Wenn man sein Kind in die Fremdbetreuung gibt, ist es klar, dass man in vielen Fällen auch Abstriche machen muss, was die eigene Erziehungsphilosophie angeht. Die meisten von uns versuchen, ihre Kinder möglichst bedürfnisorientiert aufwachsen zu lassen, was in einer Kleinfamilie meist kein Problem darstellt. Dass das in einer Gruppe mit 15 bis 20 Kindern und zwei Erzieherinnen so nicht möglich ist, ist verständlich. Trotzdem gibt es manchmal Situationen, in denen man als Elternteil denkt: "Hätte das nicht auch in der Kita irgendwie anders gelöst werden können? Muss mein Kind das so aushalten? Oder sollte ich als Elternteil ein entschiedenes Veto einlegen?"
In dieser Artikel-Serie möchte ich auf Situationen, zu denen ich immer wieder im Zusammenhang mit Kindergarten und Krippe befragt werde, eingehen und abwägen, was davon von Eltern und Kindern "ertragen" werden muss, und was nicht. Dabei geht es mir nicht, darum, die Arbeit der Erzieherinnen schlecht zu machen oder gegen Fremdbetreuung zu sprechen. Ich weiß, dass die Mehrzahl der Erzieherinnen in den Krippen und Kitas tagtäglich sehr gute Arbeit leistet! Es gibt aber eben auch ein paar wenige schwarze Schafe, oder solche, die es zwar gut meinen, aber nicht auf dem neusten Stand der Wissenschaft stehen. Ich möchte einfach aus meiner professionellen pädagogischen Sicht aufzeigen, was in der Fremdbetreuung einfach nicht anders geht und was Kindern nicht zugemutet werden muss, weil es auch mit 20 Kindern in einem Raum andere Wege gibt.
In dieser Artikel-Serie möchte ich auf Situationen, zu denen ich immer wieder im Zusammenhang mit Kindergarten und Krippe befragt werde, eingehen und abwägen, was davon von Eltern und Kindern "ertragen" werden muss, und was nicht. Dabei geht es mir nicht, darum, die Arbeit der Erzieherinnen schlecht zu machen oder gegen Fremdbetreuung zu sprechen. Ich weiß, dass die Mehrzahl der Erzieherinnen in den Krippen und Kitas tagtäglich sehr gute Arbeit leistet! Es gibt aber eben auch ein paar wenige schwarze Schafe, oder solche, die es zwar gut meinen, aber nicht auf dem neusten Stand der Wissenschaft stehen. Ich möchte einfach aus meiner professionellen pädagogischen Sicht aufzeigen, was in der Fremdbetreuung einfach nicht anders geht und was Kindern nicht zugemutet werden muss, weil es auch mit 20 Kindern in einem Raum andere Wege gibt.
Die Eingewöhnung
Ich finde es bedenklich, dass immer noch nicht alle Erzieherinnen nicht wissen, wofür die "Eingewöhnung" eigentlich gedacht ist. Zugegeben, das Wort verwirrt ja auch ein bisschen. Es suggeriert, dass sich das Kind an den Kindergarten, den Gruppenraum und die Erzieherin "gewöhnen" soll. So antworteten 9 von 10 von mir befragten Erzieherinnen auf meine Frage auch tatsächlich, dass die Eingewöhnungszeit dafür da ist, dass das Kind die Abläufe der Gruppe und die anderen Kinder kennen lernt, so dass es sich dort wohl fühlt.
Diese Antwort ist natürlich nicht gänzlich falsch, doch sie lässt den wichtigsten Punkt außen vor: Die Eingewöhnungszeit soll dem Kind die Möglichkeit geben, sich unter angenehmen Bedingungen und ohne Stress an eine neue Bezugsperson (die Erzieherin) zu binden. Es geht primär um sichere Bindung! Denn nur, wenn das Kind eine bedeutungsvolle Liebesbeziehung zu seiner Erzieherin aufbaut, kann es ohne nennenswerten inneren Stress den Tag ohne seine primären Bindungspersonen verbringen, seine Umwelt erkunden und lernen. Der bekannte Raum und die anderen Kinder geben dabei zusätzlichen Halt, ersetzen aber nicht die Beziehung zur Erzieherin.
