihr habt mir gezeigt, was ich in dem Alter von ihm einfach noch nicht erwarten kann, und dass ich mich eher anpassen muss, als meine Kinder an mich anzupassen… (Sehr erhellend war für mich das eine Beispiel mit den Kindern in der Badewanne in einem eurer Artikel, die immer mal aufstehen, und dass es nichts bringt, wenn ich zu meinem Kleinen sage "Nicht aufstehen", sondern es meine Aufgabe ist, ihn eben aufzufangen, wenn er ausrutscht. bzw. ich habe uns zusätzlich noch so eine rutschfeste Einlage besorgt, die das Risiko minimiert. Jetzt kann er stehen und freut sich, weil er dann mit mir auf Augenhöhe ist und mir ins Gesicht patschen kann, wenn ich vor der Wanne sitze.)

Habt also einfach vielen Dank für eure Website und all die tollen Tipps.

Viele liebe Grüße
X.

Liebe X., wir danken Dir von Herzen, dass Du Dir die Zeit genommen hast, uns diese Zeilen zu schreiben. Denn dieses Nach- und Umdenken - das ist es, wofür wir schreiben. Es freut uns wirklich jedes einzelne Mal, wenn jemand uns ein paar Worte hinterlässt und sagt: Das, was ihr tut, hat mich beeinflusst und es geht uns gut damit.

Wir freuen uns darüber, dass wir ein kleines Stück dazu beitragen können, dass sich Erziehung immer mehr bindungs- und bedürfnisorientiert entwickelt. Vielen Dank an dieser Stelle an unsere Leser für jeden einzelnen Kommentar auf unserer Seite, danke fürs Lesen, Liken, Teilen, Twittern und Weiterempfehlen.

Herzliche Grüße
Snowqueen und Danielle

 

Wenn das Baby den Papa ablehnt

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Vater mit Baby

Warum Kinder oft nur auf Mamas Arm wollen


Gar nicht so selten kommt es vor, dass Babys anfangen zu weinen und zu schreien, wenn sie auf dem väterlichen statt dem mütterlichen Arm sind. Sehr oft ist es so, dass Kleinkinder wie um ihr Leben brüllen, wenn sie von ihrem Papa ins Bett gebracht werden und sie geben nicht eher Ruhe, bis die Mama erscheint. So ein Verhalten ist natürlich extrem verletzend für den abgelehnten elterlichen Part - dieser fühlt sich ungeliebt und zurückgewiesen. Manchmal geht das so weit, dass sich das entsprechende Elternteil - größtenteils ist es der Vater - vom Baby oder Kleinkind seinerseits zurückzieht. Das geschieht meist nicht aus Ärger, sondern eher aus Unsicherheit. Denn wenn das Baby einen so vehement ablehnt, sollte man sich ihm weiterhin aufdrängen?


Warum lehnt mein Baby mich ab? - Die Bindungshierarchie


Bindung nach der Geburt 


Wie ich in unserem Artikel über die Bindung ausführlich erklärt habe, baut sich diese zwischen den Eltern und dem Baby hauptsächlich innerhalb des ersten Lebensjahres auf. Kommt ein Baby frisch auf die Welt, ist es noch an niemanden gebunden. Es sendet unbewusste Signale aus (Schmatzen, Gähnen, Räkeln etc.) und hofft, dass diese von seinen Bezugspersonen richtig verstanden und beantwortet werden. Die Person, die seine Signale am feinfühligsten erkennt und ihm gibt, was es braucht, wird nach und nach zur Bindungsperson Nummer 1. 
Dabei ist es dem Kind egal, ob dies seine Mutter, sein Vater, seine Oma oder sein Opa, sein Geschwisterkind, seine Co-Mama, sein Adoptiv-Papa oder sein Kindermädchen ist. Blutsverwandschaft bringt keine Vorteile, wichtig ist einzig und allein die Tatsache wie gut und schnell sich derjenige kümmert und alle Bedürfnisse des Neugeborenen erkennt. In vielen Fällen ist das einfach die Mutter. Sie ist die allermeiste Zeit mit dem Baby zusammen und wenn sie es auch noch stillt, dann kann sie ihm ein exklusives, wohlig-warmes Kuschelerlebnis bieten, mit dem keine andere Bezugsperson aufwarten kann.

Die Bindungshierachie 


Der Bindungsforscher John Bowlby hat herausgefunden, dass es eine sogenannte Bindungshierarchie gibt, die im Prinzip wie eine Pyramide aufgebaut ist. An oberster Spitze steht die Bindungsperson Nummer 1 - normalerweise die Mutter (es kann aber auch jede andere Bezugsperson sein). Darunter kommt Bindungsperson Nummer 2 (häufig der Vater oder eins der Geschwister), darunter kommen 3, 4, 5 usw.. Diese Nummer 2 wird von dem Baby oder Kleinkind ebenfalls sehr geliebt, aber - und hier kommt der springende Punkt - eben nicht so abgöttisch, wie Nummer 1.

Das bedeutet, dass das Kind in Situationen, die für es stressig sind oder ihm Schmerzen verursachen, immer die Nummer 1 bevorzugen wird, denn bei ihr reagiert sein Körper am schnellsten mit der Ausschüttung des Glückshormons Oxytocin und die Beruhigung setzt sofort ein. Bei allen anderen Bindungspersonen dauert das Trösten weit aus länger. Es würde letzten Endes auch funktionieren, aber eben erst nach deutlich längerer Zeit. Dabei dauert es bei Nummer 2 nicht ganz so lange, wie bei 3, 4 oder 5.  Bei Personen, an die das Kind noch nicht gebunden ist, scheitert in einem solchen Moment der Tröstversuch meist, es sei denn, diese Person ist besonders feinfühlig und das Kind fasst sofort instinktiv Vertrauen.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus verständlich, warum ein Kind vehement nach der Bindungsperson Nummer 1 schreit, wenn es in Not ist (und Not bedeutet aus Kindersicht auch, ins Bett gebracht zu werden): Haben wir Erwachsene Kopfschmerzen, greifen wir ja auch lieber zu dem Schmerzmittel, das sofort wirkt und nicht erst in einer halben Stunde, wenn wir die Wahl haben. Ist aber nur das Schmerzmittel da, welches in einer halben Stunde wirkt, dann sind wir dankbar, dieses nehmen zu können. Genauso ist es mit Nummer 1 und Nummer 2. Ist Bindungsperson Nummer 1 da, wird sie immer bevorzugt. Ist jedoch nur Nummer 2 da, weil Nummer 1 beispielsweise arbeitet, dann klappt das Trösten und ins Bett bringen auch. Es mag ein bisschen länger dauern und nicht ganz so reibungslos verlaufen, aber es funktioniert.


Warum trifft es mich so, wenn mein Baby mich ablehnt? 


Ich weiß, wie schwer es ist, nicht sauer zu werden, wenn das eigene Kind nicht zu dir will:  Ich bin bei einer meiner Töchter, Fräulein Ordnung, nur Nummer 2. Es tut verdammt weh und es kränkt das Ego mächtig, scheinbar nicht geliebt zu werden. Mein Impuls war, mich beleidigt zurückzuziehen und "das Kind in Ruhe zu lassen, weil es das ja offensichtlich will". Ihre Ablehnung machte mich richtiggehend sauer und es kostete mich einiges an Kraft, mich darauf zu besinnen, dass das, was ich an Verletzung im Inneren spüre, zwar von ihr ausgelöst wurde, aber nicht von ihr verursacht war.

weinendes Kind

Dieses Gefühl der Kränkung wurde von anderen viel, viel früher in mich gepflanzt; in meiner eigenen Kindheit: Wenn Eltern ihre Kinder nicht bedingungslos lieben, dann verbiegen Babys und Kinder ihr originales Ich, um möglichst nah an das von den Eltern gewünschte Ich heranzukommen. Die Teile des Kindes, die bei den Eltern nicht auf positive Resonanz stoßen, werden im Inneren weggeschlossen und nicht ausgelebt, so dass nicht mehr das originale Ich weiterwächst, sondern ein verbogenes, an die (unbewussten) Wünsche der Eltern angepasstes Ich. Das macht das Kind natürlich nicht absichtlich - es ist eine Überlebensstrategie der eigenen Psyche. Wir sind so hilflos die ersten Jahre nach der Geburt, dass wir alles dafür tun müssen, um von unseren Bindungspersonen geliebt zu werden.

Das Problem an dieser Strategie ist jedoch, dass mit den nicht ausgelebten Teilen unserer Persönlichkeit gleichzeitig eine starke narzisstische Kränkung einhergeht, die ebenfalls in unserem Inneren gespeichert wird. Ebenso wenig, wie wir normalerweise von den nicht ausgelebten Teilen unserer Persönlichkeit wissen, wissen wir, dass da eine tiefe Kränkung in uns schlummert. Werden wir jedoch in späteren Jahren von jemandem - wenn auch nur scheinbar - abgelehnt, dann kratzt das an dieser frühen Kränkung durch unsere Eltern und wir reagieren besonders heftig. Da wir diesen Schmerz nicht (noch einmal) durchleben wollen, ziehen wir uns zurück von demjenigen, der uns offenbar nicht mag. Das ist verständlich und im Falle von Kollegen oder anderen erwachsenen Personen auch nicht weiter problematisch. Schlimm ist diese Rückzugstaktik jedoch dann, wenn es sich um das eigene Kind handelt. Denn je mehr wir uns zurückziehen, desto weiter werden wir uns von unseren Kindern Kind emotional entfernen und unsere Kinder sich von uns!

