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Gewaltfreie Kommunikation (GFK) - mit Kindern besser kommunizieren

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Zu Beginn eines Kommunikations-Seminars werden zwei Gruppen gebildet und räumlich getrennt. Beide Gruppen sollen die folgende Aufgabe erfüllen :
 
"Sie kommen nach Hause. Vor dem Eingang des Hauses liegt weit zerstreut der Inhalt einer Mülltüte, was sie sehr verärgert. Sie treffen den vermeintlichen Verursacher und fordern ihn zur Beseitigung des Chaos auf. Dieser erklärt, gerade keine Zeit zu haben und das später erledigen zu wollen. Sie erwarten Besuch und möchten, dass der Schmutz sofort beseitigt wird. Es kommt zu einem Konfliktgespräch. Entwickeln sie einen realistischen Dialog zur Problemlösung zwischen den zwei Gesprächsteilnehmern."
 
In einem winzigen Detail unterscheiden sich die Aufgaben jedoch, ohne dass die Teilnehmer dies wissen. Die eine Gruppe soll davon ausgehen, dass es sich bei dem Verursacher für das Chaos um das eigene Kind handelt, die andere entwickelt den fiktiven Dialog in der Annahme, dass der sonst sehr freundliche Nachbar dafür verantwortlich ist. Beide Gruppen treffen danach wieder zusammen und präsentieren ihre Ergebnisse.
 
Ihr könnt Euch sicher vorstellen, dass die Dialoge der Gruppen sehr unterschiedlich aussehen. Marshall B. Rosenberg, der Entwickler des Konzeptes der gewaltfreien Kommunikation (GFK) hat dieses kleine Experiment ganz häufig in seinen Seminaren durchgeführt - die Reaktionen der Teilnehmer waren immer ähnlich. Es gab Erstaunen bei denjenigen, die das Kind für den Verschmutzer hielten, darüber, wie respektvoll und lösungsorientiert die andere Gruppe die Konfliktlösung beschrieben hat. Verwunderung gab es auch bei der anderen Gruppe, diese allerdings empfand das von den anderen Teilnehmern beschriebene Gespräch fast immer vorwurfsvoll und respektlos, da sie ja eigentlich davon ausging, dass es sich um ein Gespräch mit einem Nachbarn handelt. Die Erkenntnis, dass wir mit unseren Kindern ganz anders reden, als mit Erwachsenen wird niemanden wirklich überraschen. Dass dies jedoch die Ursache für viele familiäre Konflikte sein kann, ist nur wenigen bewusst.

Wir gehen - sehr häufig irrtümlich - davon aus, dass Konflikte mit Kindern stets rein inhaltlicher Natur sind. Sagen wir genervt: "Wie sieht es hier denn schon wieder aus? Du verbreitest ständig Chaos. Räume doch endlich mal dein Zimmer auf!" und uns schallt ein empörtes "Nö, ich habe aber keine Lust!" entgegen, kommt uns oft gar nicht in den Sinn, dass unsere Kommunikation vielleicht erst der Auslöser für das kindliche Nein war. Vielleicht hätte das Kind tatsächlich aufgeräumt - wenn wir es denn höflich und gewaltfrei gefragt hätten.

Wo die Gewalt in unserer Kommunikation war? Nun - allein das "schon wieder" impliziert beim Kind, dass es quasi ständig ein unordentliches Zimmer hat, was uns ständig stört. "Ständig Chaos" ist eine Verurteilung. Und "endlich mal" signalisiert, dass das Kind das schon längst hätte tun können und sollen - es ist also in unseren Augen scheinbar rundum fehlerhaft. Das Kind fühlt sich dadurch angegriffen und nimmt sofort eine Abwehrhaltung ein. Es geht dabei also gar nicht unbedingt ums Aufräumen, sondern eher um das diffuse Gefühl, nicht wertgeschätzt, verurteilt und bevormundet zu werden.