Diese Antwort ist natürlich nicht gänzlich falsch, doch sie lässt den wichtigsten Punkt außen vor: Die Eingewöhnungszeit soll dem Kind die Möglichkeit geben, sich unter angenehmen Bedingungen und ohne Stress an eine neue Bezugsperson (die Erzieherin) zu binden. Es geht primär um sichere Bindung! Denn nur, wenn das Kind eine bedeutungsvolle Liebesbeziehung zu seiner Erzieherin aufbaut, kann es ohne nennenswerten inneren Stress den Tag ohne seine primären Bindungspersonen verbringen, seine Umwelt erkunden und lernen. Der bekannte Raum und die anderen Kinder geben dabei zusätzlichen Halt, ersetzen aber nicht die Beziehung zur Erzieherin.
Der Aufbau einer Bindung benötigt Zeit, deshalb hat sich in der Eingewöhnung in guten Kitas das "Berliner Modell" als Standard durchgesetzt. Dieses Konzept erstreckt sich über mindestens vier Wochen, in denen die Mutter anfangs im Gruppenraum (passiv) zugegen ist und sich dann nach und nach für immer längere währende Momente verabschiedet. Das Berliner Modell ist bei der Ablösungsphase nicht starr, d. h. der Zeitpunkt, an dem die Mutter zum ersten Mal geht, wird individuell auf das Kind abgestimmt. Lässt das Kind sich nicht beruhigen, wird die Mutter angerufen. Erst, wenn das Kind sich sicher genug bei seiner Bezugserzieherin fühlt, werden Mittagsessen, Windel wechseln und Mittagschlaf eingeführt, da für alle diese Situation eine stabile Vertrauensbasis nötig sind, damit das Kind sich nicht in seiner Integrität verletzt fühlt. Erinnert euch, wie unangenehm es war, als ihr in den Wehen lagt und ständig neue, unbekannte Hebammen und Ärzte in eurer Zimmer kamen und euch in eurem intimsten, verletzlichsten Moment anschauten - so geht es euren Kindern beim Wickeln und auch beim Einschlafen!
Sollte euer Kind jedoch schon drei Jahre alt sein und euch aktiv aus dem Gruppenraum schicken mit den Worten: "Du kannst gehen, Mama. Das hier ist ein Kindergarten, kein Mamagarten!", dann wäre es natürlich Blödsinn, die Eingewöhnung künstlich in die Länge zu ziehen. Eine gute Kita (und gute Erzieherinnen) richten sich demnach in ihrem Eingewöhnungstempo nach dem Kind. Mögliche Vorkommnisse bei der Eingewöhnung in die Kita sind:
Die Kita gewöhnt nicht nach dem Berliner Modell ein

Es ist normal, wenn das Kind zunächst weint, wenn die Mutter geht. Es ist ein Zeichen guter Bindung zu ihr. Doch es muss sich unbedingt von seiner Erzieherin beruhigen lassen - nur dann hat es bereits eine Bindung zu ihr aufgebaut. Nicht akzeptabel dagegen ist, wenn die Trennungen nach einem starr vorgegebenen Zeitplan durchgeführt werden, egal, wie sich das Kind dabei fühlt.
Nicht akzeptabel ist auch, wenn ein Kind die gesamte Zeit der Trennung durchweint oder apathisch in einer Ecke sitzt und die Mutter nicht informiert wird. Total unprofessionell ist, dieser Mutter dann hinterher zu sagen, dem Kind wäre es in der (durchgeweinten) Zeit gut gegangen. Letzteres wäre ein Punkt für mich, die Kita zu wechseln. Auch ohne Berliner Modell sollte die Eingewöhnungszeit großzügig geplant sein. Ich halte z. B. zwei Wochen für zu kurz, es sei denn, das Kind ist mindestens drei Jahre und gibt selbst zu verstehen, dass die Mutter gehen soll oder das Kind kennt die Erzieherin schon länger aus einem anderen Kontext. Eine gute Kita zuckt übrigens nicht mit der Wimper, wenn die Eingewöhnungszeit länger als vier Wochen dauert - oft kommt ja z. B. eine Erkrankung des Kindes dazwischen.