Ich selbst habe mir immer wieder, wenn meine Tochter weinte, weil ich sie z. B. ins Bett brachte, bewusst gemacht, dass sie mich nicht verletzen will und ihr auch gar nicht klar ist, dass sie mich mit ihrem Verhalten verletzt. Meine Tochter folgte nur ihrem Instinkt, die für ihr Überleben am besten geeignete Person auszusuchen. Sie handelte aus ihrem Bauchgefühl heraus ohne Hintergedanken. Würde ich sie deshalb mit Nichtbeachtung strafen, wäre das nicht nur absolut unfair von mir, ich würde mir auch ins eigene Fleisch schneiden. Denn je stärker ich mich in solchen Momenten von ihr zurückziehe, desto dünner wird das Eis unserer Beziehung. Schaffe ich es nicht, meine eigene Kränkung zu überwinden, dann sende ich ihr immer wieder die Signale: "Ich liebe dich nur, wenn du mich liebst. Ich liebe dich also nicht bedingungslos." Gibt es aber eine oder mehrere andere Personen in ihrem Leben, die sie eben doch bedingungslos (oder zumindest annähernd) lieben, werden diese meinen Platz in der Bindungshierarchie einnehmen. Dann bin ich nicht mehr nur Nummer 2, sondern vielleicht nur Nummer 3 oder 4.... Ich selbst habe es also in der Hand, wie nah ich emotional meinen Kindern komme - und du bei deinen Kindern auch.


Was kann ich tun, wenn mein Baby mich ablehnt? 


Es ist keine Schande, wenn dein Baby dich scheinbar nicht leiden kann - es bedeutet einfach, dass eine andere Person, die das Baby betreut, ein winziges bisschen feinfühliger war, als du. Oder aus dieser anderen Person fließt warme, süße Milch - damit kannst du leider nicht mithalten. Um nicht den Kontakt zu deinem Kind gänzlich zu verlieren, ist es wichtig, dass du dich auf keinen Fall gekränkt zurück ziehst, wenn dein Baby dich vehement wegschiebt oder dich anbrüllt. Es liebt dich trotzdem. Es liebt dich nur nicht ganz so exklusiv wie Nummer 1.

Es ist daher wirklich immanent, am Ball zu bleiben und sich um das Kind zu bemühen, auch, wenn man scheinbar abgelehnt wird. Gerade dann solltest dich deinem Baby/Kind zuwenden und geduldig herausfinden, was genau es gerade braucht. Wie du weißt, baut sich Bindung über verschiedene Wege auf und da liegt deine Chance:

Blickkontakt mit dem Baby aufnehmen

Vater mit Baby 
Echter, direkter Blickkontakt fördert die Bindung zwischen zwei Menschen stark. Ganz automatisch nehmen wir ein Baby in die En-face-Position, um mit ihm zu kommunizieren. Auch bei älteren Kindern ist es wichtig, sich ihm beim Sprechen zuzuwenden und ihm in die Augen zu schauen. Jede Kommunikation, bei der du abgelenkt bist (z. B. durch Handy, Fernseher, PC, Playstation oder auch Zeitung) ist eine schallende Ohrfeige im Gesicht deines Kindes. Denn es wird sich bei ihm das Gefühl einschleichen, dass es nicht wert ist, dass du dein Handy weglegst und die "wichtigen" Mails von der Arbeit erst später beantwortest. Wenn du mit deinem Kind zusammen bist, sei 100% da. Leg das Handy weg und schau dein Kind an.

Körperliche Signale des Babys verstehen 


Es ist gar nicht so leicht, an einem Baby oder Kleinkind "abzulesen", was es denn nun eigentlich will. Den früheren Generationen gelang das besser, weil sie in einer Großfamilie auf engstem Raum aufwuchsen und so beim eigenen Heranwachsen mit anderen Kindern in Kontakt kamen und nebenbei lernen konnten, wie die Bezugspersonen auf bestimmte körperliche Signale reagieren.

Schon Babys zeigen ganz genau, ob sie gerade neugierig sind und spielen wollen oder ob ihnen alles zu viel ist und sie Ruhe brauchen. Im ersten Fall schauen sie dich direkt an und gurren und quietschen, um dich zum Spiel aufzufordern. Dann kannst du sie vorsichtig kitzeln, oder eine Rassel (langsam!) vor ihrem Gesicht schütteln. Dreht dein Baby sein Gesicht zur Seite und es bricht den Augenkontakt zu dir ab, hat es erst einmal genug. Bei zu viel Input starrt es eine Weile still Löcher in die Luft (bis zu 45 Sekunden lang) - das Gehirn nimmt sich eine Auszeit, um nicht in die Krise zu geraten.

Lass dein Kind in diesem Moment unbedingt in Ruhe. Nach der Auszeit wird es sich dir wieder zuwenden und dich anlächeln. Jeglicher Versuch, es aus dem Starren herauszuholen durch Ansprache, schütteln oder mit den Fingern vorm Gesicht schnipsen ist absolut kontraproduktiv, weil es die Ruhepause des Gehirns unterbricht. Ignorierst du (unwissentlich) die körperlichen Signale deines Kindes, wird es anfangen zu weinen. Spätestens dann solltest du verstanden haben, dass dein Kind gerade nicht möchte. 

Mit dem Baby sprechen 


Mit dem Kind sprechen ist ebenfalls sehr wichtig, um eine gute Bindung aufzubauen. Aber wie beim Augenkontakt ist es notwendig, dass auch das Sprechen genau auf das Kind abgestimmt ist. Ein Vor-sich-hin-Reden, ohne das Baby anzusehen, bringt rein gar nichts und zu lautes Reden verschreckt das Kind. Wichtig ist, schon ein Baby "ausreden" zu lassen, also mit seinem Brabbeln in Dialog zu treten. Tu einfach so, als würdest du es gut verstehen und antworte ihm:
Baby: "Gurgel, Gurgel, bla?"
Du: "Echt, du meinst Hertha wird diese Saison nicht absteigen? Na du bist ja optimistisch."
Baby:  "Örrö! Blff Pffffff."
Du: "Du wärst glücklich, wenn sie es schaffen? Ja, ich auch. Vielleicht nehme ich dich am Wochenende mal mit ins Stadion."
Baby: "Kräh! Gurgel, Gurgel."
Du: "Natürlich denke ich dann an deine Ohrenschützer, was denkst du denn?!"
Weint dein Kind, ist es wichtig, sein Geschrei in Worte zu fassen. Du könntest es auf den Arm nehmen und beruhigend brummen: "Jaaaa, das doofe Windeln wechseln, das gefällt dir wirklich gar nicht. Da bist du jetzt ganz empört, dass ich das machen musste. Du sagt: 'Ich mag das nicht, Papa!' Es tut mir leid. Du magst das überhaupt nicht. Leider muss es manchmal sein, nicht?"

Mit dem Baby spielen 


Beim Spielen kommen alle oben genannten Punkte zusammen. Es ist wichtig, auch dabei nicht abgelenkt zu sein, also leg auch hier das Handy weg oder mach den Fernseher aus. Guck dein Kind an - was möchte es gerade spielen? Geh dabei immer nach den Wünschen deines Kindes. Setz dich einfach daneben und beobachte es. Gib ihm nichts vor. Hilf nicht, oder zumindest nicht zu viel. Es ist gut, wenn dein Kleinkind geduldig zehn Mal hintereinander versucht, einen runden Stein in eine eckige Form zu pressen. Es wird allein herausfinden, dass das nicht geht und dabei lernt es mehr, als wenn du ihm voreilig vormachst, wie es geht.

Am allerbesten klappt das Spielen, wenn du einfach neben deinem Kind ebenfalls spielst, am besten mit den gleichen Sachen. Du kannst ruhig ins Spiel versinken, es ist überhaupt nicht wichtig, dass du dabei "pädagogisch wertvoll" agierst. Bau einen Turm oder lass kleine Autos eine Rampe runterfahren, mach einfach das, was dir dem Spielzeug deines Kindes einfällt. Dein Kind wird dich genau beobachten, davon inspiriert werden und es nachmachen.

Bei etwas größeren Kindern, so etwa ab 2 Jahren, wirst du stärker in Interaktion gehen. Dann kannst du Kaufmannsladen spielen und hunderte Male hintereinander Wurst Käse und Milch einkaufen. Du kannst neue Spielanregungen geben, wenn es dir zu langweilig wird, aber achte darauf, ob dein Kind diese auch annimmt. Wenn nicht, bleib bei dem, was das Kind spielen will. Der wichtigste Punkt beim Spielen ist, wirklich da zu sein, also nicht nur körperlich anwesend, sondern auch geistig. Bitte denk nicht an deine Arbeit oder was du einkaufen solltest. Der zweitwichtigste Punkt ist, nicht einzugreifen bzw. dem Kind etwas "beibringen" zu wollen. 

Trösten 


Darüber, wie unglaublich förderlich das Trösten ist, haben wir vor Kurzem schon ausführlich geschrieben. Ich möchte hier aber noch einmal ausdrücklich darauf eingehen,  dass  wir, die wir an Bindungsstelle Nummer 2 stehen, dem Kind Gelegenheit geben sollten, darüber zu trauern, dass Nummer 1 gerade nicht da ist. Wir sollten es in diesem Prozess aktiv durch Trösten unterstützen. 

Vater mit Kind

Ein kleines Beispiel: Meine Tochter, Fräulein Ordnung, wacht jeden Morgen auf und ist wirklich untröstlich, dass ihre Nummer 1 nicht mehr da ist. Nummer 1 muss einfach zur Arbeit und verlässt um 6.00 Uhr das Haus. Seit Jahren. Fräulein Ordnung ist beim Aufwachen nicht allein - ich bin da, ihre Schwester und ihr Bruder sind da. Sie liebt uns alle - und doch muss sie weinen. Jeden. Verdammten. Morgen. Das hat mich in der Vergangenheit so wütend gemacht! Warum nimmt sie uns denn nicht an? Warum muss sie weinen, wenn doch der Rest ihrer Familie da ist?

Zunächst versuchte ich, es ihr zu erklären. Dass Nummer 1 eben arbeiten muss, damit wir genügend Geld haben, um hier zu wohnen und das Essen und die Kleidung zu bezahlen. Das half nicht, sie weinte weiter. Irgendwann versuchte ich, zu argumentieren, dass Nummer 1 sie doch dafür am Nachmittag vom Kindergarten abholen würde. War ihr egal. Sie weinte weiter. Ich wurde wütender und sagte: "Aber ich bin doch da! Ich habe dich doch lieb!" Das half wirklich überhaupt nicht. Sie weinte weiter.