Gewaltfreie Kommunikation kann uns helfen, unsere Anliegen so zu formulieren, dass sich niemand verletzt oder angegriffen fühlt und auf sachlicher Ebene eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Problemlösung gefunden werden kann. Ich kann jedem nur ans Herz legen, es einfach mal auszuprobieren!
 
Wenn man sich so im Internet umschaut, findet man ziemlich viele, zum Teil auch sehr ausführliche Abhandlungen zur GFK, die jedoch so viele Details und zum Teil auch sehr wirr spirituelle Elemente enthalten, dass man teilweise leider eher abgeschreckt wird, sich näher damit zu befassen. Dabei ist sie im Grunde gar nicht so schwierig zu erlernen.

Ich hatte mir vor einiger Zeit das Buch "Gewaltfreie Kommunikation" von Marshall B. Rosenberg aus der Bücherei aus. Leider fand ich nicht so recht ins Buch - die Sprache war schon sehr speziell und die Abstraktheit des Themas überforderte mich etwas, so dass ich nicht über ein paar Seiten hinaus kam. Nachdem mir jedoch eine Freundin "Kinder einfühlend ins Leben begleiten - Elternschaft im Licht der Gewaltfreien Kommunikation" schenkte - mit 24 Seiten Inhalt (netto) sehr schön kompakt - habe ich mich dann doch noch mal umfassender mit dem Thema auseinandergesetzt.  
 
Ich will in diesem Artikel möglichst kompakt das Wesentliche zur "GFK" zusammenzufassen, damit ihr die wichtigsten Grundlagen habt, um es einfach mal zu versuchen - unser Familienleben wurde durch gewaltfreie Kommunikation definitiv sehr positiv beeinflusst.
 
 

Das Überdenken der inneren Einstellung

 
Der Weg zu einer gewaltfreien Kommunikation beginnt oft mit einer großen Hürde: dem Überdenken der inneren Einstellung. Wir müssen uns klar darüber werden, was uns für unsere Kinder und unser Zusammenleben mit ihnen wichtig ist, was wir uns für sie wünschen und wie wir das erreichen. 

Wem der Gedanke, dass man mit Kindern grundsätzlich gleichwertig umgehen sollte, nicht fremd ist, der kann getrost ab der Überschrift "Wie praktiziert man gewaltfreie Kommunikation?" weiter lesen. Für diejenigen, die unseren Blog noch nicht kennen und über Google oder Facebook hergefunden haben, möchte ich vorab kurz auf die innere Einstellung zu unseren Kinder eingehen.
 
Grundlage der gewaltfreien Kommunikation ist nämlich, den Wunsch aufgeben, einen anderen dazu zu bringen, etwas zu tun, was wir von ihm möchten. Wir werden uns vielmehr darauf konzentrieren,  in Konfliktsituationen Bedürfnisse zu formulieren und um ihre Erfüllung zu bitten.
 
Um Missverständnissen an der Stelle vorzubeugen: das heißt nicht, dass wir künftig - bspw. wenn unser Kind auf eine stark befahrene Straße zurennt - freundlich säuselnd rufen: "Noah, ich möchte gerne, dass Du nicht überfahren wirst und bitte Dich daher herzlich, doch stehen zu bleiben, Schatz!"
 
Eltern sind in manchen Situationen gezwungen, spontan ihre elterliche Macht umgehend auszuüben, um die Gesundheit des Kindes (oder anderer) oder Eigentum zu schützen. In diesen Fällen muss nicht viel vorher pädagogisch wertvoll kommuniziert werden. Haut die zweijährige Mia dem gleichaltrigen Leo den Eimer über den Kopf, muss eingegriffen werden.  Ebenso, wenn der Wagen des Nachbarn als Grundlage dienen, ein kreatives Kratzbild zu fertigen. Dann wird erst mal gehandelt - auch gegen den Willen des Kindes - aber hinterher kann man durchaus mit gewaltfreier Kommunikation die Situation auswerten.
 