Die Kita macht keine Eingewöhnungszeit
Das ist nur dann akzeptabel, wenn es um Kinder geht, die über drei Jahre alt sind und nur, wenn sie selbst entscheiden, ohne Mutter gehen zu wollen. Ist das nicht der Fall und euer Kind braucht euch, um sich sicher zu fühlen, die Kita ist aber nicht flexibel genug, sich darauf einzustellen, wäre das für mich ein Grund, diese Kita nicht in Betracht zu ziehen.
Ein Kind mit Bindungsperson spielt so, dass es im Laufe des Tages immer wieder zu seinem sicheren Hafen zurückkehrt, sich eine Streicheleinheit oder ein Lächeln abholt, und dann wieder loszieht, um Neues zu entdecken. Manchmal reicht auch ein Blick von weiter weg, ob die Bindungsperson da ist und guckt. Ein Kind, dass keine Bindungsperson hat, "schwimmt" den ganzen Tag unsicher umher und erlebt innerlich großen Stress, der es krank machen kann. Kinder ohne Bindungspersonen können ihr natürliches Explorationsverhalten nicht zeigen, d. h. sie untersuchen nicht den Raum und den Garten und sie spielen nicht im Flow. Es ist die ganze Zeit - wenn auch nicht immer augenscheinlich - auf der Suche nach einem sicheren Hafen.
Ein Kind mit Bindungsperson spielt so, dass es im Laufe des Tages immer wieder zu seinem sicheren Hafen zurückkehrt, sich eine Streicheleinheit oder ein Lächeln abholt, und dann wieder loszieht, um Neues zu entdecken. Manchmal reicht auch ein Blick von weiter weg, ob die Bindungsperson da ist und guckt. Ein Kind, dass keine Bindungsperson hat, "schwimmt" den ganzen Tag unsicher umher und erlebt innerlich großen Stress, der es krank machen kann. Kinder ohne Bindungspersonen können ihr natürliches Explorationsverhalten nicht zeigen, d. h. sie untersuchen nicht den Raum und den Garten und sie spielen nicht im Flow. Es ist die ganze Zeit - wenn auch nicht immer augenscheinlich - auf der Suche nach einem sicheren Hafen.
Die Erzieherin sagt, Tränen gehören zur Eingewöhnung
Ja und Nein. Es kann sein, dass ein Kind bei der Trennung von der Mutter weint. Das ist erst einmal kein schlechtes Zeichen per se, es gilt sogar als Zeichen für eine gute Bindung. Trotzdem sind Tränen nicht zwingend nötig. Es gibt solche und solche Kinder: manche weinen schneller, manche weinen kaum. Es ist durchaus möglich, die Eingewöhnung so sanft vorzunehmen, dass das Kind dabei nicht weinen muss.
Eine solche Pauschalisierung ("Tränen gehören dazu") finde ich einen Tick unprofessionell, aber nicht Besorgnis erregend. Inakzeptabel wäre es jedoch, wenn die Erzieherin diesen Satz so meint, dass es egal ist, ob das Kind weint, es wird sich schon irgendwann - von allein - beruhigen. Eine solche Missachtung der Signale des Kindes zeugt von erheblicher Gefühlskälte und ist keine gute Voraussetzung, den Job kindgerecht zu machen. Das würde mich persönlich komplett abschrecken.
Die Erzieherin sagt, ich kann mich nicht von meinem Kind lösen, deshalb läuft die Eingewöhnung nicht gut
Tja - kannst du dich denn von deinem Kind lösen? Oder bereitet es dir morgens Bauchschmerzen, es dort zu lassen? Hast du ein ungutes Gefühl? Vertraust du der Erzieherin nicht? Es kann immer sein, dass dir dein Herz etwas anderes sagt, als dein Verstand. Wichtig ist, dir selbst zuzuhören. Spürt dein Herz, dass deinem Kind die Kita (noch) nicht gut tut und du deshalb so zögerlich bist, es dort zu lassen? Bist du selbst diejenige, die gern noch mehr Exklusivzeit mit dem kleinen Erdenbürger verbringen möchte? Ganz egal - hör auf deinen Instinkt. Du bist die Mutter deines Kindes, niemand sonst kann es so gut einschätzen, wie du. Diese ersten, engen Jahre kommen nicht wieder. Genieße sie, solange du das willst.