Ich kam zu dem Schluss, dass es vielleicht besser wäre, ihr Weinen zu ignorieren. Das machte es eher noch schlimmer. Sie weinte und weinte. Das alles probierte ich aus über einen Zeitraum von Wochen und Monaten. Nichts half. Bis ich (endlich!) auf die Idee kam, sie in ihrer Trauer zu unterstützen und zu verbalisieren, was sie gerade fühlte. Ich mache das ja regelmäßig, wenn meine Kinder wütend sind, aber bei diesem Nummer-1-Herzschmerz war ich selbst zu emotional betroffen (also eifersüchtig) und kam deshalb lange nicht, auf die Idee, es auch hier zu tun.

Ich fing also an, die Tränen von Fräulein Ordnung nicht persönlich zu nehmen. Ich begann, nicht mehr gegen ihre Trauer über Nummer 1 zu kämpfen, sondern diese anzunehmen und zu begleiten. Ich saß also neben ihr und übersetzte ihr weinen mit mitfühlender Stimme: "Du bist so traurig. Du wünschst dir, Nummer 1 wäre jetzt hier und könnte dich in den Arm nehmen. Du willst Nummer 1! Nummer 1 soll bei dir sein und nicht zur Arbeit gehen. Du wünscht dir, dass Wochenende ist und Nummer 1 bei uns sein kann...." - Das half nicht sofort, aber immerhin wurde sie nach einer Weile ruhiger und ich musste sie nicht verheult im Kindergarten abgeben.

Das ermutigte mich, so weiterzumachen. Es wurde langsam besser. Mit jedem Morgen, an dem ich sie tröstete und zeigte, dass ich ihren Schmerz verstehen konnte und nicht beleidigt darüber war, dass ich ihr in diesem Moment nicht genug war, wurde es besser. Sie weinte kürzer. Dann nicht mehr jeden Morgen. Manchmal wacht sie nun sogar lachend auf. Nicht immer - nach Wochenenden oder Urlaub ist es wieder schlimmer. Aber ich habe verstanden. Sie liebt mich. An zweiter Stelle. Ich bin das Schmerzmittel, das nach einer halben Stunde erst wirkt. Aber hey - ich wirke.


Welche Vorteile hat es, wenn ich nicht Bindungsperson Nummer 1 bin? 


Es ist dir vielleicht auch schon aufgefallen - du bist mit deinen Kindern zuhause und alle spielen harmonisch, fröhlich und ruhig. Sobald aber Nummer 1 nach Hause kommt, ändert sich urplötzlich die Stimmung. Die Kinder werden weinerlich, quengeln viel oder brechen sofort in einem Wutanfall zusammen. Nummer 1 hat kaum einen Schritt in euer Heim getan, schon wird sie von fordernden Kindern überfallen. Du zuckst mit den Schultern und sagst: "Echt, sie waren den ganzen Tag toll drauf. Ich weiß gar nicht, was jetzt los ist...."

Ganz klar - Nummer 1 zu sein hat nicht nur Vorteile. Denn dann bist du zwar der emotionale Hafen deines Kindes, aber du musst es eben auch aushalten, dass sie in deinem Beisein all ihre angestauten Gefühle rauslassen, wenn der innere Stress zu groß wird. Innerer Stress bildet sich auch dann, wenn es in der Zeit, in der Nummer 1 nicht da ist, von Nummer 2 oder 3 betreut wird. Das bedeutet nicht, dass das schlechter Stress ist (ist es nicht!). Es bedeutet, dass das Kind in dieser Zeit nicht völlig es selbst ist, sondern in gewisser Weise "funktioniert". Im Kindergarten zum Beispiel, wenn es dort die Regeln der Gruppe befolgt. Wird es dann am Ende eines Kindergartentages von Nummer 1 abgeholt, dann bricht aus dem Kind meist schon in der Garderobe alles heraus, was es bis dahin (unbewusst) unterdrückt hat. Das Herausbrechen ist gut und wichtig, aber es ist für Nummer 1 natürlich extrem anstrengend. Manche Mutter hat sich schon gefragt, ob ihr Kind sie nicht leiden kann, weil es in ihrem Beisein oft so unausstehlich und nörgelig ist...

Als Nummer 2 wird dir ein solch großer Zusammenbruch in den meisten Fällen erspart bleiben. Klar, auch bei dir kann es sein, dass dein Kind zickig wird oder einen Wutanfall bekommt. In der Regel jedoch ist das Abholen durch dich sehr viel entspannter. In unserem Fall war es so, dass Fräulein Ordnung sogar ihren Kindertanzkurs kündigen wollte, weil sie sich auf dem Weg dorthin nach der Kita mit Nummer 1 immer so furchtbar stritt. Nachdem wir herausgefunden hatte, dass sie zwar eigentlich weiterhin tanzen, aber nicht mehr streiten will, übernehme ich jetzt das Abholen und Hinbringen an diesem Tag. Das klappt wunderbar. Meine Tochter hüpft in der Kita auf meinen Arm, erzählt mir auf dem Weg kichernd von ihrem Tag und zieht sich fröhlich ihre Tanzsachen an. Es ist harmonisch. Wir haben exklusive Mutter-Tochter-Zeit, die unserer Bindung förderlich ist. Eine eindeutige Win-Win-Situation. Nummer 1 sieht sie dann nach dem Tanzkurs zuhause wieder. Meist hat sie den Stress vom Kitatag bis dahin weitestgehend abgebaut, so dass ihr Zusammenbrechen weitaus geringer ausfällt, als direkt in der Kita-Garderobe. Also auch ein Gewinn für Nummer 1!


Mein Rat an dich - so von Nummer 2 zu Nummer 2 


Dass dein Baby deine/n Partner/in bevorzugt, ist keine bewusste Ablehnung, sondern eine von der Natur eingebaute Überlebensstrategie, für die das Kind nichts kann. Es folgt einzig und allein seinem Instinkt und möchte möglichst 24 Stunden nah bei der feinfühligsten Person seiner Umgebung sein. Damit sichert es seine Versorgung.

Das bedeutet aber nicht, dass Nummer 1 das Kind niemals aus den Händen geben sollte, denn es ist wichtig, dass sich auch Bindungen zu anderen feinfühligen Personen aufbauen. Ein wenig Prostest bei der Übergabe von Baby oder Kleinkind an Nummer 2 ist normal und sollte kein Grund sein, das Kind sofort wieder zurück an Nummer 1 zu geben. Das gilt ausdrücklich nicht, wenn das Baby aus Leibeskräften schreit. Dann sollte das Kind selbstverständlich bei Nummer 1 sein, wenn das gerade geht.

Ist das Baby oder Kleinkind aber gerade gut gelaunt, können Bindungspersonen Nummer 2 (3,4,5...) sich mit ihm beschäftigen. Gerade ritualisierte Abläufe helfen dabei. Du kannst zum Beispiel das Kind immer wickeln oder mit ihm das Abendprogramm (Waschen, Zähne putzen, Windel wechseln...) durchführen. Wenn du besonders gut spielen oder vorlesen kannst, dann mach das zu deiner (fast) exklusiven Aufgabe. So schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe: Du entlastest Nummer 1 (glaub mir, es schlaucht ungemein, immerzu ein Kind am Rockzipfel hängen zu haben) und du hast echte, bindungsfördernde Zeit mit deinem geliebten Nachwuchs. Je mehr zu dich einbringst und je älter dein Kind wird, desto wichtiger wird deine Rolle werden. Das klappt aber nur, wenn du dich nicht zickig zurückziehst, weil du denkst, das Baby mag dich nicht. Es liebt dich. Wirklich.

Fräulein Ordnung ist nun fast 5 Jahre alt und kann das ganz gut in Worte fassen, deshalb möchte ich sie hier zum Abschluss zu Wort kommen lassen: 
"Mama, ich habe dich sehr lieb. Aber Nummer 1 habe ich noch viiiiieeeeel lieber."

Blogparade


Auf diesen Artikel gab es sehr viel Resonanz. Wir rufen daher unter dem Hashtag #LebenalsNummer2 alle Bloggerpapas und Bloggermamas zu einer Blogparade auf - schreibt über Eure Gedanken, Gefühle und Erlebnisse als Nummer 2. Seid ihr die Nummer 1, könnt ihr auch gerne mit einem Familiengastartikel die Nummer 2 Eurer Familie zu Wort kommen lassen. Wenn ihr uns einen Link schickt oder hier kommentiert, verlinken wir Eure Artikel hier bei uns im Blog. 

Der erste Artikel ist schon online: 

Empathiesensoren von Steffen von Papapelz.de
Ich bin Nummer 2 von grafgrau.de

© Snowqueen 

"Geht es ohne Erziehung - Versuch einer Verständigung" - Eberhard Schulz

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Meine Freundin Katrin hat mich auf eine aktuelle Neuerscheinung aufmerksam gemacht: "Geht es ohne Erziehung - Versuch einer Verständigung" von Eberhard Schulz. Der tologo-Verlag stellte uns freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung (weswegen ich verpflichtet bin, diesen Beitrag als Werbung zu kennzeichnen).

Der Titel hat natürlich sofort mein Interesse geweckt - denn diese Frage treibt mich durchaus um. Der Autor erklärt, dass sein Buch für alle Menschen geschrieben sei, die sich für den Umgang mit Kindern interessieren - es handele sich jedoch ausdrücklich nicht um einen Erziehungsratgeber. Es solle vielmehr die Frage geklärt werden, ob "es" ohne Erziehung ginge. Dazu sei zunächst erforderlich, den Begriff Erziehung zu definieren, da dieser in sehr unterschiedlichem Kontext und mit voneinander deutlich abweichendem Verständnis gebraucht wird.

Eberhard Schulz definiert im ersten Abschnitt seines Buches nach der ausschweifenden, aber nicht uninteressanten Betrachtung von Begrifflichkeiten wie "Walten", "Gewalt" und "Pädagogik" den Begriff Erziehung wie folgt:
"Erziehung ist das, was absichtsvoll und bewusst getan wird, um einen anderen Menschen, über den man Macht hat, im Hinblick auf seine Entwicklung für die Zukunft zu beeinflussen" (S. 24).