Der allgemeine Erziehungsbegriff

 
Um den Ansatz der gewaltfreien Kommunikation zu verinnerlichen, ist es hilfreich, sich zunächst bewusst zu machen, warum es überhaupt zu Konflikten in der Erziehung kommt. Was versteht man denn unter "Erziehung"überhaupt? Wikipedia sagt dazu:
"Unter Erziehung versteht man die von Erziehungsnormen geleitete Einübung von Kindern und Jugendlichen in diejenigen körperlichen, emotionalen, charakterlichen, sozialen, intellektuellen und lebenspraktischen Kompetenzen, die in einer gegebenen Kultur bei allen Menschen vorausgesetzt werden."
Inwieweit sich körperliche, charakterliche und intellektuelle Kompetenzen tatsächlich "einüben" lassen, sei mal dahingestellt, im Kern trifft die Definition ungefähr das, was die Mehrheit der Eltern auf eine solche Frage antworten würden. Sie würden es vielleicht etwas einfacher zusammenfassen mit "Erziehung bedeutet, dass ich meinem Kind alles beibringe, das es benötigt, um das Leben glücklich und erfolgreich zu meistern". 

Kinder sollen quasi "lernen", sich so zu verhalten, dass sie sich ohne Probleme innerhalb einer Gemeinschaft bewegen können, so dass sie von anderen gemocht und akzeptiert werden und ein zufriedenes Leben führen können.
 
 

Bedürfnisse und Konflikte im Familienleben

 
Unser langfristiges Ziel ist also, unsere Kinder durch unsere Erziehung bestmöglich auf das Leben vorzubereiten. Ein etwas kurzfristigeres Ziel ist es für jeden, möglichst harmonisch zusammenzuleben. Das funktioniert in der Regel dann am besten, wenn die Bedürfnisse aller Familienmitglieder ernst genommen und berücksichtigt werden. Zu Konflikten kommt es vornehmlich dann, wenn einzelne Bedürfnisse miteinander kollidieren. Wenn das Kind zum Beispiel gerne etwas vorgelesen bekommen möchte, während die Mutter das Abendessen kochen muss. Oder wenn das Kind gerade vertieft spielt, der Vater es aber in die Kita bringen will. Oder der kleine Bruder unbedingt auch das Spielzeug haben muss, mit dem gerade das große Geschwisterchen spielt...
 
Die gewaltfreie Kommunikation soll helfen, bei solchen Konflikten unsere Bedürfnisse so zu vermitteln, dass niemand verletzt und gekränkt wird. Dabei soll ohne Vorwürfe und Wertung eine gemeinsame Lösung gefunden werden, die alle Beteiligten zufrieden stellt. Es geht darum, sich liebevoll, partnerschaftlich und mit Wertschätzung, Respekt und Mitgefühl auszutauschen.
 

Auf welchen Annahmen basiert gewaltfreie Kommunikation?

 
Die obenstehende Definition des Erziehungsbegriffes zeigt, dass leider die meisten davon ausgehen, dass ihre Kinder als "unvollkommene Wesen" zur Welt kommen, die sie aktiv formen müssen, damit sie im Leben zurecht kommen. Bei der gewaltfreien Kommunikation wird von einem anderen Menschenbild ausgegangen, nämlich dass Kinder von Grund auf gut und kooperativ sind und von Natur aus ein Interesse daran haben, sich gewinnbringend in eine Gemeinschaft einzubringen und Rücksicht auf die Bedürfnisse aller zu nehmen.

Diese alternative Sicht auf das Kind ruft bei den meisten nur Kopfschütteln hervor, da ihr Umfeld voll von Warnungen vor Tyrannen und sich eben nicht kooperativ verhaltenden Kindern ist. Rufe nach festen Grenzen und mehr Konsequenz(en) werden laut, bei trotzigen Kleinkindern wird oftmals sofort ein Erziehungsversagen vermutet und konsequentes Eingreifen gefordert. Dabei ist unangemessenes Verhalten häufig vielmehr der Ausdruck der Frustration über die nicht gewürdigte Kooperationsbereitschaft unserer Kinder.