Wenn du aber sagst "Ich will wirklich, dass mein Kind in die Kita geht und ich sehe auch, dass es die Kita mag. Die Eingewöhnung läuft trotzdem suboptimal", dann kann es sein, dass der o. g. Satz der Erzieherin ihre frustrierte Rechtfertigung für den Fakt darstellt, dass sie es nicht schafft, eine Beziehung zu deinem Kind herzustellen. Einige (wenige) Erzieherinnen stehen dem Prinzip des Attachment Parenting eher skeptisch gegenüber, weil die enge Bindung zwischen Mutter und Kind ihnen die Arbeit zunächst einmal schwer macht.
Das ist gut verständlich: Die meisten schlecht gebundenen Kinder weinen beim Abgeben nicht, sie scheinen von Außen zufrieden zu sein, sitzen im Raum und beschäftigen sich selbst. Lange Zeit war das ja das Traumbild eines selbständigen "deutschen" Kindes - eines, das klaglos alles hinnimmt und sich gut an neue Situationen anpassen kann ohne durch störendes Verhalten aufzufallen. Diese Zeiten sind nun Gott sei Dank vorbei. Trotzdem verbleibt in einigen Köpfen eben der Wunsch, einen leichteren Zugang zum Kind zu haben. Ist das Kind gut an die Mutter gebunden, muss die Erzieherin schon sehr viel feinfühliges Verhalten aufbringen, um zur Vertrauensperson zu werden. Das dauert und kostet viel Aufmerksamkeit - bei den oftmals schlechten Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen fehlt es einigen dann vielleicht an Kraft, beides aufzubringen.
Nun müsst ihr selbst abwägen - ist euch die Kita, die Erzieherin und das Konzept weiterhin sympathisch? Dann grenzt euch freundlich, aber bestimmt von dieser Anschuldigung ab: "Es ist mir wichtig, dass mein Kind in die Kita geht - es liegt also nicht daran, dass ich mich schlecht lösen kann. Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam einen Weg finden, um X die Eingewöhnung zu erleichtern. Ich vertraue dabei deinem professionellen Know-How. Du wirst sicher einen Zugang zu meinem Kind finden und ich unterstütze dich gern dabei. Wichtig ist mir aber, dass wir dabei X Tempo gehen und nicht immerzu mit einem Auge auf einen starren Zeitplan schielen, der vielleicht bei anderen Kindern funktioniert. Kinder sind einfach unterschiedlich in ihren Bedürfnissen." Damit habt ihr freundlich die Fronten geklärt. Bleibt zu hoffen, dass die Erzieherin auf euren Wunsch eingeht.
Zuschreibung negativer Motive
Wir alle kennen diese Unkenrufe aus dem Alltag mit unseren Kindern - irgendjemand prophezeit uns ganz sicher, dass unser Kind uns "irgendwann auf der Nase herumtanzen wird", es zum "Tyrann heranwächst", uns absichtlich "um den Finger wickelt" und "manipuliert". Diese Sicht aufs Kind stammt noch aus der Zeit der Schwarzen Pädagogik und hält sich seitdem verdammt hartnäckig im kollektiven Gedächtnis. Kein Wunder also, dass auch Erzieherinnen nicht davor gefeit sind, unseren Kindern in bestimmten Situationen negative Motive für ihre Handlungen zu unterstellen. Mögliche Aussagen der Erzieherinnen sind:
Die Erzieherin sagt, mein Kind ist aggressiv und muss zum Kinderpsychologen
Diese Aussage kommt leider immer öfter im Kindergartenalltag vor, was eine erschreckende Tendenz darstellt. Nicht der Fakt, dass kleine Kinder aggressiv sind - das waren sie schon immer - sondern, dass dieses normale Verhalten so massiv pathologisiert wird. Sollte also euer Kind jünger als drei Jahre alt sein und hauen oder beißen, dann muss er nicht zum Kinderpsychologen, sondern die Erzieherinnen haben die Aufgabe, ihm zu zeigen, wie man angemessen Kontakt zu anderen aufnehmen kann oder gesellschaftskonform zu verstehen gibt, dass man ein bestimmtes Spielzeug nicht abgeben will. Machen eure Erzieher also solch eine Aussage, dann weist sie freundlich darauf hin, dass dieses Verhalten zwar unschön, aber normal ist. Die allermeisten Erzieherinnen wissen das aber und sind professionell genug, auf das Beißen pädagogisch wertvoll zu reagieren.