Der nächste Abschnitt befasst sich mit der Frage "Kann Erziehung gelingen?" Die Frage ist insofern interessant, als dass sich das nicht messen lässt. Möglicherweise entwickelt sich ein Kind tatsächlich in die durch die Erziehung angestrebte Richtung - zweifelsfrei zu belegen, dass die Erziehung dafür ursächlich ist, scheint unmöglich. Kinder sind von zahlreichen anderen Personen, Faktoren und Umständen geprägt und allein ihr Gene beeinflussen ihre Persönlichkeit so nachhaltig, dass schwer zu bestimmen sein wird, inwieweit der elterliche Einfluss den Charakter geformt hat. Dazu wäre es erforderlich, das selbe Kind immer wieder unter verschiedenen Bedingungen aufwachsen zu lassen. Dass Erziehung "misslingen" kann, ist recht offensichtlich. Misslingen meint hier, dass sich das Kind nicht in die angestrebte Richtung entwickelt.

Die Frage, ob Erziehung gelingen kann, ist also nicht zu beantworten, weil das Ergebnis nicht überprüfbar ist. Ob sich ein Kind wegen, trotz oder vollkommen unabhängig von der Erziehung entwickelt, wie es das tut, ist nicht belegbar. Daher kann niemand für sich in Anspruch nehmen, das Richtige zu tun, weil das Ergebnis nicht vorhersagbar ist.

In einem weiteren Kapitel geht es um die vier Erziehungsstile nach Diana Baumrind. Sie unterscheidet den autoritären, den autoritativen, den permissiven und den indifferenten Erziehungsstil. Die Stile unterscheiden sich maßgeblich durch die Standhaftigkeit, emotionale Wärme und Strenge/Kontrollbereitschaft bei der Erziehung. Diese Unterscheidung geht aus verschiedenen Untersuchungen hervor, die jedoch nicht das "Tun" von Eltern betrachteten, sondern ihr "Sein". Ein autoritärer Vater beschließt nicht, dass er diese Form der Erziehung praktizieren möchte - er verfügt einfach über Eigenschaften, die ihn diese Erziehung (in der Regel ohne großes Nachdenken) anwenden lässt. Die Tatsache, dass unsere Erziehung also vielmehr davon geprägt ist, wie wir sind, als was wir tun, bestärkt die Vermutung, dass Erziehung nicht "gelingen" kann. Das führt unweigerlich zu der Frage, ob sie dann nicht eigentlich verzichtbar wäre. Der Autor startet das Gedankenexperiment "Verzicht auf Erziehung" und beleuchtet dabei, mit welcher Motivation man nicht (mehr) erziehen könnte.

Denkbar wäre z. B. aus antepädagogischer (kein Schreibfehler) Motivation, die das Kind als Mitglied einer Ordnung sieht, die aufrecht erhalten werden soll. Dabei ist der Erziehungsbegriff gar nicht bekannt - das Kind ist lediglich Untertan. Die persönliche Entwicklung des Kindes spielt keine Rolle. Die Baumrindsche Entspechung wäre der autoritäre Erziehungsstil. Erziehungsverzicht kann auch aufgrund von Prioritätensetzung erfolgen - alles andere ist einfach wichtiger, als sich mit Erziehung zu beschäftigen. Auch die Angst vor dem Scheitern könnte ein Motiv sein - bevor ich falsch erziehe, beschließe ich einfach bewusst, gar nicht zu erziehen. Eine weitere Motivation wäre eine antipädagogische Einstellung, bei der Erziehung als übergriffig und damit als unrecht betrachtet wird. Kinder haben in dieser Nichterziehung den gleichen Stellenwert, wie Erwachsene.

Im darauf folgenden Artikel "Wenn die Extreme sich berühren" geht es um die Antipädagogik und die gegensätzlichen Grundeinstellungen dazu (Braunmühl vs. von Schoenebeck). Es folgt ein Plädoyer zum Thema Selbstbestimmung, Partizipation und Grenzen. Immer wieder sagen Eltern, dass ihr Kind Grenzen zur Orientierung brauche, Eberhard Schulz bezweifelt jedoch, dass ein psychisch gesunder Mensch solche wirklich verlangt. Kinder wollen, dass ihre Grenzen eingehalten werden und sie versuchen, herauszufinden, wo die Grenzen der Erwachsenen sind, aber sie haben nicht das Bedürfnis, künstlich in ihrem Freiheitsdrang eingeengt zu werden. Kinder verlangen vielmehr nach einem Geländer, an dem sie sich entlang leiten lassen können, an dem sie sich festhalten können, wenn sie das möchten, das sie aber auch loslassen können, wenn sie es nicht mehr brauchen. Kinder brauchen Halt - aber keine Grenzen.

Führung ist dann sinnvoll, wenn es um Sach-Pädagogik geht - also bspw. in einer Theatergruppe, die als gemeinsames Ziel hat, ein Stück aufzuführen. Hier ist eine regelnde, organisierende Hand erforderlich. Bei der Personen-Pädagogik hingegen sollte auf Führung verzichtet werden.

Im folgenden Kapitel "Die wesentlichen Unterschiede" erklärt der Autor, warum Diskussionen zur Antipädagogik selten zielführend sind. Er berichtet außerdem von seinen Erfahrungen in Bezug auf die Partizipation Jugendlicher und stellt fest, dass ein hoher Partizipations- und Selbstbestimmungsgrad eine hohe Kooperationsbereitschaft erzeugt. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn dies aus Interesse am Kind geschieht und nicht in der Absicht, das Kind letztendlich zu beeinflussen. Am Ende des Artikels wird auf das Machtgefüge in Familien eingegangen und verschiedene Überlegungen zu Disziplin und Gehorsam angestellt.

Das letzte Kapitel heißt " Es gibt nichts Gutes außer: Man tut es". Darin werden die Gedankengänge des Buches zu zwei Handlungsempfehlungen zusammengefasst:
  1. Tu, was dir gut zu sein scheint!
  2. Lass, was dir unrecht erscheint!

Zum Abschluss wird eine kleine Geschichte erzählt, die bei Seminaren für Erzieherinnen immer besonders im Gedächtnis bleibt. Es geht um ein kleines "Warteeinweilchen", das eine gute Fee einem Kind schenkt. Dieses regt bei wesentlichen Entscheidungen des Kindes immer wieder an, doch noch einen Moment zu warten. Immer mal wieder stellt sich heraus, dass die Entscheidung, die ursprünglich getroffen worden wäre, die schlechtere Wahl war. Das soll den Leser anregen, bei Situationen, in denen man gewohnheitsmäßig eingreifen will, einfach mal abzuwarten und zu schauen, was passiert.

Im letzten Teil des Buches erzählt Eberhard Schulz Anekdoten aus seinem Berufsleben als Fachberater für Kitas und Fortbildungsreferent, die seine vorherigen Gedanken mit praktischen Beispielen belegen. Diese Geschichten kann man parallel zum eigentlichen Buch lesen (es findet sich an den entsprechenden Stellen ein Verweis dort hin) oder abschließend "zum Dessert".

Ich bin ehrlich gesagt etwas hin- und hergerissen. Thematisch fand ich das Buch wirklich sehr interessant, weil ich das Thema "unerzogen" im Sinne von "es findet keine aktive Erziehung statt" grundsätzlich interessant finde und auch die theoretischen Darlegungen durchaus nachvollziehbar finde.

Allerdings verliert sich der Autor zum Teil in seinen Schilderungen, so dass zwar ein roter Faden erkennbar ist, man aber teilweise Schwierigkeiten hat, ihm zu folgen. Zusätzlich erschwert wird das durch die Tatsache, dass zu Beginn des Buches die Position des Autors nicht eindeutig dargelegt ist - weswegen man den Gedankengängen nicht stringent folgen kann.

Aber dennoch ist die Betrachtung des Themas Erziehung auf eine so ungewöhnliche Art und Weise sehr interessant und bereichernd und lässt die Gedanken schweifen.

Ich verlose wieder mein freundlicherweise vom tologo-Verlag zur Verfügung gestelltes Rezensionsexemplar. Wer das Buch gewinnen möchte, schreibt uns bitte einen Kommentar mit Angabe seiner E-Mail-Adresse. Dabei bitte das @-Zeichen durch das %-Zeichen ersetzen, dass E-Mail-Adressen-Suchroboter die Adresse nicht ausspähen und Euch zuspammen :-). Die Verlosung findet am 16. Juni 2015 statt - der Gewinner wird dann per E-Mail benachrichtigt. Viel Glück!

Du willst nicht auf Dein Glück vertrauen uns so lange warten? Unseren Blog kann man übrigens unterstützen, wenn man das Buch (oder auch etwas anderes ;-) über diesen Link bestellt :-).



© Danielle 

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Liebe Sabrina Hoffmann - wir verweichlichen unsere Kinder nicht

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Ein kontrovers diskutierter Artikel


Gestern wurde auf Facebook mehrfach ein aktueller Artikel aus der Huffington Post geteilt: "Liebe Eltern: Hört auf, eure Kinder zu verweichlichten Menschen zu erziehen" und sehr kontrovers diskutiert. Etwas geschockt hat mich die doch sehr breite Zustimmung - bisher haben fast 40.000 Menschen dieses Artikel geliked - er wurde über 7.000 mal geteilt und ich kann mir gut vorstellen, wie die meisten Kommentare in den sozialen Netzwerken darunter aussehen.

Wahrscheinlich sollte der Artikel einfach nur locker, witzig und unterhaltend sein - leider trägt er jedoch mal wieder dazu bei, das Bild des vermeintlichen Vormarsches des "verwöhnten Kindes" in der öffentlichen Meinung zu festigen. Und er animiert Eltern dazu, lieber noch konsequenter und noch weniger liebevoll zu ihren Kindern zu sein, um nicht als belächelte Übermutti zu gelten. 

Worum geht es überhaupt?


Der Artikel beginnt mit der Beschreibung einer Szene, die die Autorin "ratlos" machte. Zwei Erzieherinnen kamen mit einer Gruppe von Kindern (2 bis 3 Jahre) vom Spielplatz. Eines der Kinder stand an der Kitatür und begann zu schreien. Die Erzieherinnen kümmerten sich umgehend:
"Sofort waren die Erzieherinnen bei dem Mädchen. Seine Hand sah völlig unversehrt aus, alles war gut. Doch die Frauen schwirrten panisch um das Kind herum. Sie tasteten es am ganzen Körper ab, wiegten es hin und her, flüsterten tröstende Worte."