Dass diese grundsätzlich vorhanden ist, hat evolutionäre Gründe. Jahrtausende lang war das Leben ein Kampf ums Überleben, Ressourcen waren knapp. Da galt es in der Gemeinschaft den anderen zur Seite zu stehen und gemeinsam dafür zu sorgen, dass es ein Dach über dem Kopf und genügend Nahrung für alle gab. Das Ganze versprach umso erfolgreicher zu sein, je mehr man sich aufeinander verlassen konnte und einander half. Kinder haben zwar untereinander konkurriert (weswegen auch heute häufig noch Eifersucht zwischen Geschwistern besteht), aber in Bezug auf ihre Eltern war es für Kinder wenig sinnvoll, durch unangemessenes Verhalten diejenigen zu verärgern, die für ihr Überleben sorgten. Schließlich bestand die Gefahr, dass sich die Eltern dadurch mehr einem der (zahlreichen) anderen Geschwister zuwendet und das Kind bei der Ressourcenzuteilung benachteiligt wurde. Es liegt nicht in der Natur des Menschen, unkooperativ zu sein und Konflikte zu provozieren.

Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder tatsächlich überaus kooperativ sind, wenn sie das Gefühl haben, ernst genommen zu werden und viel selbst entscheiden zu dürfen. Kommuniziert man empathisch mit ihnen, fühlen sie sich wertgeschätzt und übernehmen diese Art, sich auszutauschen. Wenn man nachvollzieht, wie sich jemand fühlt, kann man auch dessen Bedürfnisse verstehen. Werden die eigenen Bedürfnisse ernst genommen und berücksichtig, ist man selbst viel eher bereit, die der anderen auch zu erfüllen.

Diese Bereitschaft ist jedoch maßgeblich beeinflusst von dem Gefühl, frei in der Entscheidung zu sein. Je mehr Druck aufgebaut wird, desto mehr Widerstand entwickelt sich. Du kennst das sicher von Deinen Kindern - wenn Du sie aufforderst jetzt sofort etwas zu tun, wird das nicht selten verweigert. Meist nicht einmal deshalb, weil sie nicht tun wollen, was Du verlangst, sondern weil sie sich bevormundet fühlen und selbst darüber entscheiden möchten, ob und vor allem wann sie etwas tun. Meine Erfahrung ist: Lasse ich die Wahl, über den Zeitpunkt einer Handlung zu entscheiden, sind meiner Chancen sehr viel höher, dass meiner Bitte nachgekommen wird, als wenn ich sofortiges Handeln einfordere.

Die gewaltfreie Kommunikation basiert hauptsächlich auf dem Konzept der Freiwilligkeit - ich bitte um die Erfüllung meines Bedürfnisses, nehme aber auch in Kauf, dass die Bitte nicht erfüllt wird. Wenn ich also eine Bitte formuliere, dann weiß ich vorher, dass ich ein "Nein!" akzeptiere. Wenn ich ein "Nein!" nicht akzeptieren werde, dann formuliere ich eine Forderung. Diese Differenzierung ist sehr wichtig - Ihr werdet vermutlich feststellen: Je mehr ihr bittet, desto weniger werden Eure Forderungen diskutiert. 

Wenn man genauer darüber nachdenkt, gibt es im Grunde nur sehr wenige Situationen, in denen ein "Nein!" zu unserer Bitte nicht akzeptabel scheint. Wenn wir uns von der Angst lösen, unsere Kinder zu verziehen, weil sie auch mal "Nein!" sagen dürfen, werden wir ziemlich sicher die Erfahrung machen, dass sie unser "Nein!" auch akzeptieren.
 

Wie praktiziert man gewaltfreie Kommunikation?

 

Die Grundlagen der gewaltfreien Kommunikation

 
Bei der gewaltfreien Kommunikation geht es um einen liebevollen und partnerschaftlichen Umgang miteinander. Sie basiert zum einen auf dem Verstehen des Gegenübers und zum anderen auf dem Verstandenwerden. Gemeinsam sollen Wege gefunden werden, Konflikte zu lösen - ohne Machtausübung, ohne Vorwürfe und ganz ohne moralische Urteile. Grundlage der gewaltfreien Kommunikation ist Empathie - also die Fähigkeit die Gedanken, Gefühle und Beweggründe des Gesprächspartners zu verstehen.
 