Ist euer Kind um die vier Jahre alt und beißt und haut im Kindergarten und die Erzieherin spricht auch darauf an, ist das eine etwas andere Sache. Es ist zwar immer noch so, dass die Impulskontrolle in diesem Alter noch lange nicht ausgereift ist, so dass es im Affekt durchaus noch dazu kommen kann, dass es andere haut. Es ist jedoch oft so, dass ältere Kindergartenkinder durch aggressives Verhalten auf ihre eigene Not hinweisen. Ich meine damit nicht, dass sie zuhause geschlagen werden (wobei das natürlich auch sein kann), sondern dass sie sich in einer Beziehungskrise mit ihren Eltern befinden. Dabei fangen sie zunächst einmal an, ihre Wut darüber, von den Eltern gegängelt und nicht wertgeschätzt zu werden, an den Eltern auslassen, diese also hauen, kneifen oder bespucken.

Ist euer Kind allerdings fünf Jahre alt und schart im Kindergarten eine Gruppe von anderen Kindern um sich, um zwei- und dreijährige Mädchen im Garten heimlich zu drangsalieren, indem er ihnen einen Legostein in den After schiebt oder die Scheide mit Kugelschreiber anmalt, während seine "Freunde" das sich windende Mädchen festhalten - dann hat die Erzieherin Recht: Euer Kind gehört zum Kinderpsychologen. (Ja, das ist ein wahres Vorkommnis gewesen.)
Die Erzieherin sagt, mein Kind macht das nur, um Aufmerksamkeit zu erheischen
Hach ja, seufz... Das berühmte Aufmerksamkeit-Erheischen, das natürlich nur gemacht wird ... tja, wofür eigentlich? Warum zeigt ein Kind Verhalten, das Aufmerksamkeit generiert? Doch eigentlich immer nur dann, wenn es darauf hinweisen möchte, dass es ihm nicht gut geht. Und sollte es deswegen mit Nichtbeachtung o. ä. gestraft werden? Es sucht doch dann einfach nur jemanden, der ihm zuhört, der es versteht. Jemand, der hinter das Verhalten schaut, den Grund erkennt und diesen beseitigt. Mehr als alles andere erwarte ich von einer guten Erzieherin, dass sie in diesem Moment für mein Kind da ist. Dass sie ihm eine Stütze ist und das ausgleicht, was ihm in seiner Familie vielleicht gerade fehlt.

Das ist ja das Schöne daran, dass Erzieherinnen zu Bindungspersonen werden - sie können, wenn es sein muss, eine Mutter kurzfristig ersetzen. Sie können Fehler, die eine Mutter macht, zum größten Teil ausgleichen. Sie können sogar, wenn sie wirklich gut sind und die Mutter sehr mit sich selbst beschäftigt, ein Kind so in einer emotional festen Spur halten, dass es trotz Missbrauch oder Missachtung durch seine Eltern zu einem psychisch halbwegs gesunden Menschen heranwächst. Diese wichtige Position, die sie im Leben eines Kindes einnehmen, bringt aber eben auch eine große Verantwortung mit sich.