Und das - man stelle sich das mal vor! - obwohl das Kind (so vermutet es zumindest die Autorin) augenscheinlich "alles gut" ist. Dass man weder beurteilen kann, wie schlimm irgendetwas tatsächlich ist und warum man Kinder immer trösten sollte, dazu hatten wir ja kürzlich schon ausführlich geschrieben. Der Gedanke, dass Kinder abgehärtet werden müssen und durch zu viel Trost nicht verweichlicht werden sollten, entspringen der schwarzen Pädagogik.

An dieser Stelle fragte ich mich, ob Frau Hoffmann denn überhaupt Kinder hat, wenn sie die Vorstellung, ein (2-3-jähriges!) weinendes Kind sofort zu trösten, seltsam findet - selbst wenn sich das Kind rein gar nichts getan haben sollte. Ich jedenfalls hoffe von Herzen, dass sich die Erzieherinnen in unserer Kita meinen Kindern liebevoll zuwenden, wenn sie diese Zuwendung brauchen - sei es nach einer Verletzung oder sonstigem Kummer.

Wir verweichlichen also unsere Kinder, wenn wir erwarten, dass man in der Kita auf unsere Kinder achtet und sie getröstet werden, wenn sie unglücklich sind? Was genau wünscht sich die Autorin? Dass Erzieher in solchen Fällen statt zu trösten lieber "Nun hab dich doch nicht so!" sagen oder dass Eltern verletzter Kinder beim Abholen vollkommen gelassen sagen: "Ach - ist ja nicht so schlimm!"?

Danach erinnert sich Sabrina Hoffmann an ihre eigene Kindheit, deren Pädagogik sie als "rückblickend grausam" beschreibt. Die von ihr besuchte Kita trug Züge einer "kommunistischen Diktatur". Sie beschreibt, dass die mitgebrachte Milchschnitte zwangsenteignet und an alle Kinder verteilt wurde, dass sie ewig auf dem Töpfchen ausharren musste und wie sie gezwungen wurde, ein Bund Petersilie zu essen - bis sie es erbrach. 

Resümierend stellt die Autorin erstaunlicherweise fest, dass sie jedoch keine Schäden davon getragen habe und es sie vielleicht sogar "stärker gemacht" habe. Und wir, liebe Eltern, sind schuld, dass unseren Kindern solche Erlebnisse womöglich erspart bleiben muss, wenn wir sie verweichlichen, in dem wir auf Töpfchentraining verzichten oder dieses altmodische Baby-led Weaning - womöglich noch mit Bio-Gemüse! - machen. Weil wir sie zu sehr beschützen! Und zu viel behüten! 

Stattdessen sollen Kinder bitte Furcht erleben! So, wie die Autorin - die über ihre Reitstunden in der Kindheit schrieb:
"Damals stand der Reitlehrer mit Korn-Fahne in der Mitte der Halle, schwang seine Peitsche und brüllte: "Galopp marsch!"Ich fürchtete nichts mehr als diesen Moment, denn jedes Mal ging eines der Pferde durch - und die anderen folgten ihm. Und doch liebte ich diese Stunde im Sattel inbrünstig. Die Zähne zusammenbeißen, meine Angst überwinden, sattelfest werden - das waren die Dinge, die ich dort lernte. Und ich bin dankbar dafür. Nach jedem Sturz stieg ich sofort wieder auf. Das war die wichtigste Lektion, die der Reitlehrer uns beibrachte. Für den Reitplatz und für das Leben."

Überbehütende Eltern verhindern also, dass ihre Kinder von trunkenen, peitscheschwingenden Reitlehrern angeschrien werden? Und verhindern damit pauschal, dass Kinder dadurch Durchhaltevermögen "erlernen"? Muss man erst vom Pferd überrannt oder von einem Huf getreten werden, um wirklich stark und hart zu werden? Muss man das? Will man das?

Aber Übertreibung macht bekanntlich anschaulich, weswegen im Folgenden reichlich Klischees bedient werden. Früher war alles besser - da durften Kinder noch Apfelsaft pur trinken! Lächerlich, wer sich heute Gedanken um die Zahngesundheit macht. Und dieser Hype um die Babynahrung - die paar Schadstoffe haben doch bisher auch keinen umgebracht (vermutlich). Und diese Eltern erst, die Schulranzen tragen - diese kiloschweren Monster, die heutzutage deutlich mehr, als die 15 % des Körpergewichts enthalten, weil Schulen nicht in der Lage sind, Spinde anzubieten. Da sorgen sich die Eltern allen ernstes um die Rückengesundheit ihrer Kinder, wie albern! 

Was sollen denn die Orthopäden in den nächsten 30 Jahren machen, wo sie doch gerade so gut mit uns zu tun haben - wir, die wir unsere Ranzen noch tapfer selbst geschleppt und die Zähne gefälligst zusammengebissen haben! Und sich keiner Gedanken um möglichst passendes Schuhwerk oder die richtigen Sitzmöbel gemacht hat! Nein - wer sowas macht, handelt offenbar vielmehr grob fahrlässig: 
"Ihr hüllt eure Kinder in einen Kokon, der sie beschützen soll - und ihnen die Chance raubt, die Welt kennen zu lernen. Ihr seht überall eine Bedrohung, auch dort wo keine ist."

Genau früher durften Kinder schließlich auch noch "ohne Helm, Knie-, Hand-, Ellenbogenschoner und Rippenschützer und Reflektoren" Radfahren! Was da erst für ein Gewese gemacht wird. Gut - pro Jahr sterben durch Unfälle mittlerweile 600 Kinder weniger im Jahr, als 1980, als man auch noch ohne Autositz der Gefahr tapfer mitten ins Gesicht blickte - aber hey - was solls? 

Den Höhepunkt der Übertreibung unserer heutigen Müttergeneration beschreibt Frau Hoffmann so:
"Eine Freundin erzählte mir einmal, dass sie das Baby von Bekannten nicht halten durfte, weil sie davor eine Zigarette geraucht hatte. Natürlich nicht in Gegenwart des Kindes. Aber es hätten Nikotin-Reste an ihren Fingern kleben können. Kommt euch das nicht auch ein bisschen albern vor, liebe Eltern? "
Nein - ganz und gar nicht. Dabei nun wirklich am allerwenigsten! Denn als augenscheinlich in Ihren Augen völlig überfürsorgliche Mutter habe ich mich nämlich informiert, wie schädlich der sogenannte Thirdhandsmoke für Babys tatsächlich ist! Und wie gefährlich Nüsse für Babys sind oder Honig oder ätherische Öle - daran sterben jährlich durch die alberne "Überbehütung" gottseidank immer weniger Kinder.
In den dann folgenden Ausführungen wird klar, worum sich die Autorin in Bezug auf die Kinder der überbehütenden Mütter sorgt:
"Doch was werden sie tun, wenn sie in der Wirklichkeit angekommen sind? Das Leben ist manchmal hart und sie werden sich durchsetzen müssen. Die Welt hält nicht an, damit eure Kinder aufholen können."

Wer macht denn das Leben hart? Und gestaltet denn die Wirklichkeit? Wer genießt es in einem leistungsorientierten Umfeld zu leben, in dem nur wenige Erfolg haben - und auch nur dann, wenn sie irre hart arbeiten? Ich will nicht, dass meine Kinder in zwanzig Jahren resümieren: "Das Leben ist so hart!" - ich möchte, dass sie feststellen: "Das Leben ist schön!" Meine Aufgabe als Mutter ist es nicht, meine Kinder möglichst anpassungsfähig zu erziehen, sondern sie stark zu machen, dass sie die Welt bewegen. Dazu brauchen sie Rückhalt und Geborgenheit und es ärgert mich, wenn das mit "Verweichlichung" gleichgesetzt wird.

Die Autorin beendet ihren Artikel mit der Frage:
"Vielleicht würde es Kindern helfen, wenn wir sie wieder mehr wie normale Menschen behandeln. Wenn wir uns an unsere eigene Kindheit erinnern und daran, dass all die Gefahren damals gar nicht so bedrohlich wirkten."

Was macht Kinder wirklich stark?


Unseren Kindern hilft vor allem, wenn wir ihnen in dieser emotional zunehmend verkümmerten Gesellschaft Halt geben. Wenn wir ihnen zeigen, dass wir für sie da sind, sie trösten, wenn sie unsern Trost brauchen, ihnen Zuwendung zukommen lassen und sie einfach lieben, für das, was sie sind, nicht für das, was sie tun.

Liebevolle Aufmerksamkeit verzieht unsere Kinder nicht. Sie vor realen Gefahren zu beschützen, verweichlicht sie nicht. Kein Kind lernt durch einen Schädelbruch, dass man im Krankenhaus auch einfach mal ein paar Wochen durchhalten muss. Kein Kind fühlt sich weniger frei, weil es einen Helm beim Radfahren trägt oder einen nüchternen Reitlehrer hat.

Um es ganz klar zu sagen: Ich verstehe, was die grundsätzliche Intention dieses Artikels ist - die Autorin beobachtet Mütter, die auf Schritt und Tritt ihre Kinder überwachen und kontrollieren. Es gibt tatsächlich solche Mütter - sie werden "Helikopter-Eltern" genannt. Diese Helikopter-Eltern sind jedoch nur eine sehr kleine Randerscheinung in der Gesellschaft. 

Leider werden im Artikel diese (wenigen) Fälle mit einer weiter verbreiteten Erscheinung in einen Topf geworfen - dem zunehmenden Interesse der Eltern an den kindlichen belangen. In den letzten Jahren ist - vor allem Dank des Internet - tatsächlich zu beobachten, dass Eltern sich mehr und mehr mit damit auseinander setzen, was für ihre Kinder das Beste ist. Allerdings kann ich dabei keine negativen Effekte erkennen - kein Kind wird "überbehütet" oder "gefährdet", weil es Schorle oder Wasser statt Saft trinkt, im ersten Lebensjahr kein Zucker bekommt oder einen Teddy aus Biobaumwolle. Überlegungen dazu anzustellen, ob nun Karotten oder Zucchini das beste Gemüse für die Beikosteinführung ist oder ob man das Kind in eine Schule ohne Noten schickt, ist keine problematische "Überbehütung", sondern ein Abwägen von Tatsachen, das der Eine mehr, der Andere weniger intensiv betreibt, ohne das Kind dabei zu beeinträchtigen.