Für die gewaltfreie Kommunikation ist es erforderlich, auch die Bedürfnisse des Anderen zu sehen und zu verstehen und auch die eigenen Bedürfnisse so zu formulieren, dass der Andere nicht eine Abwehrhaltung einnimmt und sich vielmehr für die Erfüllung des Bedürfnisses öffnet. Gewaltfreie Kommunikation heißt aber auch: Ich nehme in Kauf, dass mein Bedürfnis möglicherweise nicht erfüllt wird.
 

Aller Anfang ist schwer

 
Die gewaltfreie Kommunikation zu erlernen ist anfangs relativ schwierig, weil sie sich doch sehr von der Art unterscheidet, wie wir es normalerweise gewohnt sind, zu kommunizieren. Es wird sich für die meisten seltsam fremd anfühlen und möglicherweise auch den Gegenüber verwirren. Einige sagen, dass es sich unnatürlich anfühlt, so zu reden, es sei irgendwie nicht "authentisch". Das ist aber nur deshalb so, weil wir es nicht gewohnt sind. Marshall B. Rosenberg zitiert dazu Gandhi mit:
 
"Verwechsle nicht das, was Gewohnheit ist, mit dem, was natürlich ist".
 
Unsere jetzige Kommunikation ist anerzogen und geprägt von der Erziehung unserer Eltern und Großeltern. Wenn wir Ärger verspüren, reagieren wir meist nur auf zwei verschiedene Arten Rückzug/Schweigen oder Angriff/Rechtfertigung. Ich erlebe das öfter selbst - wenn meine Tochter (5) nicht kooperiert, dann macht mich das hilflos und wütend. Mein erster Impuls ist, mich umzudrehen und zu gehen oder ihr Vorwürfe zu machen und zu drohen. Dass die Konflikte so nicht befriedigend gelöst werden können, ist verständlich. Daher bemühe ich mich, meine erlernten Verhaltensweise abzulegen und ungewohnte Wege zu beschreiten.
 
Viel "natürlicher" ist es nämlich, Dinge aus Spaß und Freude füreinander zu tun, als Strafen, Belohnungen und Schuld- oder Schamgefühle bewusst zu einzusetzen, um ein gewünschtes Verhalten zu erreichen. Wie bei allem anderen gilt auch für die gewaltfreie Kommunikation: Man gewöhnt sich schnell daran - irgendwann geht sie in Fleisch und Blut über. Je mehr man übt und sie anwendet, desto schneller wird es sich vollkommen natürlich anfühlen




 

Kooperation durch Bitten statt Vorwürfe und Androhung von Konsequenzen

 
Denkt man genauer darüber nach, dann stellt man fest, dass es im Grunde nur zwei mögliche Wege gibt, jemanden dazu zu bringen, etwas zu tun oder zu lassen, wenn er das gerade eigentlich gar nicht möchte:

1. durch Zwang und Druck und die Androhung von Strafen und Konsequenzen oder

2. weil er sich bei der Abwägung der Vor- und Nachteile dazu entschließt, den Nachteil (gerade nicht wollen) in Kauf zu nehmen, weil der (zu erwartende) Vorteil überwiegt
 
Dass die ständige Ausübung der elterlichen Macht durch Strafen und Konsequenzen zu Frustration und damit zu einer konfliktbeladenen Abwehrhaltung führt, ist nachvollziehbar - ich hatte zu diesem Thema vor einer Weile einen ausführlichen Artikel geschrieben. Stell Dir bspw. vor, Dein Mann kommt nach Hause und sagt: "Ich habe Durst, bitte bring mir sofort ein Glas Wasser. Wenn Du das nicht machst, bringe ich nachher den Müll nicht raus. Und Deine Tasche steht hier im Weg - räum die mal bitte aus dem Weg, sonst schmeiß ich sie weg". Es fiele Dir sicher sehr schwer, da nicht ärgerlich zu sein.