Eine Erzieherin, die sich nicht bewusst ist, dass aufmerksamkeitserscheischendes Verhalten zunächst immer ein Hilfeschrei ist, kann viel kaputt machen, wenn sie meint, dieses Verhalten müsse durch Strafen abgestellt werden. Eine Erzieherin, die nicht richtig hinhört, die nicht richtig hinsieht, eine, die nur die äußere Schale des Kindes betrachtet und nicht ins Herz schaut, hat in dem Beruf eigentlich nichts verloren. Wenn mir eine Erzieherin also sagt, mein Kind tue etwas nur, um Aufmerksamkeit zu erheischen, klingeln bei mir die Alarmglocken - und bei euch sollten sie das auch. Seht genau hin, wählt genau aus: Euer Kind verdient eine Erzieherin, die es liebt oder zumindest mag. Emotionale Kälte und die Zuschreibung negativer Motive für bestimmtes Verhalten sind nicht tragbar.
Die Erzieherin sagt, mein Kind macht das nur, um seinen Kopf durchzusetzen
Als meine Kinder eingewöhnt wurden, war ich einmal Zeugin einer Situation, die ich sehr traurig fand. Ein kleiner Junge saß nach dem Mittagschlaf vor seinem Bettzeug und weinte. Er sollte es selbstständig ins Bettenfach legen. Aus irgend einem Grund konnte er gerade nicht, deshalb schluchzte er herzerweichend. Nicht gekünstelt, sondern wirklich echte, dicke Tränen. Ich hatte Mitleid, doch die Erzieherin stoppte mich mit den Worten: "Hilf ihm ja nicht, er kann das allein, er will nur seinen Kopf durchsetzen!" Ich antwortete erstaunt: "Ich bin mir sicher, dass er das normalerweise kann, deshalb frage ich mich, was der Sinn dahinter ist, ihm jetzt in diesem Augenblick Hilfe zu verweigern? Ganz offensichtlich schafft er es gerade nicht allein und ich fände es freundlich, wenn wir ihm helfen würden".
Die Angst hinter dem Satz "Das Kind will nur seinen Kopf durchsetzen" ist ganz offensichtlich die vor dem kleinen Tyrannen, der nicht darauf hört, was die Erwachsenen sagen. Ich kann gut nachvollziehen, dass es für Erzieher sehr anstrengend und nervenaufreibend ist, Kinder in der Gruppe zu haben, die permanent das genaue Gegenteil von dem machen, was sie eigentlich tun sollen. Deshalb halte ich einen gewissen Grad von Zwang innerhalb der Kita-Regeln für nicht vermeidbar.
Eine meiner Töchter - Fräulein Ordnung - z. B. musste schon ein paar Mal im Kita-Garten auf der Bank sitzen, weil sie sich geweigert hatte, ihre Schuhe anzuziehen. Sobald sie sich ihre Schuhe angezogen hatte, durfte sie spielen gehen. Ich weiß, dass ich das zuhause hätte anders regeln können und ich kann mir auch den Grund für ihre Verweigerungshaltung denken, aber ich mache der Erzieherin keinen Vorwurf, das so gelöst zu haben. Kinder in der Kita müssen leider bis zu einem gewissen Grad "funktionieren", sonst hakt es im Gefüge. Wichtig ist mir aber, dass solche Situationen von den Erzieherinnen mit einem freundlichen, oder wenigsten neutralen, die Aktion dem Ablöseprozess der Autonomiephase zuordnenden Blick betrachtet wird und nicht gedanklich das Wort "Tyrann" auf die Stirn des betreffenden Kindes gestempelt wird.
Eine gute Erzieherin weist "schlechtes" Verhalten freundlich, aber bestimmt in die Schranken, ohne die Integrität der Kinder zu verletzen und kann erkennen, ob etwas aus echter Not heraus verweigert wird, oder weil der Hafer gerade sticht.