Kinder, die plump vom Pferd fallen sind nicht Opfer des Fahrradhelmtragens oder der Schulwegbegleitung, sondern von Bewegungsarmut. Diese kann tatsächlich davon verursacht werden, dass Eltern ständig überbehütend neben ihren Kindern stehen und rufen: "Gib acht! Pass auf! Vorsicht! Nein, mach das lieber nicht!" Dadurch wird die motorische Entwicklung von Kindern nachhaltig beeinträchtigt - das ist definitiv eine Überbehütung - die durchaus vorkommt, aber wirklich sehr selten ist.

Bewegungsmangel ist jedoch in den meisten Fällen durch ein ganz anderes, viel häufigeres Problem verursacht -  der Unterbehütung. Dabei werden Kinder schon früh und regelmäßig vor dem Fernseher oder der Spielekonsole abgeparkt, damit sie möglichst leise sind und wenig anstrengen(d). Diesen Eltern zu sagen: "Überbehütung schadet unseren Kindern" führt dazu, dass diese sich in ihrem Handeln bestätigt fühlen und so ihre Unaufmerksamkeit vor sich selbst rechtfertigen können.


Der Bewegungsmangel wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass heutzutage kaum noch freie Flächen für Kinder zum Spielen zur Verfügung stehen. Und noch schlimmer ist: Dass kaum Kinder zum Spielen da sind - die werden nämlich fleißig von ihren Eltern auf die harte Welt da draußen vorbereitet, in der sie bestehen müssen. Sie werden gefordert und gefördert und dürfen kaum noch Kind sein. Ob sie dabei Biobrause trinken oder auf ergonomisch korrekten Stühlen sitzen, ist doch vollkommen irrelevant.

Nein - Kinder sind in unserer Gesellschaft nicht überbehütet. Man bringt ihnen eher viel zu wenig Interesse, Empathie uns Aufmerksamkeit entgegen. Zu tolerieren, dass ein Kind gegen seinen Willen auf einen Topf gesetzt wird oder essen muss, bis es erbricht, zeigt recht eindrucksvoll, wie sehr uns unsere eigene Erziehung geschadet hat. Sie hat dafür gesorgt, dass wir es als normales Erziehungsziel betrachten, unsere Kinder für die Gesellschaft abzuhärten. Wir legen mehr Wert darauf, dass unsere Kinder funktionieren, als dass sie sich zu selbstbewussten Persönlichkeiten entwickeln. Kinder müssen dafür nicht "scheitern" oder "durchhalten" lernen, sie müssen dafür liebevoll und empathisch begleitet werden.

Artikel wie der von Sabrina Hoffmann machen Eltern auf subtile, unterschwellige Weise Angst vor dem Verwöhnen, dem Verhätscheln oder dem Verweichlichen. Das kann dazu führen, dass sie weniger aufmerksam und liebevoll sind oder ihre Unterstützung vorsätzlich verweigern, um in ihrem Umfeld nicht als Übermutter zu gelten.

In diesem Sinne: Gebt ruhig auf Eure Kinder acht - Fürsorge verweichlicht nicht, sie stärkt.

© Danielle


Die schönsten Kinderbücher für Kinder im Alter von ein bis zwei Jahren

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Kleiner weißer Fisch: Kleiner weißer Fisch ist ein einfach gestaltetes Kinderbuch aus Pappe, das lange Zeit höchstes Entzücken bei meinen Kindern hervorrief. Der kleine Fisch hat seine Mama verloren und sucht sie im ganzen Meer. Auf jeder Seite begegnet er einem anderen Meeresbewohner und der Text dazu verläuft immer ähnlich: "Ist das die Mama vom kleinen weißen Fisch? Nein! Das ist ein ... (Krebs) und er ist .... (rot)." Auf der letzten Seite findet das Fischlein seine Mama und die Freude ist groß: "Da! Da ist ja seine Mama! Sie schimmert in allen Farben des Regenbogens." Die Kinder lernen also gleichzeitig die Farben. Spannend war, die unterschiedlichen Charaktere meiner Kinder zu beobachten. Bald schon fingen sie (mit ca. 13 Monaten) an, das Buch selbst "vorzulesen". Bei Tochter 1, klang das so: Sie blätterte jede Seite um und brummelte dabei vor sich hin: "Nein. - Nein. - Nein.- Nein.- Jaaaaa! Daaaa!" Tochter 2 las das Buch so vor: "Mama? - Mama? - Mama?- Mama? - Mamaaaaaa!!!!! Daaaa!" Beide "erzählten" das Buch völlig unterschiedlich, trafen aber in ihrer Interpretation durchaus den Kern des Buches. Vom kleinen weißen Fisch gibt es mehrere Fortsetzungen, die alle zu empfehlen sind. Sie haben nicht unbedingt so viel Freude hervorgerufen wie das erste Buch, wurden aber trotzdem gern gelesen: Der kleine weiße Fisch ist glücklich, Bravo, kleiner weißer Fisch!, Der kleine weiße Fisch wird groß. Mittlerweile gibt es das Buch auch als Baby-Pixi Buch aus unkaputtbaren Papierseiten (angeblich speichelfest), also wenn ihr nicht zu viel Geld ausgeben wollt, ist das vielleicht etwas für euch.

Schieben und entdecken: Klingeling: Das ist ein sehr kleines Pappbuch, welches ähnlich aufgebaut ist, wie der kleine weiße Fisch. Der kleine Marienkäfer will die Maus besuchen und klingelt auf jeder Seite an einem Haus und fragt: "Ist die Maus zu Haus?". Er klingelt jedoch erst einmal an den falschen Türen. So trifft er erst einmal auf Ameisen, Raupe, Hummel und Tausendfüsser, bis dann doch noch die Maus gefunden wird. Auf jeder Seite kann das Kind einen Schieber betätigen, erst dann öffnet sich die Tür und das Tier ist zu sehen. Bei einigen Büchern dieser Reihe scheinen die sehr stabilen Schieber schwergängig zu sein - bei uns allerdings nicht, da wir das Buch vom Flohmarkt haben. Mein Sohn mag das Büchlein sogar noch lieber als den kleinen weißen Fisch, vermutlich, weil er das Konzept er Schieber so spannend findet. Ich lese den an sich schon recht kurzen Text jedoch anders vor, als auf der Seite geschrieben. Ich sage: "Klingeling - ist die Maus zu Haus? [betätigt Schieber] - Neeeeein, hier wohnen doch die Ameisen!" statt "Ist die Maus zu Haus? Klingeling. [betätigt Schieber] - nein, hier wohnen Adam und Anna Ameise." Das ist sicher nur ein Spleen von mir, aber ich finde, in dem Alter sollen die Kinder doch erst einmal die Bezeichnungen der Tiere lernen, da brauche ich nicht noch Namen oder anderen Firlefanz hinzufügen. Aus der Serie gibt es noch das Buch: Schieben und Entdecken: Brumm Brumm, in dem es natürlich um Baufahrzeuge geht. Ganz sicher legen wir uns dieses auch noch zu.

Wer versteckt sich hier, Lieselotte? Ich bin ja ein großer Fan aller Lieselotte Bücher und kann sie allesamt empfehlen (zum Beispiel: Was passiert da, Lieselotte?,Schläfst du schon, Lieselotte? und Was schmeckt dir, Lieselotte?). Dieses hier hat es meinem 15 Monate altem Sohn besonders angetan. Er schleppt es andauernd an, wurschelt sich damit auf meinen Schoß und möchte es vorgelesen bekommen. Es sind vor allem die Klappseiten, die er super findet und auch für mich als Vorlesende wird es nicht so schnell langweilig. Kuh Lieselotte läuft darin über den Hof und entdeckt lauter Tiere - oder das, was sie im ersten Moment für Tiere hält. Hinter dem Holzstapel steht nämlich gar nicht das Schwein, sondern ein Pferd und ein Wasserschlauch! Ich liebe die Zeichnungen. Sie sind klar und schnörkellos, trotzdem gibt es auf den Bildern immer wieder kleine versteckte Dinge zu entdecken. Die Seiten sind aus robuster Pappe, auch die Klappseiten halten einiges aus. Mein eindringlicher Rat: Gebt Lieselotte bei euch ein Zuhause!

Erdbeeren sind rot ist ein etwas älteres Buch, das es nur noch gebraucht gibt. Ich finde es jedoch sehr gelungen. Auf jeder Seite ist eine Frucht mit spezieller Farbe abgebildet, auf der gegenüberliegenden Seite steht dann der dazu gehörige Satz (Erdbeeren sind rot., Bananen sind gelb., Äpfel sind grün. usw.). Blättert man bis zum Ende des Buches, enthüllt sich dort ein kleines Geheimnis: Die Pappseiten sind so geschnitten, dass am Ende alle Früchte in einer Schüssel Obstsalat zu sehen sind. Beachtet, dass dieses Pappbuch sehr dünn ist (5 Seiten), also erwartet nicht zu viel Input. Für die Anbahnung der ersten Farben (sogar lila ist dabei) ist es jedoch völlig ausreichend und dazu sehr liebevoll gestaltet.

Solltet ihr das Buch nicht auf dem Flohmarkt bekommen, dann könnt ihr als Alternative "Meine erste Lernraupe: Ich kenne die Farben" nehmen. Das ist nun kein Buch mit großem "Wow"-Effekt, tut seinen Dienst aber völlig ausreichend: Es zeigt auf, welche Farben es gibt und welche typischen Gegenstände in dieser Farbe gefärbt sind. Es gibt auf jeder Seite einen Schieber und die Zeichnungen sind wirklich zuckersüß! Nicht empfehlen kann ich das Ministeps "Kennst du alle Farben?" und zwar deshalb, weil auf der gelben Seite ein Teddy in einen Sandberg krabbeln möchte. Was nun auf den ersten Blick vielleicht nicht so problematisch aussieht, wirkt jedoch möglicherweise als Vorbildfunktion für unsere Kinder. Da das Krabbeln in ein Sandloch mit Erstickungstod enden kann, habe ich das Buch aussortiert. Es gibt genügend bessere Bücher. Für etwas ältere Kinder (ab 3, würde ich sagen) kann ich übrigens das Farben Buch von Hervé Tullet wärmstens empfehlen!