Und unseren Kindern geht es ähnlich - sie möchten ebenso wenig herumkommandiert und bevormundet werden. Sie möchten ernst genommen und höflich gebeten werden. Wie wir auch - ein, wie ich finde, sehr nachvollziehbarer Wunsch. Daher sollte unser Augenmerk darauf liegen, eine freiwillige Kooperation zu erreichen - das Kind sollte das Gefühl haben: auch wenn ich gerade keine Lust habe - der zu erwartende Vorteil wenn ich kooperiere überwiegt, so dass ich jetzt eine Lösung suche. Und der Vorteil, der unsere Kinder (in der Regel) überzeugt ist der, dass sie genau das selbe wollen, wie wir auch: ein harmonisches Familienleben und andere, die ihre Bedürfnisse dann ebenso ernst nehmen. 
  

Die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation


Es gibt vier einfache Schritte, mit denen man ein Bedürfnis gewaltfrei kommunizieren kann:
 

a) Beobachten

 
In einem ersten Schritt wird die Situation beobachtet und wertfrei beschrieben. Es ist von großer Bedeutung, dass lediglich ein Zustand beschrieben wird, der nicht bewertet wird.

In unserem Beispiel am Anfang des Artikels würde das bedeuten, dass eine Konfliktlösung mit GFK beginnt mit: 
"Ich sehe, dass Müll vor der Tür verstreut herum liegt."
Es kommt dabei darauf an, das wirklich neutral zu formulieren. Nicht neutral wäre "Ich sehe, dass Du den Müll verstreut hast" - das wäre ein Vorurteil. Selbst wenn die Vermutung nahe liegt, würde es sich um eine Vorverurteilung handeln. "Du" sollte grundsätzlich in diesem Schritt nicht verwendet werden - beschrieben wird stets, was ICH sehe - ohne Mutmaßungen über den Hergang oder den Grund anzustellen.
 

b) Gefühl

 
In einem zweiten Schritt wird beschrieben, was diese Beobachtung emotional in uns auslöst: 
"Das ärgert mich sehr, denn ich mag es nicht, wenn Müll herum liegt."
Auch hier findet keine Verurteilung statt, wie z. B. "Es ärgert mich, wenn du den Müll herumliegen lässt". Der Fokus liegt allein darauf, was die Beobachtung in mir auslöst.
 

c) Bedürfnis

 
Das beschriebene Gefühl wird ergänzt durch die Formulierung des eigenen Bedürfnisses. Dieser Schritt ist manchmal schwierig, weil es uns nicht leicht fällt, zu sagen, welches Bedürfnis wir konkret haben. In unserem Fall könnte es sein:
 
"Ich möchte gerne, dass es hier sauber aussieht."
 

d) Bitte

 
Abschließend wird durch eine Bitte beschrieben, wie das Bedürfnis erfüllt werden kann. Hier kann und soll das erste Mal das Wort "du" fallen. Die Bitte sollte sich möglichst konkret auf den aktuellen Zustand beziehen und möglichst positiv formuliert werden. Das heißt, dass gesagt werden soll, was man sich wünscht, nicht, was unterlassen werden soll:
 
"Ich möchte gerne, dass Du den Müll wegräumst."
 
Das grundsätzliche Wesen einer Bitte ist, dass diese mit "ja" oder "nein" beantwortet werden kann. Wie schon erwähnt, nimmt man bei der gewaltfreien Kommunikation in Kauf, dass die Antwort tatsächlich "Nein!" ist.

Diese vier Schritte fasst Rosenberg sehr kompakt zusammen mit:
 
"Wenn ich a) sehe, dann fühle ich b), weil ich c) brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d).“
 
Andere mögliche Formulierungen diese vier Schritte auszudrücken wären z. B:

1) "Wenn ich sehe/höre/daran denke/bemerke/erkenne...."

2) "....fühle ich mich/bin ich [traurig/ärgerlich/wütend/verärgert/verletzt]...."
 