Die Erzieherin sagt, das Kind tanzt mir auf der Nase herum

Eine freundliche, aber bestimmte Ansage von euch hilft in diesem Fall weiter: "Es berührt mich, dass du dir Sorgen um mich und mein Kind macht. Das zeigt, das wir dir wichtig sind und dass es dir am Herzen liegt, dass es X später mal wegen seines Verhaltens nicht so schwer hat. Ich höre, dass du das Gefühl hast, er tanzt mir auf der Nase herum. Lass mich dir versichern, dass ich weiß, was ich tue. Ich habe das selbe Ziel wie du für X und ich bin mir ganz sicher, es auf meine Art und Weise zu erreichen. Es mag noch eine Weile dauern und es wird nicht immer einfach sein, aber wir werden da ankommen. Ganz bestimmt wirst du dich weiterhin sorgen, weil dir meine Art der Erziehung fremd ist, doch ich möchte dich bitten, das nicht mehr laut zu äußern. Lass mich meinen Weg gehen".
Vor den Kindern über die Kinder reden
Im Kitaalltag trifft man die Erzieherinnen meist zwischen Tür und Angel. Morgens beim Abgeben, nachmittags beim Abholen - es bleiben oft nur wenige Minuten Zeit, um Informationen auszutauschen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es oft dazu kommt, dass Eltern und Erzieher sich über ein Kind unterhalten, das genau daneben steht. Meist sind das leider negative oder schambehaftete Begebenheiten, die so nicht über den Kopf des Kindes hinweg diskutiert werden sollten.
Kinder hören genau hin - wenn sie immer wieder hören, dass wir negativ über sie reden, verfestigt sich in ihnen ein schlechtes Bild von sich selbst. Sie nehmen diese "Rolle" für sich an. Ich habe in meiner Sonderausbildung für den Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern gelernt, dass wir als Erwachsene dieses "Über-das Kind-Reden" eigentlich nur dafür nutzen dürfen, positve Dinge zu sagen. Dabei ist es wichtig, dass dieses positive Reden nicht gestellt oder geschauspielert ist - das würden die Kinder merken. Wenn ihr also an dem Tag nichts Positives zu sagen habt, dann sagt am besten nichts. Werden aber echte Errungenschaften von Erwachsenem zu Erwachsenem weitergegeben und das Kind hört das (heimlich) mit, dann wächst sein Selbstbewusstsein.
Stellt euch vor, ihr seid im Büro und euer Chef kommt und sagt: "Deine letzte Aufgabe hast du wirklich sehr gut gemacht. Ich schätze Mitarbeiter, wie dich!", dann wärt ihr sicherlich glücklich, aber nicht vollends überzeugt, ob das jetzt ein echtes Lob war, oder einfach eine freundliche Geste, stimmts? Nun stellt euch vor, ihr würdet an einem Raum vorbeigehen und zufällig hören, wie eurer Chef zu einer Kollegin sagt: "[Dein Name] hat ihre letzte Aufgabe wirklich sehr gut erledigt. Ich schätze solche Mitarbeiter wie sie wirklich" - dieses indirekte Lob hätte für euch viel mehr Wert und Wahrheitsgehalt, als das direkte. Ihr hättet vermutlich Bauchkribbeln und würdet innerlich ein Stück wachsen. So geht es euren Kindern, wenn sie vermeintlich heimlich überhören, wie ihr euch über ihre positiven Eigenschaften unterhaltet.
Wenn ihr euch nun vorstellt, wie ihr euch fühlen würdet, wenn ihr zufällig überhören würdet, dass der Chef zu jemandem sagt: "[Dein Name] hat schon wieder einen Fehler gemacht. Andauernd muss ich ihre Arbeit nachprüfen, damit nichts Falsches rausgeht.", dann wisst ihr jetzt, wie es eurem Kind geht, wenn es dabeisteht, während die Erzieherin mit euch diskutiert, dass es schon wieder eingepullert, gehauen, geärgert oder nicht aufgegessen hat.
Das Über-ein-Kind-im-Beisein-des-Kindes-Reden ist natürlich kein Grund, die Kita zu wechseln. Aber ihr könntet eure Erzieherin, falls sie es macht, darauf hinweisen, dass ihr das nicht möchtet. Wenn sie euch etwas Wichtiges zu erzählen hat, kann das Kind ja noch mal kurz in die Puppenecke gehen oder mit dem Roller eine Runde im Garten drehen.
In Teil 2 der Serie wird es um Strafen und Konsequenzen und über das berühmte "Wenn... Dann..." im Kita-Alltag gehen.
© Snowqueen