Mein erstes Buch von den Jahreszeiten ist wieder einmal ein Buch aus dem Verlag Ars-Edition, das mich voll überzeugt. Die Bilder sind sehr einfach gehalten (für mich erst einmal gewöhnungsbedürftig), aber wunderbar bunt. Es gibt Schieber, die mein Sohn sehr liebt, und diese zaubern effektvoll die vier Jahreszeiten herbei. Auf der Frühlingsseite zum Beispiel kann das Kind eine Blume wachsen lassen, im Winter zieht es damit einen Jungen auf dem Schlitten durch den Schnee. Es ist kein Buch mit wahnsinnigem intellektuellem Anspruch, aber für 1-2 Jährige Kinder ist es völlig ausreichend, denn es werden eben typische Dinge aus den vier Jahreszeiten vorgestellt (Frühling: Erdbeere, Biene, Vogelnest mit Eiern, Marienkäfer, Blume) Aus der gleichen Reihe gibt es noch die Bücher: Mein erstes Buch von den kleinen Tieren, Mein erstes Buch vom Bauernhof, Mein erstes Buch von den Farben, Mein erstes Buch von den Fahrzeugen und einige mehr.

Wenn kleine Tiere wütend sind: Ein kleines Büchlein über das große Gefühl der Wut. Meine Kinder haben es gern gelesen, manche Tipps haben wir auch versucht umzusetzen, wenn sie wütend waren (aufstampfen, in ein Kissen boxen...). (Ich verlinke es hier mal nicht, weil ein Witzbold es bei Amazon gerade für 135 Euro anbietet. Ich glaube, ich habe dafür 5-6 Euro im Buchladen bezahlt, geht mal gucken.)

Mein erstes buntes Bildwörterbuch: Müllauto und Kehrmaschine. Mein Sohn liebt Müll. Deshalb war klar, dass dieses Buch bei uns einziehen musste. Es ist auch definitiv sein Favorit von allen gekauften Müllbüchern, die wir haben: Erstes Schieben und Entdecken: Bei der Müllabfuhr, WWW Die Müllabfuhr, Ich habe einen Freund, der ist Müllmann, Frag doch mal...die Maus: Müllabfuhr. Ich denke, das liegt daran, dass es darin so viele schöne Klappen gibt. Die Zeichnungen finde ich angenehm klar; auf jeder Seite befinden sich etwa 10 kleine Gegenstände. Ich bin allerdings beim Angucken immer noch dabei, da ich Angst habe, dass er die Klappen herausreißt. Am allerliebsten ist ihm jedoch ein Fotobuch, das ich ihm zusammengestellt habe. Ich habe auf unserem täglichen Spaziergang alle Mülleimer und -tonnen fotografiert und diese in der korrekten Reihenfolge aufgeklebt, laminiert und zu einem Ringbuch binden lassen. Ohne dieses Buch geht er nicht mehr aus dem Haus und abends muss es natürlich mit ins Bett. ;-) Habt ihr also einen Müllfan, so wie ich, dann macht das doch auch lieber so. Selbst gebastelte Bücher sind immer die besten!

Heule Eule: Ein ganz putziges Buch über die kleine Eule, die weint und weint und weint und sich von nichts und niemandem trösten lässt. Dann kommt Mama Eule und schon sind die Tränen getrocknet. Als Mama fragt, warum das Kind weinen musste, stellt es fest: "Hab ich vergessen!". Die Buchseiten sind nicht aus Pappe, sondern aus einer Art laminiertem Papier. Fasst sich erst einmal komisch an, ist aber sehr robust. Mittlerweile gibt es eine Fortsetzung: Heule Eule: Nein, ich lasse niemand rein! (muss das nicht eigentlich "niemanden" heißen?), die ich vom Prinzip her sogar noch ein bisschen niedlicher finde. Mama Eule fliegt nämlich kurz weg und sagt ihrem Kind, es soll niemanden hereinlassen, was es dann auch getreulich tut: Nicht einmal Mama Eule macht es die Tür auf.... Vom Alter her würde ich dieses zweite Buch allerdings schon den 2-3 Jährigen zuordnen.

Die Eule mit der Beule: Noch ein Eulenbuch, das oft von Eltern gekauft und empfohlen wird. "Aua, sagt die Eule, ich glaub, ich hab ne Beule..." und schon kommen Fuchs, Maus und Bär, um das Eulenkind zu verarzten. Der eine bringt ein Pflaster, der andere pustet und der dritte hat eine Honigsalbe parat. Doch erst, als sich das Eulchen in die Arme der Mama kuscheln kann, ist wieder alles gut. Die Geschichte gefällt mir, der Text ist in Reimen gehalten, so dass es sich angenehm vorliest. Die Bilder sprechen mich nicht sooo an, aber meinem Sohn gefällt das Buch durchaus. Ich denke, für 5,95 Euro kann man nicht so viel falsch machen.

Bist du meine Mama? ist die Geschichte des kleinen Kükens, das, frisch aus dem Ei geschlüpft, über den Bauernhof wandert und seine Mama unter all den Tieren dort sucht. Es ist liebevoll und im detailreich gezeichnet und hat viele spannende Klappen. Mit diesem Buch kann man absolut nichts falsch machen, ich kenne kein Kind, das es nicht liebt. (Auf die Klappen aufpassen!) Eine klare Kaufempfehlung, denn es ist soooooooo süß!

Mama Huhn such ihr Ei: Hier die Geschichte einmal anders herum: "Frau Huhn sucht heute schon seit Stunden ihr Ei - es ist verschwunden..." Schön gereimter Text, liebevoll gezeichnete Figuren und eine Reise des Huhns über die Kontinente. Sie findet eine Menge Eier, leider schlüpfen dort immer andere Tiere heraus (Pinguin, Krokodil, Strauß...). Am Ende findet sie aber doch noch ihr Ei, gerade rechtzeitig, um ihr Küken in die Arme zu schließen. Ein niedliches Detail: die Seiten sind so miteinander verbunden, dass bei jedem Schlüpfen eines Kindes, das entsprechende Ei leise knackst. Ich mag dieses Buch sehr, sehr gern, meine Kinder allesamt auch. Kaufen, kaufen, kaufen!

Wenn Kuscheltiere schlafen gehen: Das liebste Einschlafbuch meiner Kinder. Ich habe den gereimten Text immer gesungen (nach der Melodie von 10 kleine Zappelmänner, man muss dann allerdings 1-2 Worte weglassen), meine Kinder an der entsprechenden Stelle den Schieber betätigt, so dass ein Kuscheltier nach dem anderen - scharch - einschläft. Am Ende ist nur noch das Kuschelkind übrig, dass dann aber auch ganz schnell einschläft. Süße Überraschung: auf dessen Nachttisch liegt das Buch "Mama Huhn sucht ihr Ei"!

Gute Nacht Gorilla: Hört euch mal in eurem Freundeskreis um: WENN die Leute von einem Gute-Nacht-Buch schwärmen, dann von diesem hier. Es ist in der Tat lustig gezeichnet und man findet viele witzige Details auf jeder Seite. Ich selbst fand es echt anstrengend, dieses Buch "vorzulesen", denn es hat keinen Text. Man denkt sich den Text als Elternteil allein aus. Das ist nicht sonderlich schwer, aber abends bin ich oft so knülle, dass ich einfach nur noch stupide vorlesen will, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. Aber ich habe es ja überlebt. Dieses Buch war bei uns übrigens der Einstieg in eine ganze Reihe von schönen Büchern ohne Text, die ich im Artikel 3-4 Jahre vorstellen werde.

Wenn kleine Tiere müde sind: Wieder eine Empfehlung aus meinem Freundeskreis. Tatsächlich sind alle Mütter und Väter begeistert - außer ich. Ich finde das Buch langweilig. Aber gut, die Bilder sind niedlich gezeichnet und der kurze Text ist in Reimen gehalten - das sind ja die Hauptvoraussetzungen, damit es unseren Kindern gefällt. Also, probiert es ruhig aus - vielleicht mögen eure Kinder das Buch ja? Ich denke, es ist für 1-2 Jährige sogar etwas besser geeignet, als Gute Nacht, Gorilla. Man findet es übrigens wirklich oft auf dem Flohmarkt, also guckt erst einmal dort, bevor ihr es neu bestellt.

Albert spielt verstecken. Albert-Bücher sind kleine feste Pappbücher, die auf jeder Seite eine große (feste) Klappe haben - es gibt sie aber nur noch gebraucht. Alber ist, wie unsere Kinder, etwa 1-1,5 Jahre alt und spricht noch nicht viel. In jedem Buch sieht man eine kurze Sequenz aus seinem Leben mit seiner Mama. In "Albert spielt verstecken" versteckt er sich, und seine Mama sucht ihn. Selbstverständlich weiß sie sofort, wo er ist, doch sie macht ihm die Freude, zuerst an ganz anderen Orten zu suchen. In "Albert ist eine Katze" tut er so, als wäre er eine Katze. Seine Mama soll erraten, was er darstellt, doch sie rät immer die falschen Tiere, so dass Albert schon ein bisschen ungeduldig wird und immer lauter "Miau!" ruft. Am Ende erkennt Mama dann natürlich doch, was er ist. Es gibt noch "Albert macht Quatsch" und "Albert geht schlafen". Wie ihr meiner Beschreibung schon entnehmen könnt, sind diese Bücher keine Weltliteratur. Gerade aber wegen ihrer Einfachheit und Geradlinigkeit waren sie bei meinen Kindern in diesem Alter unglaublich beliebt. Ich habe sie auf dem Flohmarkt gekauft, dort findet man sie auch relativ häufig. Bei Amazon werden sie gerade für 50 Euro verkauft, was natürlich absoluter Blödsinn ist.