3) "...weil mir wichtig ist/sehr daran liegt/ich es wichtig finde dass/ich XYZ brauche...."
 
4) "... daher hätte ich gerne, dass du/wärest Du bereit zu/wäre es für Dich in Ordnung wenn..."
 
In der Praxis könnte das dann so aussehen: 

"Ich sehe, dass Dein Zimmer unordentlich ist. Das ärgert mich sehr, denn ich mag es lieber, wenn aufgeräumt ist. Wärest Du bereit, etwas Ordnung zu schaffen?"

"Ich sehe, dass Du tief im Spiel vertieft und noch nicht angezogen bist. Ich bin etwas ungeduldig, denn ich möchte sehr gerne pünktlich in die Kita kommen. Würdest Du Dich bitte anziehen?"

"Ich höre sehr lautes Geschrei. Das ist für meine Ohren sehr unangenehm. Ich hätte gerne etwas mehr Ruhe. Ist es für Dich in Ordnung, etwas leiser zu sein?"



Zur Erinnerung - wir formulieren Bitten nur dann, wenn wir ein "Nein!" akzeptieren. Wenn wir lernen, unsere Bedürfnisse zu kommunizieren, ohne den anderen dabei zu kritisieren, zu verurteilen oder zu verletzen, wird dieser nicht automatisch in eine beschützende Abwehrhaltung gehen. Wenn wir es schaffen, Bitten zu formulieren, die nicht fordernd oder drohend sind, wird unser Gegenüber eher kooperativ sein, als wenn wir vorwurfsvoll oder fordernd auftreten. Daher sollte die Kommunikation immer ICH-bezogen sein. "Ich sehe", "ich denke", "ich fühle".
 
Mir sollten uns auch nicht der Illusion hingeben, dass die gewaltfreie Kommunikation unsere Konflikte von heute auf morgen komplett beseitigt. So, wie wir erst lernen müssen, auf diese Art zu kommunizieren, muss unser Gesprächspartner erst erkennen, dass es uns ernst damit ist und er die Freiheit hat, "Nein" zu sagen. Wird ihm klar, dass wir ihm mit gewaltfreier Kommunikation eine hohe, bedingungslose Kooperationsbereitschaft signalisieren, wird er dies höchstwahrscheinlich zurück geben wollen.
 
 

Einfühlend zuhören

 
Viele Konfliktsituationen entstehen dadurch, dass jemand anderes in unserer Familie verärgert ist und uns das leider so gut wie nie "gewaltfrei" mitteilt. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich muss immer ganz schrecklich damit kämpfen, in solchen Situationen Ruhe zu bewahren und die Unmutsäußerungen nicht persönlich zu nehmen. Ich habe als Kind nicht gelernt, wie man vorwurfsfrei und nicht fordernd kommuniziert, daher lösen Konflikte in mir öfter widerstrebende Gefühle aus. Manchmal möchte ich mich beleidigt zurückziehen, dem anderen quasi durch Liebesentzug zeigen, wie sehr ich verletzt bin. Das ist ein von meinen Eltern erlerntes Verhalten - in meiner Kindheit war das ihr Mittel, mich zu bestrafen. 
 
Auch in solchen Situationen wirkt die gewaltfreie Kommunikation überraschend deeskalierend. Wenn unser Gegenüber merkt, dass wir ernsthaft an seinen Gefühlen interessiert sind und gewohnt ist, dass konstruktiv eine Lösung gesucht wird, wird sich die Situation schneller entspannen, als wenn mit Macht und Druck gearbeitet.
 
Auch hier können die vier Schritte in der selben Form angewendet werden:
 

1) Beobachten


Beschreibe eine Wahrnehmung von der Du glaubst, dass sie der Auslöser ist. Überlege, was den anderen bewegt und was er beobachtet hat.
 
"Du hast gehört, dass ich dich aufgefordert habe, endlich zu kommen".

2) Gefühl


Versuche zu erfassen, was der andere fühlt:

"Darüber bist du sehr ärgerlich."