Wo ist Mami? Ich bin ein großer Fan von Axel Scheffler und Julia Donaldson und es ist schön, dass man den Zauber der Bücher der Autoren des Grüffelo schon ganz kleinen Kinder näher bringen kann. Wo ist Mami? ist ein Buch über einen kleinen Affen, der seine Mami verloren hat. Er beschreibt ihre körperlichen Eigenschaften einem Schmetterling, dieser missversteht ihn jedoch erst einmal ziemlich oft. So bringt er ihn zum Elefanten, zur Schlange etc. Irgendwann fragt der kleine Affe entnervt, ob der Schmetterling nicht wüsste, dass eine Affenmami genauso, wie ein Affenkind aussähe? Der Schmetterling antwortet: Nein, das wusste ich nicht, denn guck mal, meine Kinder sehen ganz anders aus, als ich. Mit der entscheidenden Information weiß der Schmetterling dann aber doch endlich, wo Mami ist. Ob er den kleinen Affen zur richtigen Äffin bringt, müsst ihr allerdings selbst rausfinden ;-)

Wer hat denn meinen Hut versteckt? ist ein wirklich hübsches Buch über einen Bauern, dessen Hut plötzlich weg ist. Er läuft von Seite zu Seite und fragt (in Reimen) seine Bauerhoftiere, ob sie den Hut gesehen hätten. Dabei kann das Kind auf jeder Seite erraten, welches Tier er als nächstes fragen wird, denn zunächst ist immer nur ein Teil zu sehen (meist die Nase) und erst, wenn ein Schieber bedient wird, kommt das ganze Tier zum Vorschein. Am Ende findet der Bauern natürlich seinen Hut, doch er bekommt ihn nicht zurück, denn mittlerweile wohnt Familie Maus darin.

Jakob-Bücher: Jakob ist der kleine Bruder von Conni und Conni - die kennt ihr doch, oder? Wenn nicht, werdet ihr Conni bald kennenlernen. Conni kann alles, macht alles und erlebt alles und man kommt als Elternteil an ihr nicht vorbei. Mittlerweile mag ich sie sogar. Jakob jedenfalls ist ihr kleiner Bruder und ihm wurde nun eine eigene Buch-Serie für Kinder ab 18 Monaten gewidmet. Jakobbücher sind kleine Pappbücher mit Klappen und behandeln die wichtigsten Themen, die Kleinkinder so bewegen: Jakob und sein Schnuller, Schlaf gut, Jakob, Jakob kann das schon alleine,Jakob, Haare waschen, Jakob und sein Töpfchen, Jakob auf dem Spielplatz, Jakob passt auf im Straßenverkehr,Jakob im Kindergarten, Jakob ist wütend, Jakob hilft Papa, Jakob ruft Stopp! , Jakob streitet sich mit Conni,Jakob fährt Zug, Jakob und sein Laufrad, Jakob und die nasse Hose, Jakob geht zur Kinderärztin, Jakob spielt Fußball, Jakob und seine Zahnbürste, Jakob feiert Weihnachten. Klare Kaufempfehlung für alle Bücher dieser Serie. Sie mögen nicht sonderlich aufregend sein, behandeln aber liebevoll den Alltag eines Zweijährigen. Meine Kinder waren völlig hingerissen.

Bobo Siebenschläfer: Fast alle Eltern verdrehen genervt die Augen, wenn es um Bobo geht. Fast alle Kinder lieben ihn abgöttisch. Bobo ist ein kleiner Siebenschläfer. Er wird in einer der ersten Geschichten zwei Jahre alt. Man erlebt seinen Alltag mit und es passiert wirklich nichts Spannendes. Er geht auf den Spielplatz, buddelt, klettert, schaukelt, wippt ... und schläft ein. Er geht mit Mama einkaufen und legt Brot, Käse, Wurst etc. in den Wagen und den Einkaufsbeutel ... und schläft ein. Zu jedem Satz der Geschichte gibt es ein kleines Bild, was es unseren Kindern leicht macht, der Geschichte gut zu folgen. Die Bilder sind leider sehr, sehr schlecht gezeichnet. Es gibt eine überarbeitete Version, in der man Bobo, Mama und Papa besser unterscheiden kann, passt also auf, dass ihr diese Version erwischt. Es gibt mehrere Bobo-Bände und auch Bobo Hörbücher sowie einzelne Bobo-Geschichten als Pixi-Bücher und Pappbücher. Meine Kinder lieben alles von Bobo, auch heute noch (mit 3).

Schau mal an, was Paulchen kann: Das Paulchenbuch ist genauso aufgebaut, wie Bobo Siebenschläfer. Kleine Bildchen auf jeder Seite mitsamt einem Satz erzählen aus dem Alltag des kleinen Bären. Ich finde ihn schöner gezeichnet und meine Kinder mögen das Buch gern, aber ihre Liebe gilt weiterhin Bobo.

Pusten, trösten, Pflaster drauf: 5 Tiere haben sich verletzt und brauchen Wundversorgung. Dem Buch beiliegend sind 5 Pflaster, die in ihrer Farbe den Tieren zugeordnet sind. Nun kann das mitlesende Kind also immer das richtige Pflaster aussuchen und dem entsprechenden Tier aufkleben. Das macht Spaß und wird begleitet durch den Spruch: "Pusten, trösten, Pflaster drauf." Wunderbar! Für ein einjähriges Kind sicherlich noch zu schwer, aber ab 18 Monaten bzw. in Richtung zwei Jahre ganz sicher schon zu bewältigen. Die Pflaster sind übrigens abwasch- und wiederverwendbar!

Ganz ähnlich gestaltet sich das Buch Aua, brummt der Bär: Das ist ein ganz normales Kinderbuch mit wenig Text, hübschen Bildern und einer schönen Idee, denn das Kind kann jedem Tier, dass sich weh getan hat, ein Pflaster aufkleben. Das Pflaster ist an einem Band am Buch befestigt und aus robustem Kunststoff. Es war bei uns kein Lieblingsbuch, aber meine Kinder haben es immer mal wieder angeguckt. Viel, viel niedlicher finde ich: Hast du Aua, kleiner Bär? , welches ähnlich aufgebaut ist, wie Wenn Kuscheltiere schlafen gehen. In hübschen Reimen vorgelesen, verarztet ein kleiner Junge auf jeder Seite ein anderes Kuscheltier. Eines hat Fieber, das andere bekommt ein Pflaster und so weiter. Durch die integrierten Schieber kann euer Kind sehen, wie das Kuscheltier nach der Verarztung aussieht. Mir gefällt das Buch wirklich gut, meinen Kindern auch.

Lauf nach Haus, kleine Maus: Dieses Buch war eine Empfehlung unseres Kindergartens. Nach dem ersten Durchsehen war ich skeptisch: Sehr dunkle Seiten, auf jeder Seite ein unheimliches Tier (Katze, Marder, Eule etc.), das die kleine Maus fressen möchte. Der Text ist gereimt, es gibt Zwischenseiten, auf denen man anhand der Augen der Tiere erraten kann, was als nächstes auf die kleine Maus zukommt. Mich hat es nicht sonderlich angesprochen, wohl aber meine Töchter! Wir mussten das Buch gefühlte hunderttausend Mal vorlesen und bald konnten meine Kinder mitsprechen. Klare Kaufempfehlung, allerdings erst für Kinder, die schon fast 2 sind.

Die kleine Raupe Nimmersatt ist der Klassiker unter den Kinderbüchern für 1-2 Jährige. Es hat bis heute nichts an seinem Charme verloren. Auch meine Kinder lieben es und blättern verzückt im Buch, bis die Raupe alles aufgefressen hat, sich verpuppt und am Ende als wunderschöner Schmetterling schlüpft. Dieses Buch ist ein Muss für jedes Kinderzimmer. Es war das erste Buch, das meine Töchter Wort für Wort auswendig mitsprechen konnten.

Bumm! Lesen kann gefährlich sein: Ein Buch ohne Text, dafür mit ausdrucksstarken Bildern und einer witzigen Geschichte, die sich Seite für Seite weiterspinnt. Das Buch beginnt mit einem autofahrenden Hirsch, der sein mit Büchern vollgepacktes Auto lesend steuert. Dabei übersieht er eine Mülltonne und BUMM! fährt gegen sie. Seine Bücher fliegen im hohen Bogen durch die Luft und landen in der Tonne. Das Schwein mit dem Hühnertransporter ist durch das Gegacker von hinten abgelenkt und BUMM! rast hinten rein. Die Hühner fliegen durch die Luft und landen auf dem Hirschgeweih... So geht das dann (fast) das ganze Buch weiter. Das "Bumm" ist immer eine Doppelseite und Kinder haben den Dreh bald raus und rufen immer schon vor dem Umblättern total begeistert "Bumm!"und jauchzen dabei. Das Buch ist eine Entdeckung eines lieben Forum-Vaters: Herzlichen Dank dafür!

Piep, piep, piep: Beim Rumfragen in meinem Freundeskreis, welches Buch besonders beliebt ist, wurde mir mehr als einmal dieses kleine aber sehr dicke Buch genannt. Auf den Pappseiten wird jeweils ein Gegenstand gezeigt und daneben steht kurz, wie sich dieser Gegenstand anhört. ("Die Trompete macht täterätätä") An sich finde ich die Idee des Buches gut, doch mir gefallen die Zeichnungen einfach überhaupt nicht, deshalb hat es sich keinen Platz in meinem Herzen erobert und ich habe es auch nicht gekauft. Einzig und allein die Seite mit der Steckdose brachte mich kurz zum Auflachen: "Die Steckdose macht NEIN!", den Rest fand ich nur lala. Andererseits spricht es ja durchaus für das Buch, dass so viele andere Eltern es ausdrücklich empfehlen. Vielleicht macht ihr euch einfach selbst ein Bild davon.

Plitsch! Platsch! Meine ganze Welt der Geräusche. In diesem Buch wird der Tagesablauf eines kleinen Kindes verfolgt, vom morgendlichen Aufstehen bis hin zum Schlafen gehen am Abend. Alle Tätigkeiten des Kindes sind je auf einer Seite festgehalten und der kurze Text verrät, wie sich das anhört. Zum Beispiel fährt das Kind auf dem Fahrrad im Kindersitz mit der Mama zur Kita, daneben steht "Kling, kling kling!" von der Klingel des Fahrrads ausgehend. Auf der Seite, auf der das Kind Zähne putzt und gerade Wasser ausspuckt, steht: "Rrrrrrrr! Plitsch!" Dieses Buch gefällt mir ausnehmend gut. Die Bilder sprechen mich sehr viel stärker an und ich finde gut, dass der ganze Tag eines Kindes darin abgebildet ist.

Bisher sind in dieser Reihe außerdem erschienen:

Die schönsten Kinderbücher für Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren

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