3) Bedürfnis


Signalisiere, dass Du verstehst, warum Dein Kind aufgebracht ist:

"Du möchtest viel lieber weiter spielen."


4) Stelle eine Vermutung an, was Dein Kind jetzt von Dir erwartet: 


"Du möchtest, dass ich noch etwas Geduld habe und Dich fertig spielen lasse".

Für unser Kind ist es unglaublich wichtig, das Gefühl zu haben, verstanden zu werden. Das klingt recht profan, ist aber wirklich essentiell. Wir überschätzen regelmäßig das Verständnis unserer Kinder, weil wir unseren eigenen Erfahrungshorizont ansetzen.
  
 

Warum Verständnis signalisieren so wichtig ist


Ich möchte das kurz ausführlicher erklären. Wir wissen bspw. sehr genau, was giftig ist und was nicht - für Kinder ist das ein schwieriger Lernprozess. Nimmt das Kind das erste mal eine rote Beere auf einem Spaziergang in die Hand und will sie in den Mund stecken, sagen wir "nein" und nehmen ggf. die Beere weg. Das Kind versteht recht schnell: "Diese eine Beere soll ich nicht essen". Warum das so ist, kann es nicht erfassen. Anfangs auch nicht, was überhaupt das Problem ist. Die Beere anzufassen? Sie zu essen? Wir werden ihm erklären, dass es "gefährlich" ist - das ist für Kinder jedoch sehr abstrakt. Es versteht in dem Moment nur: "Mama will nicht, dass ich diese (eine) Beere esse." 
 
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es irgendwann eine weitere rote Beere probieren wollen - es könnte ja sein, dass das "nein" nur für die eine Beere galt, für die anderen jedoch nicht. Es gibt wieder ein klares "nein". Für uns ist jetzt eigentlich klar: Das Baby müsste gelernt haben: Beeren = nein. Das Kind hat tatsächlich gelernt: Diese eine und auch die andere Beere nicht. Findet es eine schwarze Beere, wird es die essen wollen - denn schließlich weiß es noch nicht, wofür unser Verbot genau gilt. Es muss sich herantasten. Gilt es für rote Beeren? Für rote und schwarze Beeren? Für alle Beeren? Für gelbe vielleicht nicht? Wir sind entnervt und gehen davon aus, dass unser Kind eigentlich wissen müsste, was wir von ihm wollen, dabei muss es erst aufwändig alle Informationen ordnen und kategorisieren. 
 
So kommt es immer und immer wieder zu Situationen, in denen Kinder das Gefühl haben: "Herrje, Mama versteht mich gar nicht!" Und das löst vor allem in der Autonomiephase, in der Kinder ihre Emotionen noch relativ schlecht regulieren können, viele Wutanfälle aus. Das signalisieren von Verständnis und Verstanden haben kann die wogen schnell glätten - die sogenannte Karp-Methode, die wir in diesem Artikel näher beschrieben haben - ist die einfachste frühe Form der gewaltfreien Kommunikation. 
 
Während bei sehr kleinen Kindern (etwa in den ersten zwei Jahren) das Ablenken im Anschluss an die Beschreibung der Gefühle noch recht gut funktioniert, ist das mit älteren Kindern etwas schwieriger. Sie können schon recht gut kommunizieren und fordern das auch ein. Hier bietet die gewaltfreie Kommunikation dann die Möglichkeit, sanft die eigenen Bedürfnisse zu formulieren und auf Kooperation zu hoffen.
 
© Danielle
 
 

 

Quellen

 
Dieser Artikel basiert auf der Broschüre "Kinder einfühlend ins Leben begleiten" und dem Buch "Gewaltfreie Kommunikation - Eine Sprache des Lebens" von Marshall B. Rosenberg.



Es gibt noch weitere empfehlenswerte Bücher zur gewaltfreien Kommunikation, z. B. - Wenn die Giraffe mit dem Wolf tanzt: Vier Schritte zu einer einfühlsamen Kommunikation oder Gewaltfreie Kommunikation für Dummies.

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